Im Februar debütierten EuroTier und EnergyDecentral mit einem rein digitalen Konzept. Pandemiebedingt wurden die Fachmessen für Nutztierhaltungs-Profis und für Energieversorgung in diesem Jahr in den virtuellen Raum verlegt. Vom 9. bis 12. Februar konnten sich Interessierte an Online-Messeständen der Hersteller über neue Produkte und innovative Lösungen informieren.
Das Fazit der DLG als Veranstalter fällt positiv aus. Mit der EuroTier/EnergyDecentral digital habe sich die neue Plattform auf Anhieb erfolgreich als digitales Business-Netzwerk und Forum des fachlichen Austauschs der nationalen und internationalen Agrarbranche positioniert, resümiert die Landwirtschafts-Gesellschaft.
Nach DLG-Angaben wählten sich an den vier Veranstaltungstagen mehr als 41.000 Teilnehmer (Unique Users) ein. Sie hätten sich über das Angebot von rund 1.200 Ausstellern informiert, in über 300 Fachveranstaltungen diskutiert und sich gezielt mit der Branche vernetzt. Rund 45 Prozent der Teilnehmer seien aus dem Ausland gekommen.
„Das Digitalformat wird zukünftig unsere physischen Messen ergänzen“, lautet das Fazit von DLG-Hauptgeschäftsführer Dr. Reinhard Grandke.
Viel gelernt
„Aus Sicht von DeLaval war die Teilnahme an der digitalen EuroTier-Premiere ein Erfolg“, erklärt Eva Bruns, die für das Marketing des Herstellers in Mitteleuropa verantwortlich ist. Das Messeteam im Unternehmen habe wertvolle Erfahrungen gesammelt, was die Vorbereitung und Organisation eines virtuellen Messeauftritts betreffe.
„Wir sind aber auch nicht mit der Erwartung herangegangen, ebenso viele Neukundenkontakte wie auf einer physischen Messe knüpfen zu können. Schließlich war das Format neu für alle Beteiligten.“ Auch sei noch nicht jeder Kunde bereit für eine digitale Fachmesse. Aktuell ist aus Bruns´ Sicht die Hürde für die eigentliche Zielgruppe aus der grünen Branche noch recht hoch, um sich zu registrieren und Firmenrepräsentanten an virtuellen Unternehmensständen zu kontaktieren.
Trotzdem habe man durchaus interessante Gespräche über Live-Chats und Video-Calls mit verschiedenen Teilnehmern geführt, wobei Bruns allerdings der persönliche Kontakt gefehlt habe. Daher kann aus ihrer Sicht ein digitales Event auch keine Alternative zu einer Präsenzmesse sein. Dennoch habe die professionell aufgesetzte digitale Plattform gute Möglichkeiten geboten, „Produkt- und Fachinformationen zu übermitteln und unsere Marke zu präsentieren. Unser Dank gilt der DLG, die ein solches Format ermöglicht hat.“
Zielgruppe schwer erreicht
Doch es gab nicht nur positive Meinungen zur digitalen Version der EuroTier. Kritische Stimmen zeigen, dass der digitale Notbehelf durchaus noch Verbesserungspotenzial hat.
Häufig beanstandet wurde, dass der Messebesuch lediglich via Computer oder Laptop möglich war. Nutzer von Smartphones oder Tablets, die von unterwegs am digitalen Messeevent teilnehmen wollten, waren außen vor und konnten sich nicht einwählen. Gefehlt hat verschiedenen Teilnehmern auch eine detaillierte Übersicht der Aussteller und Produktgruppen. So habe man ganz gezielt suchen müssen, um die für einen relevanten Informationen und Ansprechpartner zu finden.
„Das digitale Messeformat blieb hinter unseren vorsichtigen Erwartungen zurück“, äußert sich Hanna Hüsing von der Firma Vogelsang. Die Marketing Managerin Agrartechnik findet, die digitale Plattform habe zu wenig Teilnehmer aus der eigentlichen Zielgruppe Landwirtschaft erreicht. „Es ist ein neues Format, an das sich sowohl Besucher als auch Aussteller und Veranstalter herantasten müssen.“ Dennoch lobt sie das Digitalevent als Networking-Plattform: „Wir hatten die Möglichkeit, verschiedene Marktakteure zu treffen, und konnten somit unser Netzwerk pflegen und erweitern.“ Eine digitale Messe lasse jedoch generell wesentliche Elemente vermissen, die eine physische Messe ausmachten. „Bei Vogelsang haben wir vor allem die Produktpräsentation vermisst, das Erlebnis, neue Landtechnik von allen Seiten zu begutachten und ganz genau hinzuschauen“, sagt Hanna Hüsing.
Umfangreiches Fachprogramm
Dass die virtuelle EuroTier/EnergyDecentral das Beste in Zeiten der Corona-Pandemie herausgeholt hat, davon ist Sebastian Bertelsmeier von der Schäffer Maschinenfabrik überzeugt. „Das umfangreiche Fachprogramm bot den Besuchern sicherlich einen Mehrwert.“
Mit Interesse habe die Schäffer Maschinenfabrik an der virtuellen Messe teilgenommen, „allein schon, um die Abläufe kennenzulernen und zu erfahren, wie das digitale Event in der Branche ankommt und welche Resonanz es erfährt.“ Was allerdings die Besucher angeht, so hätte sich Bertelsmeier eine größere Anzahl auf der digitalen Plattform gewünscht und mehr Interaktion erwartet.
Bertelsmeier ist aber angetan von der Vielzahl digitaler Networking-Möglichkeiten, die die virtuelle Messe via Chat- und Video-Meetings geboten habe. „Allerdings fehlte die Interaktion mit dem Endkunden auf diesen Kanälen.“ Der Marketing-Experte sieht aber auch noch Optimierungspotenzial für die virtuelle Messe-Plattform: So hat er eine gewisse Scheu seitens der Endkunden festgestellt, das neue digitale Format zu nutzen. Gleich mehrfach habe er beobachtet, dass Interessenten nach dem Klick zum Öffnen des Expo-Showrooms zurückgeschreckt seien, weil sie dadurch unerwartet eine Videoschalte ausgelöst hätten. Wahrscheinlich hätten die Nutzer an dieser Stelle eher einen virtuellen Rundgang durch das Produktportfolio erwartet, mutmaßt Bertelsmeier. Für ihn wird es in Zukunft nicht ohne Präsenzmessen gehen, die eine physische Präsentation der Maschinen erlauben. „Denn unsere Kunden wollen unsere Produkte real in voller Größe sehen und fühlen.“
Gute Vorbereitung
Eva Beqiraj von Strautmann lobt die gute Vorbereitung der digitalen EuroTier von Seiten der DLG. „Dennoch haben scheinbar nur wenige Repräsentanten unserer Zielgruppe – die praktizierenden Landwirte – den Weg auf die Plattform gefunden“, sagt die Marketing-Leiterin. Das „Erlebnis Messe“ sei für Endkunden kaum in der digitalen Welt nachzubilden. „Die digitale EuroTier hatte ihre Stärken eher in der B2B-Kommunikation hinsichtlich geschäftlicher Partnerschaften“, lautet ihr Fazit. Im Hause Strautmann hoffe man daher auf die baldige Möglichkeit, „unseren Kunden und Interessenten wieder persönlich begegnen zu können.“
Auch beim Hersteller Fliegl ist man überzeugt, dass eine virtuelle Messe keine physische Messe ersetzen kann. „Für Fliegl als Aussteller war die EuroTier digital kein Treffpunkt, um Kunden und Interessenten zu erreichen sowie die Produkte ansprechend zu präsentieren“, resümiert Michaela Hess, zuständig für Presse und Öffentlichkeitsarbeit im Hause Fliegl. „Die Messe als Verkaufsinstrument konnte kaum genutzt werden, da durch fehlenden Kundenkontakt Kundenanfragen ausblieben. Auch gab es kaum Möglichkeiten, aktiv auf Interessenten zuzugehen“, lautet ihre Kritik. Durchaus vorstellen kann sie sich die digitale Plattform dagegen als Ergänzung für eine physische Messe, um sich innerhalb der Branche austauschen und netzwerken zu können.
Auch Ines Rathke von der DLG sieht die digitale Veranstaltung nicht als Ersatz für die physische Messe in Hannover, sondern „als intelligente Ergänzung für die Zukunft. In der aktuellen Corona-bedingten Notsituation bot sie für alle Teilnehmer innovative Möglichkeiten der Informationen, des fachlichen Austauschs und der Diskussion“, sagt die Projektleiterin der EuroTier digital. Die DLG habe es geschafft, einen hohen Anteil ihrer Aussteller und Besucher für eine Teilnahme an einer digitalen Messe zu motivieren und zu mobilisieren – „kein anderer Messeveranstalter hat dies bislang erreicht“, betont Ines Rathke.
Herausforderung Technik
Aus ihrer Sicht war die Digitalisierung, also die neue Technik, die digitale Plattform und die neuen Vernetzungsmöglichkeiten, die größte Herausforderung für alle Beteiligten. „Natürlich kann und soll die digitale Plattform das physische Erlebnis einer Messe nicht ersetzen, aber wir erreichen mit ihr Landwirte weltweit – unabhängig von Ort und Zeit.“ Mit digitalen Formaten, wie sie auf dieser Plattform möglich seien, lasse sich die internationale Reichweite und Verfügbarkeit von Informationen im Vorfeld der nächsten Messe gezielt steigern.
Wie bei allen Softwarelösungen gebe es dennoch Verbesserungsmöglichkeiten in vielen Bereichen. Rathke: „Die Digitalisierung ist nicht überall gleich weit vorangeschritten, und so müssen wir die zukünftige Verfügbarkeit auf mobilen Endgeräten sicherstellen. Alle Teilnehmer haben hier zum ersten Mal miteinander in einer für sie neuen Umgebung kommuniziert. Das ist anfangs sicherlich ungewohnt, doch mit der zunehmenden Nutzung macht man sich mit den Möglichkeiten der Plattform vertraut und das Handling wird so immer einfacher und intuitiver.“
Mit den Erfahrungen und dem Feedback der Aussteller und Besucher werde die DLG ihr digitales Angebot weiterentwickeln. „Bereits im Mai geht die Agritechnica digital an den Start und wird die Besucher mit vielen fachlichen Informationen, Aussteller-News und digitalen Veranstaltungen auf die Messe im November in Hannover optimal vorbereiten“, kündigt Ines Rathke an.