Oldie wird zum rasanten Elektro-Trak

Heinz Bodenmann hat zusammen mit zwei Studenten der Fachhochschule Ostschweiz einen fast 40 Jahre alten Rasant „Berg-Trak 802“ in ein modernes Fahrzeug mit Elektroantrieb umgebaut.

Elektrifizierung: Oldie wird zum rasanten Elektro-Trak

Heinz Bodenmann mit dem „e-Berg-Trak 802“ und dem Mähwerk „Chamäleon 290“ bei der Mäharbeit.

Elektrifizierung: Oldie wird zum rasanten Elektro-Trak

Das österreichische Unternehmen Nussmüller Land- und Kommunaltechnik baute in Schwanberg einst unter der Markenbezeichnung „Rasant“ ein Nischenprogramm von Berg- und Kommunalmaschinen. Im November 2000 wurde die Maschinenfabrik Aebi erst Vertriebspartner für die Rasant-Maschinen, später übernahm dann Aebi die gesamte Firma Nussmüller, stellte aber deren Produktion schon bald ein. Im Einsatz sind sie aber immer noch, die Rasant-Geräte – beispielsweise das als Mähtraktor genutzte Modell „Berg-Trak 802“ auf dem Betrieb von Heinz Bodenmann im appenzellischen Gais.

„Berg-Trak 802“

Dieser „Berg-Trak 802“ ist rund 40 Jahre alt. Die Maschine zeichnet sich durch einen sehr tiefen Schwerpunkt und eine enorme Geländegängigkeit aus, können damit doch Steigungen in Falllinie bis 90 Prozent bewältigt werden. Das Gewicht mit einem 1,60 m breiten Mähwerk gibt der Hersteller mit 560 kg an.

Angetrieben wird der „Berg-Trak“ von einem eigentlich noch gut funktionierenden und sparsamen Dreizylinder-Dieselmotor von Kubota mit vollmechanischer Kraftverteilung auf Räder und Zapfwellen im Front- und Heckbereich. Speziell an diesem Maschinentyp ist die Lenkung. Alle vier Räder sind starr über ein Achsgetriebe aufgehängt. Die links- und rechtsseitigen Räder sind jeweils über eine Antriebskette verbunden. Gelenkt wird mit dem System der Panzerlenkung. Beim Drehen des Steuerrads werden entweder die linken oder rechten Räder gebremst, während die jeweils andere Seite weiterdreht.

Die Lenkung war es schließlich, die Heinz Bodenmann nicht mehr befriedigte. So sind die Lenkbremsen anfällig für Feuchtigkeit. Dann verliert man wegen des Verlusts an Drehmoment beim Lenken an Steigfähigkeit, weshalb das Fahrzeug nicht effizient genug in steilen Lagen eingesetzt werden kann.

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Das Fahrzeugchassis des „Berg-Trak 802“ ist 40 Jahre alt. Statt eines Dreizylinder-Kubota-Diesels dienen zwei 15 kW Elektromotoren als Antrieb, die an den Hinterrädern angebracht sind.

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Elektrifizierungsidee

Heinz Bodenmann schwebte deshalb eine Elektrifizierung des Fahrzeugs vor. Jede der beiden Antriebsseiten sollte von einem Elektromotor angetrieben werden. Damit wird es möglich, die Drehzahlen links und rechts unabhängig voneinander einzustellen. Mit dieser Idee im Hinterkopf suchte Bodenmann, der im Nebenerwerb als Medizintechniker arbeitet, den Kontakt zur Fachhochschule im Schweizer Buchs. Dort stieß er auf Gehör, nahmen doch die beiden Studenten Dino Mitterlehner und Hannes Meyer die Idee gleich zum Anlass, darüber ihre Bachelorarbeit zu schreiben.*

Zur Diskussion standen anfänglich eine vollelektrische und eine dieselelektrische (hybride) Variante. Schon bald fiel die Entscheidung für die vollelektrische Variante. Gleichzeitig zeichnete sich ab, dass das erneuerte Fahrzeug mit dem neuen, im Mähwerk „Chamäleon“ verbauten Messerbalken „Swissblade“ von Wepfer Technics (siehe auch eilbote 39/2021) betrieben werden soll. Dieser Messerbalken lässt sich nämlich auch mit einem Elektromotor bestücken und entsprechend elektrisch antreiben.

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Schema des bestehenden Fahrzeugs.

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Konzept des umgebauten Fahrzeugs.

Die Umsetzung

Das Fahrzeug wurde in der Folge komplett zerlegt. Der Rahmen besteht beim „Berg-Trak 802“ aus einer Wanne mit 3 mm dickem Stahlblech. Punktuell musste diese Wanne verstärkt werden, damit die notwendige Steifigkeit auch nach dem Einbau der neuen Komponenten gewährleistet war.

Anstelle des Dieselmotors wurde nun eine Traktionsbatterie platziert. Die Batterie ist in einem geschützten, innen gepolsterten Kasten untergebracht und besteht aus 25 sogenannten „BoostPacks“. Das Gesamtgewicht beträgt knapp 150 kg. Durch die Serienschaltung von jeweils fünf „Boost- Packs“ wird eine Nennspannung von 55,5 Volt erreicht. Durch das Parallelschalten von weiteren fünf Strängen erreicht man eine Bruttoleistung von rund 28 kW. Die Batterie benötigt trotz ihrer Größe keine aktive Kühlung. Allerdings muss die aufgrund der Sonneneinstrahlung entstehende Wärme abgeführt werden, was aktuell mit zwei PC-Lüftern geschieht.

Über je einen Inverter wird der elektrische Strom zu den beiden an den Hinterrädern platzierten Elektromotoren geleitet, die mit rund 5.000 U/min drehen und je eine Leistung von 15 kW aufweisen. Das von den Motoren erzeugte Drehmoment (maximal je 70 Nm) wird über ein Getriebe auf die Verbindungswelle, von dort auf eine Übersetzung, dann auf die gespannte Antriebskette und letztlich auf die beiden Räder einer Seite übertragen.

Da der Rahmen (Karosserie) Verwindungen ausgesetzt ist, war es nicht möglich, die Motorenhalterung exakt auf die Verbindungswelle auszurichten. Mit einem Doppelkardangelenk konnte der entstehende Achsversatz aber ausgeglichen werden.

Weiter ist eine Haltebremse (elektromagnetische Federkraftbremse) verbaut, die direkt auf die Antriebswelle des Motors wirkt. Im stromlosen Zustand ist die Bremse geschlossen und wirkt so auch als Parkbremse.

Joystick statt Lenkrad

Anstatt mit einem Lenkrad wird das Fahrzeug nun mit einem Joystick gesteuert. Dieser lässt mehr Möglichkeiten zu, bietet zudem eine ergonomischere Haltung des Fahrers. Wird der Joystick nach vorne bewegt, fährt man vorwärts – umgekehrt entsprechend rückwärts.

Bewegt man den Hebel nach rechts, biegt das Fahrzeug entsprechend nach rechts. Wird der Joystick nur gedreht, kann bei ausgeschaltetem Tempomat eine Drehung auf der Stelle vollzogen werden. Bei aktiviertem Tempomaten kann das Tempo durch Drehen des Joysticks stufenweise entweder erhöht oder reduziert werden.

Ein Gaspedal gibt es nicht. Das vorhandene Pedal dient nur zur Aktivierung oder Deaktivierung des Tempomaten. Der Joystick ist in die rechte Armlehne integriert. Auf dessen Oberseite befinden sich zwei Druckknöpfe, durch die das Mähwerk angehoben oder abgesenkt werden kann.

Damit das Fahrzeug nicht losfährt, wenn man aus Unachtsamkeit beim Einstieg den Joystick berührt, ist ein Sitzschalter installiert. Erst wenn der Fahrer auf dem Sitz Platz genommen hat, kann der Joystick seine Funktionen wahrnehmen.

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Der Antrieb erfolgt via Elektromotor über eine Kette (rechts), die beide Räder einer Fahrzeugseite bewegt. Zu sehen ist weiter das Doppelkardangelenk.

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Blick auf das Bedienpult mit Bildschirm und den Knöpfen für die Mähwerkszuschaltung (gelb) und die Beleuchtung.

Bedienpult

Eingebaut ist weiter ein einfach konzipiertes Bedienpult mit Display, auf dem verschiedene Informationen, von der aktuellen Fahrgeschwindigkeit über die Traktion bis zum Ladezustand der einzelnen Batterieblöcke, angezeigt werden.

Neben dem Display gibt es auf dem Bedienpult das „Zündschloss“, einen Stopp-Schalter, je einen Knopf für die Zuschaltung des Mähwerks und für die Drehzahlregelung des Mähwerks sowie neben einer Reserve einen weiteren Knopf für die Beleuchtung. Eher als Gag gedacht und eingebaut ist das über eine Blue- tooth-Schnittstelle zuschaltbare Soundsystem. Damit kann die Bedienperson Musik vom Smartphone in gewünschter Lautstärke abspielen.

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Sorgt für Abwechslung beim Mähen: das über Bluetooth zuschaltbare, am Überrollbügel angebrachte Soundsystem.

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Das Mähwerk wird von diesem Elektromotor angetrieben.

Mähwerk „Chamäleon“

Der auf Elektroantrieb umgebaute Rasant „Berg-Trak 802“ wird als Mähtraktor eingesetzt und in Kombination mit dem neuen Mähwerk „Chamäleon 290“ (2,90 m Arbeitsbreite) betrieben, das mit dem von Hans Wepfer aus Andelfingen entwickelten neuen Messerbalken „Swissblade“ ausgerüstet ist. Das Mähwerk wird über eine eigens hergestellte Rohrverbindung an einem Anbaubock befestigt, der wiederum mit konventionellen Dreipunkt-Aufnahmepositionen am Fahrzeug angebaut ist.

Dieser Anbaubock kann am Oberlenker über einen Linearmotor angehoben respektive abgesenkt oder auch in eine Schwimmstellung gebracht werden. Zur Geräteentlastung ist eine Feder verbaut. Die Entlastungsstärke lässt sich entlang einer Lochschiene den Gegebenheiten entsprechend einstellen.

Der Mähbalken wird elektrisch angetrieben, dessen Drehzahl mit einem Sensor erfasst. Die Mähwerksdrehzahl wird proportional zur Fahrzeuggeschwindigkeit angepasst. Die minimale Mähwerksdrehzahl ist bei 250 U/min begrenzt. Die maximale Drehzahl von 1.000 U/min wird bei einer Fahrgeschwindigkeit von 13 km/h erreicht. Dies soll bei frisch geschliffenen Messern so stattfinden. Werden die Messer stumpf, kann am Touchscreen die Drehzahlvorgabe erhöht werden.

Ladegerät

Geladen wird die Batterie mit drei einphasigen, aber in Serie geschalteten Ladegeräten, die auf dem Mähtraktor verbaut sind. Als Anschluss genügen 230 V. Gemäß dem Lieferanten der Batterie sind 2.000 Ladezyklen garantiert (entsprechend dem DoD-Wert), was jedoch in der Praxis meist übertroffen wird. Die Ladezeit beträgt rund sechs Stunden, die aber mit einem externen 400-V-Ladegerät auf zwei Stunden (80 %) oder drei Stunden (bei 100 % Aufladung) reduziert werden kann. Je nach Schwere des Einsatzes lässt sich mit einer Batterieladung rund fünf Stunden arbeiten. Die Konstruktion lässt aber auch einen Batteriewechsel zu, so dass man beispielsweise mit zwei Akkus einen Arbeitstag bewältigen kann.

Einmal mehr zeigt sich: Trifft eine gute Idee auf entsprechendes Fachwissen, eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten.

Fazit

In diesem Fall ist es die Idee eines Landwirts, ein in die Jahre gekommenes Fahrzeug, das von seiner Grundidee her aber immer noch zeitgemäß ist, so umzubauen, dass es künftig effizienter eingesetzt werden kann. Diese Idee traf sich mit dem erstaunlichen Fachwissen von zwei Fachhochschulabsolventen, die sich mit solider mechanischer Grundausbildung an die theoretische und auch technische Umsetzung gemacht haben, wobei sie bei Letzterer, insbesondere bei der Komponentenbeschaffung und beim Zusammenbau, aktiv von Heinz Bodenmann unterstützt wurden.

Der Autor konnte sich in steilsten Lagen im Appenzellerland von der Einsatztauglichkeit des „e-Berg-Trak 802“ überzeugen. Die weiterhin vorhandene Panzerlenkung wirkt auf den ersten Blick alles andere als bodenschonend. Da das Fahrzeug aber als Mähtraktor eingesetzt wird und die Kurvenfahrten quasi auf einem Grasteppich stattfinden, kann dieser Punkt vernachlässigt werden. Das Fahrzeug verfügt derzeit über keine Straßenverkehrszulassung. Die Lärmemissionen des ursprünglich verbauten Dieselmotors und dessen Abgase gehören der Vergangenheit an. Allerdings ist dafür das Geräusch der Antriebsketten zu hören. Hier besteht noch Handlungsbedarf. Die Entwickler sehen weitere Optimierungen beim Einbau einer Sitzneigung (für Fahrten in der Schichtlinie) und bei zusätzlichen Anzeigen auf dem Display.

Weiter könnte die Zugfeder des Mähwerks durch einen Hydraulik-Zylinder oder einen Gewindefahrwerksdämpfer ersetzt werden. Dadurch wäre es möglich, den Bodendruck des Mähwerks schneller an die jeweilige Hangneigung anzupassen.

Und wie sieht für „Auftraggeber“ Heinz Bodenmann die Gesamtbilanz dieser Umbaulösung aus? „Hinsichtlich Schlagkraft, Bedienung und Ökologie bin ich damit wohl vielen modernen Hanggeräteträgern mit konventioneller Mähtechnik überlegen.“

Hier geht´s zum „Rasant-Video“ der Schweizer Landtechnik: https://www.youtube.com/watch?v=roC2L68MzM4

 

* Bachelorarbeit „Elektrifizierung eines Mähfahrzeugs“ (2021). Autoren: Dino Mitterlehner (Bludenz, Österreich) und Hannes Meyer (Thüringen). Ostschweizer Fachhochschule Buchs SG.


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