Zweiachsgeräteträger: Anders als die anderen

Beim Sauerburger Grip4-70 sitzt die Kabine in der Mitte und der Motor im Heck – anders als bei anderen Geräteträgern. Welche Vor- und Nachteile sich daraus ergeben und was diese Maschine leistet, erfahren Sie in diesem Testbericht.

Praxistest: Zweiachsgeräteträger: Anders als die anderen

Im Einsatz: der Sauerburger Grip4 M70.

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Der Bordcomputer für diverse Maschineneinstellungen ist gewöhnungsbedürftig.

Der Markt für klassische Zweiachsgeräteträger wird seit vielen Jahren von Reform und Aebi dominiert. Seit etwa sechs Jahren mischt der deutsche Hersteller Sauerburger aus dem Schwarzwald in diesem Geschäft mit. Zuerst mit den beiden größeren Maschinen Grip4-95 und -110, gefolgt vom Grip4-75 und seit Ende 2020 mit dem neu konzipierten Hang-Geräteträger Grip4-70. Dieses jüngste Kind von Sauerburger hat vermutlich aufgrund des deutlich abweichenden Konzeptes schon vor dem Serienstart einige Auszeichnungen erhalten. Unter anderem hat der Grip4-70 auch den Wettbewerb zur „Alp-Innovation-Trophy 2020“ gewonnen.

Mittig platzierte Kabine

Was ist so anders am neuen Konzept? Die Kabine ist nicht wie bei bisherigen Fahrzeugen dieser Kategorie in Fahrtrichtung links angeordnet, sondern sitzt wie bei Standardtraktoren in der Mitte. Der Motor findet sich im Heck, statt rechts von der Kabine. Unsere Testfahrer haben die höhere Sitzposition und die damit verbundene bessere Sicht nach vorne gelobt. Vor allem bei höheren Anbaugeräten, wie wir es zum Beispiel mit dem Kammschwader Samasz Twist erfahren konnten, ist das ein großer Vorteil. Im Heck wird die Sicht durch den Motor allerdings beeinträchtigt. Mit der optional verfügbaren Heckkamera, die an unserem Testfahrzeug angebracht war, kamen wir aber gut zurecht. Mit ihr hat man gute Sicht auf die Unterlenker, die Anhängevorrichtung und das Anbaugerät.

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Große Räder und vier Lenkungsarten: 2-Rad-, 4-Rad-, Hundegang- oder manuelle Lenkung. Die Driftlenkung ist optional.

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Das Kühlerpaket rechts von der Kabine lässt sich seitlich wegklappen. Per Knopfdruck bläst der Wendelüfter den Schmutz aus den Kühlrippen.

Eine Sichtbehinderung mussten wir auch im linken Außenspiegel feststellen. Der Rahmen des Dreh-Schiebe-Fensters verläuft genau im Blickfeld. Das Fenster selbst hat uns aber gut gefallen.

Die Kabine sitzt auf vier Dämpfern und ist vom Fahrzeug entkoppelt. Die Lautstärke am Fahrerohr hat die BLT Wieselburg mit 75,8 dB(A) gemessen. Das ist deutlich leiser, als es der Hersteller angibt. Die kombinierte Klima- und Heizungsanlage ist im Kabinendach untergebracht.

Einen etwas anderen Weg verfolgt Sauerburger beim kleinen Grip4 auch mit dem Fahrwerk. Für die Leistungsklasse von 70 PS hat der Grip4-70 große, breite Räder (500/50R17) und serienmäßig einen langen Radstand von 2.350 mm. Das verleiht ihm eine gute Steigfähigkeit und eine große Bodenfreiheit von 29 cm. Zudem kann in vielen Fällen auf Zwillingsräder verzichtet werden. Die Praktiker konnten dem viel Positives abgewinnen. Mitverantwortlich für eine bessere Zugkraftübertragung ist auch das Reifenprofil. Der Terrareifen von Tianli hat am Rand ein etwas kantigeres Profil als die Produkte manch anderer Hersteller.

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Die vier nassen Scheibenbremsen sind wartungsfrei.

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Vorne lassen sich die Unterlenkerfanghaken von Kat. I auf Kat. II umschrauben.

Mit den großen Rädern tritt Sauerburger aber auch dem hohen Eigengewicht entgegen. Unser gut ausgestatteter Grip4-70 brachte 2.945 kg auf die Waage. In der Basisversion sollen es laut Hersteller nur 2.237 kg sein. Auf jeden Fall ist die Maschine deutlich schwerer als die Mitbewerber in dieser Klasse. Das sind die Auswirkungen der stabil ausgelegten Komponenten. Sauerburger verbaut zum Beispiel 3-Tonnen-Achsen mit Planetenendantrieben und ermöglicht damit ein zulässiges Gesamtgewicht von 4,7 t. Daraus ergibt sich bei unserer Testmaschine eine Nutzlast von 1.755 kg. Ein hoher Wert, trotz nahezu voll ausgestattetem Grundfahrzeug. Der Grip4-70 kann daher auch mit schweren Geräten, zum Beipiel über zwei Meter breiten Mulchern, problemlos zum Einsatz kommen.

Unter der Motorhaube im Heck dieselt ein Kohler-Motor. Mit den Abgasnachbehandlungssystemen DOC (Dieseloxidationskatalysator), gekühlte AGR (externe Abgasrückführung) und DPF (Dieselpartikelfilter) erfüllt er die Abgasstufe V.

Laut Hersteller leistet das Vierzylinder-Turbo-Triebwerk 55,4 kW/75,3 PS bei 2.100 Kurbelwellenumdrehungen. Die BLT Wieselburg hat an der Frontzapfwelle eine Nennleistung von 35,2 kW/ kW/47,9 PS gemessen. Die Maximalleistung bei 1.700 Motorumdrehungen ist mit 36,3 kW/49,4 PS nur geringfügig höher. Das maximale Drehmoment von 228 Nm gibt der Motor bei 1.400 U/min ab. Der Drehmomentanstieg beträgt über 42 Prozent bei rund 33 Prozent Drehzahlabfall.

Der Leistungsverlust vom Motor zur Zapfwelle ist mit über 34 Prozent hoch. Das wirkt sich auch auf den Kraftstoffverbrauch aus. Er ist überdurchschnittlich. Auf dem Prüfstand hat die BLT bei Nenndrehzahl unter Volllast einen spezifischen Verbrauch von 338,6 g/kWh gemessen. Er nimmt bis zum Bestpunkt bei 1.300 Motorumdrehungen relativ gleichmäßig ab. Die im Cockpit verbaute Kraftstoffverbrauchsanzeige passt im Durchschnitt mit den von der BLT gemessenen Referenzmessungen überein, weicht jedoch bei Einzelwerten bis zu 112 Prozent ab. Bei der Beurteilung dieser Prüfstandswerte unter Volllast muss man berücksichtigen, dass ein großer Teil der Motorleistung für die Kühlleistung benötigt wird.

Gut gefallen hat uns der Umkehrlüfter. Damit kann man das Kühlerpaket während der Arbeit freiblasen. Es sitzt rechts neben der Kabine und lässt sich für Wartungs- und Reinigungsarbeiten seitlich aufklappen.

Apropos Wartung: Die wichtigsten Wartungspunkte sind gut zugänglich. Dass man das Kühlmittel für den Motor in der Höhe des Kabinendaches nachfüllen muss, stört allerdings das gute Bild.

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Flachdichtende Hydraulikanschlüsse im Heck und in der Front.

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Das Platzangebot in der Kabine ist gut. Rechts vom Fahrer befinden sich das Bedienterminal, der Kamera-Bildschirm und der Joystick.

Getriebe und Hubwerke

Der Grip4-70 hat einen zweistufigen hydrostatischen Fahrantrieb mit zwei mechanischen Fahrstufen: 0 bis 20 km/h und 0 bis 40 km/h. Der Hydrostat ist grundsätzlich kräftig. Verbesserungsbedarf sehen wir nach wie vor bei der Steuerung des Hydrostaten. Durch eine neue Software, die während der Testphase aufgespielt wurde, hat sich das Fahrverhalten zwar verbessert, es verträgt aber unserer Meinung nach noch ein Feintuning. Im Gelände wäre ein noch feinfühligeres Steuern wünschenswert.

Der permanente Allradantrieb, Differentialsperren hinten und vorne sowie ein Tempomat gehören zum Serienumfang. Das gilt auch für die vier Lenkungsarten: 2-Rad-, 4-Rad-, Hundegang- und manuelle Lenkung. Unser Testkandidat hatte zudem die optionale Driftlenkung an Bord. Mit ihr kann man per Knopfdruck einem seitlichen Abdriften bei Schichtlinienfahrt entgegenwirken.

Der Grip4-70 hat jeweils nur eine Zapfwellendrehzahl zur Verfügung: vorne 1.000 U/min und hinten 540 U/min. Die Drehrichtung – bei Zweiachsgeräteträgern immer ein Thema – hat Sauerburger an die Standardtraktoren angepasst. Bravo!

Die beiden Hubwerke und die hydraulische Leistung wurden von den Testfahrern durchweg gelobt, obwohl nicht alle OECD-Vorgaben erfüllt sind. Lediglich mit dem Hubweg vorne kamen wir an die Grenzen. Da ist auf die Anbauhöhe der Geräte zu achten. Vor allem bei weit nach vorne ragenden Geräten braucht man viel Geschick, um ohne Bodenkontakt von einem Weg auf eine Böschung fahren zu können.

Den hydraulischen Oberlenker für das Fronthubwerk liefert Sauerburger serienmäßig mit. Gut gefallen hat uns, dass sich die Unterlenkerfanghaken in wenigen Minuten vom Schultermaß Kat I auf Kat II sowie in der Höhe umschrauben lassen. Auch für den ins Fronthubwerk integrierten hydraulischen Seitenverschub gab es viel Lob. Er lässt sich feinfühlig steuern und verschiebt die Unterlenker parallel. Da es bei diesem System kein Querrohr gibt, hat die Gelenkwelle deutlich mehr Bewegungsfreiraum.

Weniger feinfühlig lässt sich die Geräteentlastung an der Fronthydraulik einstellen (im Heck gibt es keine Entlastung). Sie erfolgt in 5-bar-Schritten über den Bordcomputer. Für leichte Anbaugeräte sollte diese in kleineren Schritten oder stufenlos möglich sein. Ähnliches gilt für die Schwingungstilgung. Auch sie ist für schwerere Anbaugeräte ausgelegt.

Beim Heckhubwerk lassen sich beide Hubstreben in der Höhe verstellen. Sauerburger rüstet den Grip4 serienmäßig mit flachdichtenden Hydraulikkupplungen aus. Leider sind sie sowohl vorne als auch hinten rechts, also gegenüber dem Kabineneinstieg, angeordnet. In Summe sind bis zu drei doppeltwirkende Steuergeräte möglich.

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Die Testmaschine hatte 1.755 Kilogramm Nutzlast.

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Seitenverschub: Die Parallelogramm-Verschiebung der Front- unterlenker ermöglicht viel Freiraum für die Gelenkwelle.

Kabine und Bedienung

Die Kabine ist geräumig. Sie bietet ausreichend Platz für den Fahrer. Die Lenksäule ist in der Neigung verstellbar. Laut Hersteller soll künftig auch eine Höhenverstellung möglich sein. Ablageflächen sind rar. Der Sitz ist etwas niedrig montiert. Wenn man ihn aufpumpt, erreicht man eine angenehme Sitzhöhe, aber dann ist man mit dem Federweg fast am oberen Anschlag.

Die Fahrertür hat einen starken Gasdruckdämpfer, der sie auch im steilen Gelände sicher offen hält. Lob gab es auch für die optionale Kühlbox. Die Prüf- ingenieure machten aber darauf aufmerksam, dass sie das Typenschild der Kabine verdeckt, was bei einer Verkehrskontrolle zu einer Strafe führen könnte.

Die Bedienung war für unsere Fahrer gewöhnungsbedürftig. Die wichtigsten Anzeigen findet man im Armaturenbrett. Unter dem Lenkrad befinden sich einige Funktionsschalter. Der Multifunktions-Joystick und die Hydrauliksteuergeräte sind auf der rechten Bedienkonsole montiert. Diverse Maschineneinstellungen lassen sich im kleinen Bordcomputer vornehmen. Das Bedienkonzept erfordert bei komplexeren Aufgaben ein häufiges Umgreifen.

Beim Grip4-70 ist konzeptbedingt einiges anders. Die zum Teil unterschiedlichen Anforderungen im Kommunaleinsatz und in der Landwirtschaft machen oft technische Kompromisse notwendig.

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