Die Bestände schmelzen wie Eis in der Sonne

Lieferkettenprobleme bremsen das Geschäft – Nachfrage für Gebrauchttechnik übersteigt Angebot – Bestände der Händler schrumpfen weiter – Preise tendieren nach oben

Eine Krise kommt selten allein. Neben Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg ist die Landmaschinenindustrie weiterhin mit fehlenden Mikrochips konfrontiert. Der Mangel an wichtigen Zulieferteilen schlägt in einem Dominoeffekt auf die Lieferketten, ebenso wie auf die Preise und die sich leerenden Höfe im Landmaschinenhandel durch.

Eine Entwicklung, die auch an der Agrartechnik Vertrieb Sachsen GmbH, Ebersbach, nicht spurlos vorrübergeht. „Die Gebrauchtmaschinenbestände haben sich etwa halbiert“, berichtet Michael Dittrich. Für den AVS Gebrauchtmaschinenspezialisten sind knappe Bestände aber nicht neu: „Bereits seit drei Jahren erleben wir einen Nachfrageboom bei gebrauchter Landtechnik, weil die Landwirte angesichts der finanziell angespannten Situation aufgrund der langen Dürreperioden nicht selten in preislich attraktivere Gebrauchttechnik investieren.“ Doch nun habe sich die Situation gedreht: „Die Kunden weichen jetzt auf junge Gebrauchte aus, weil entsprechende Neumaschinen oftmals nur schwer verfügbar sind.“ So wie Dittrich berichten auch andere Landmaschinenhändler von knappen Gebrauchtmaschinenbeständen bei Traktoren und Mähdreschern, aber auch bei Teleskop- und Radladern. Die Bestände schmelzen zurzeit wie Eis in der Sonne. Neben der erhöhten Nachfrage machen die Händler die erheblich eingeschränkte Lieferfähigkeit vieler Hersteller als weiteren Treiber für den angespannten Markt aus. „Die Verfügbarkeitsprobleme ergeben sich speziell im Bereich der Elektronikteile sowie Stahl- und Gusskomponenten einhergehend mit massiven Preissteigerungen durch Energie- und Rohstoffverteuerungen“, so Georg Bergmann, Vertriebsleiter Gebrauchtmaschinen bei der Agravis Technik Center GmbH, der im Weiteren von zunehmenden Engpässen in der Ersatzteilversorgung berichtet.

Teile fehlen

„Insbesondere der Markt für gebrauchte Traktoren ist momentan ziemlich leergefegt. Einfach deshalb, weil Hersteller fast fertige Neutraktoren bis zum Eintreffen fehlender Teile häufig zwischenlagern müssen und noch nicht ausliefern können“, erklärt Andreas Forster, der das Gebrauchtmaschinengeschäft der BayWa leitet. Und: „Weniger Auslieferungen von Neumaschinen bedeutet auch weniger Anlieferungen von gebrauchten Maschinen.“ Gleichzeitig, so schildern Landmaschinenhändler, werden insbesondere junge Gebrauchtmaschinen stärker nachgefragt und wegen der Lieferverzögerungen als Ersatzmaschinen benötigt. „Sie stehen somit für den Handel nicht zur Verfügung“, konstatiert Bergmann und berichtet aus dem Agravis Mietpark von einer gestiegenen Mietnachfrage zur Kompensation von verzögerten oder nicht realisierten Neumaschinenkäufen. „Also auch hier ist in der derzeitigen Lage wenig Spielraum, um junge Mietmaschinen zu verkaufen.“

Preise gehen hoch

In Zeiten stockender Produktion treibt die gute Nachfrage auch die Neumaschinenpreise. Wie Siegfried Höpfinger, Prokurist der Firma Thomas Gruber, erklärt, ist der Handel mit Preiserhöhungen sowie Rabatt- oder Nachlasskürzungen konfrontiert, die durchaus unterschiedlich ausfallen: „Es gibt Hersteller, da liegen wir zwischen sieben und neun Prozent. Bei anderen summieren sich die Preiserhöhungen der letzten beiden Jahre auf mehr als 15 Prozent.“ Höpfinger ist schon lange im Geschäft, aber solche Preissprünge und Lieferengpässe hat der erfahrene Landtechniker nach eigenem Bekunden in 40 Jahren noch nicht erlebt.

Fokus Gebrauchte – Nachfrageboom: Die Bestände schmelzen wie Eis in der Sonne

Natürlich beeinflusst die Neutechnik-Knappheit auch den Gebrauchtmaschinenmarkt. Hier kommt es vor allem zu Preissteigerungen bei jungen und qualitativ hochwertigen Maschinen, heißt es unisono von Seiten des Landmaschinenhandels. „Die Inzahlungnahmen aus dem Neugeschäft sind etwas rückläufig, und die Preise für Gebrauchtmaschinen orientieren sich nach oben“, beschreibt Höpfinger die aktuelle Situation. „Wir müssen jetzt schauen, dass wir den Mehrpreis für Inzahlungnahmen auch im Verkauf wieder umsetzen können.“ Dementsprechend seien die Verkaufspreise für Maschinen, die in einem guten optischen und technischen Zustand sind, eins zu eins im Vergleich zu den Neumaschinen angestiegen. Schließlich bleibe auch das Gebrauchtmaschinengeschäft nicht vom allgemein wachsenden Kostendruck verschont. Neben den angezogenen Ankaufspreisen verweist auch Andreas Forster von der BayWa unter anderem auf gestiegene Logistik- und Materialkosten.

Dr. Enrico Sieber von Ritchie Bros, dem weltweit größten industriellen Auktionator für Baumaschinen und Landtechnik, beobachtet bei den Auktionen in Europa „über alle Maschinenkategorien hinweg einen deutlichen Preisanstieg von 15 bis 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr.“ Vor allem relativ junge Gebrauchtmaschinen bis zum Alter von vier bis sechs Jahren würden zurzeit sehr nah am Neumaschinenpreis gehandelt. Und: „Mähdrescher sind quasi ausverkauft. Die hohe Nachfrage betrifft querbeet alle Modelle und Modellgruppen.“ Als Ursache dafür macht Sieber ebenfalls in erster Linie die Lieferschwierigkeiten der Hersteller verantwortlich.

Aktiv im Ankauf

Dr. Sieber: „Aktuell werden sehr viele Maschinen gehandelt. Allerdings kommen die meisten Gebrauchten, die jetzt freiwerden, erst gar nicht in den offiziellen Handelsweg. Und das befeuert das Gefühl, es gäbe keine Gebrauchtmaschinen.“ Grund genug für Ritchie Bros., sich mit eigenen Maschinen zu bevorraten und nicht mehr nur ausschließlich im Auftrag Maschinen zu versteigern. Vielmehr tritt das Auktionshaus nun auch als Händler auf und kauft Maschinen gezielt bei großen Lohnunternehmen und Agrarbetrieben ein, die dann entweder in Meppen oder in den Satellitenyards wie Wackersdorf gesammelt werden. Dr. Sieber: „Wir sind jetzt offener und mehr gewillt, Maschinen auch direkt einzukaufen – ein Paradigmenwechsel in der Ritchie-Welt.“ Verkaufsinteressierte könnten sich jetzt auch direkt an die Ritchie-Zentrale in Meppen oder den jeweiligen Gebietsverkaufsleiter wenden, um Technik anzubieten. „Unser Absatzweg bleibt aber die Auktion“, betont Dr. Sieber und zeigt sich überzeugt, dass die angespannte Marktsituation die Bietdynamik der internationalen Auktionen fördere und somit ein interessantes Preisniveau begünstige.

Auch die Thomas Gruber KG im oberbayerischen Ampfing kauft mitunter Gebrauchtmaschinen im Handel zu, um die Kundenanfragen bedienen zu können. „Das ist allerdings in den letzten Monaten deutlich schwieriger geworden, weil die Landwirte ihre Gebrauchtmaschinen zum Teil selbst vermarkten und auch die Händler-Kollegen diese zurzeit gut an den Mann bringen können“, sagt Höpfinger dazu.

Mehr gezielte Anfragen

Für AVS Gebrauchttechnikspezialist Michael Dittrich haben die knappen Bestände den Vorteil, dass Preisverhandlungen mit den Kunden leichter geworden sind. „Man kann jetzt auch mal Nein sagen“, schmunzelt er. „Zudem kommen nun von Seiten der Kaufinteressenten in erster Linie klare und gezielte Anfragen, die in einer hohen Abschlussquote münden.“

In diesem Angebotsmarkt haben die Händler viel mehr Nachfrage nach Gebrauchttechnik, als sie bedienen können. Dementsprechend hat die Agrartechnik Sachsen laut Dittrich schon Anfang des Jahres vorausschauend reagiert und gebrauchte Mähdrescher aus dem Verkaufsangebot herausgenommen, um diese als Ersatzmaschinen zur Verfügung zu haben, wenn Erntemaschinen ausfallen sollten. Dittrich: „Wir haben einen riesigen Park an Miet-, Leasing- und Vorführmaschinen sowie guten Gebrauchten, sodass unsere Kunden auch in einem regnerischen Sommer mit kurzen Erntefenstern gewappnet sind.“

Mähdrescher scheinen nach Aussagen vieler Händler insgesamt rar – neue Maschinen ebenso wie gebrauchte. Dennoch, so versichern sie, sei in Deutschland ausreichend Druschkapazität vorhanden. Sie sehen die grüne Branche mit den Lohnunternehmern sowie den Bestandsmaschinen auch in einer niederschlagsreichen Erntesaison gut aufgestellt. Auch Andreas Forster kann beruhigen: „Wir haben noch Mähdrescher und Häcksler am Lager.“ Das allerdings, im Gegensatz zu früheren Jahren, nur in begrenzter Stückzahl.

Krieg hemmt Nachfrage

Zu Verschiebungen im Exportgeschäft führt der Krieg in der Ukraine. Angesichts ihrer geografischen Nähe machen sich die Menschen in Osteuropa verstärkt Sorgen, was sich in Teilen auch auf die Gebrauchtmaschinennachfrage auswirkt. Dazu Dr. Sieber: „Wir haben auf den letzten Auktionen weniger Maschinen Richtung Osten verkauft.“ Ritchie Bros. profitiere aber von dem weltweiten Netzwerk, welches erlaube, die Wege und Kundenbeziehungen, die Richtung Osten abgebrochen seien, an anderen Stellen zu ersetzen.

Für viele Landmaschinen-Fachbetriebe waren Russland und die Ukraine aufgrund der Zollproblematik schon vor dem Krieg nur wenig relevante Exportländer. Das gilt auch für das BayWa Gebrauchtmaschinenzentrum. Dennoch, so führt Andreas Forster aus, belaste der bewaffnete Konflikt die Gebrauchtmaschinenausfuhr in die Anrainerstaaten der Ukraine. Die Menschen dort hätten Angst, dass der Krieg eskalieren und auf ihre Länder übergreifen könnte. Mitunter sei die Landbewirtschaftung in Grenznähe zur Ukraine aufgrund der Kampfhandlungen sogar gefährlich.

Blick in die Glaskugel

Marktprognosen gleichen in diesen Tagen einem Blick in die Glaskugel, denn zu groß scheinen die Unsicherheiten wegen der weiteren Entwicklung der Pandemie, der Dauer der Lieferkettenprobleme und des Ukraine-Krieges. So ist auch für Georg Bergmann die Entwicklung des Marktes schwer vorauszusehen: „Wir fahren auf Sicht.“ Der Agravis-Gebrauchtmaschinenspezialist erwartet in den nächsten ein bis zwei Jahren noch keine Normalisierung im Markt. Letztendlich seien hier auch der Neu- beziehungsweise Wiederaufbau der Lieferketten und die Festigung des Preisniveaus ausschlaggebend. Bergmann: „Ein Handbuch für diese Situation gibt es nicht; auch altgediente Kollegen haben eine derartige Situation noch nicht erlebt.“ Angesichts dieser Marktschwankungen sensibilisiert sie für das hohe Risiko bei der Bewertung und Rücknahme von teuren Gebrauchtmaschinen, das auf dem Rücken des Landmaschinenhandels ausgetragen werde.

Siegfried Höpfinger zeigt sich erfreut über die zunehmende Anerkennung der Landwirtschaft in der Gesellschaft angesichts der aktuellen Entwicklungen. „Auch in Deutschland wird die Landwirtschaft nun wieder in einem anderen Licht betrachtet, weil die Menschen letztendlich ernährt werden müssen. Sie bräuchte aber die Rückendeckung der Politik,“ meint er und glaubt, dass sich unterm Strich die Einnahmesituation in der Landwirtschaft verbessern wird – und das gelte auch für die Landtechnik. Allerdings, schränkt er sogleich ein, würden sich wohl kaum höhere Margen erzielen lassen. Schließlich seien die Kosten deutlich nach oben gegangen, unter anderem aufgrund herstellerspezifischer Vorgaben und gestiegener Energiekosten. Zudem stehe der LM-Fachhandel nach wie vor in einem intensiven Wettbewerb, insbesondere in Verbindung mit dem Rücknahmegeschäft der Gebrauchten. Höpfinger schmunzelt: „Das Landtechnikgeschäft ist schließlich ein bisschen komplizierter als das Autogeschäft...“


Weitere Artikel zum Thema

weitere aktuelle Meldungen lesen