Das letzte Vorstellungsgespräch wird Franzis Ester Heuing lange in Erinnerung bleiben. Sie hatte davor schon mehrere Vorstellungsgespräche erfolgreich hinter sich gebracht, zum Beispiel für Praktikumsstellen bei einem Steuerberater oder bei einer Fachzeitschrift. „Aber noch nie habe ich dabei vor einer Kamera gesessen. Zu Beginn war es deshalb etwas ungewohnt, dem Gegenüber nicht direkt in die Augen schauen zu können“, sagt sie. Die Studentin absolviert gerade ihr Masterstudium der Agricultural and Food Economics an der Uni Bonn. Sie hat bei der Personalberatung Dr. Schwerdtfeger ihr Profil hinterlegt, damit diese eine passende Stelle finden kann. Dazu gehört eigentlich auch ein Termin wie bei einem Vorstellungsgespräch, in dem die persönlichen Wünsche, Neigungen und ähnliches abgefragt werden. Aufgrund der Corona-Pandemie fand dieses – wie viele andere auch – online via Zoom statt.
„Im Rahmen der Mandate in unserer Personalberatung sind Vorstellungsgespräche ein zentraler Teil unserer täglichen Arbeit. Ein persönliches Gespräch kann durch ein Online-Vorstellungsgespräch aus unserer Sicht nicht ersetzt werden, aber es kann im Recrui- ting-Prozess schon sehr dabei helfen, sich einen guten ersten Eindruck zu verschaffen“, sagt Christian Hüsing von der Dr. Schwerdtfeger Personalberatung aus Emstek. Aber irgendwann müsse im Verfahren ein persönliches Kennenlernen erfolgen, damit man den Eindruck aus dem Online-Interview für sich noch einmal überprüfen kann. „Das persönliche Gespräch im Anschluss an ein Online-Interview ist auch ein Wunsch, den unserer Erfahrung nach viele Kandidaten haben, denn ein Vorstellungsgespräch ist ja keine Einbahnstraße, bei der sich nur das Unternehmen einen Eindruck von den Bewerbern verschafft, sondern funktioniert auch umgekehrt“, sagt Hüsing.
Dem stimmt Dietmar Haas, Personalleiter bei der Schumacher-Gruppe, zu: „Das Online-Gespräch ist wie ein Telefonat ein erster Eindruck für beide Seiten, aber genauer, weil man sich gegenseitig sieht.“ Die Schumacher-Gruppe fällt aufgrund eines Online-Gesprächs keine Personalentscheidung, nutzt das Instrument aber zur Vorauswahl, falls es mehrere Bewerber auf eine Stelle gibt. Es ergänzt den Eindruck, den die Bewerbungsunterlagen gemacht haben – sowohl zum Positiven als auch zum Negativen. „Wir können im Zoom-Gespräch feststellen, wie gut sich jemand vorbereitet hat und welchen Stellenwert für ihn das Gespräch einnimmt“, sagt Haas. Als negativ wertet er nachlässige Kleidung oder Störungen durch Kinder, Hunde, Türglocke und ähnliches. „Wir gewinnen damit auch einen Eindruck, wie gut sich jemand organisiert oder wie er mit Problemen zurechtkommt“, erklärt der Personalleiter. Die Organisation zuhause ist beispielsweise wichtig für Vertriebsmitarbeiter, die häufig vom Homeoffice aus agieren (im Kasten nachfolgend haben wir Tipps für die richtige Vorbereitung aufgeführt).
Diesen Problemen wollte Franzis Ester-Heuing möglichst aus dem Weg gehen: Um die Hintergrund-, Kamera- und Toneinstellungen zu testen, bat sie eine Freundin, vorab mit ihr via Zoom zu kommunizieren. Auch kleidete sie sich wie bei einem „normalen“ Vorstellungsgespräch.
Christian Neff, Key Account Manager bei der Kverneland-Gruppe, hat ebenfalls ein Bewerbungsgespräch online machen müssen. Dabei saß er drei Kverneland-Mitarbeitern gegenüber. „Trotzdem war ich weniger nervös als bei anderen Gesprächen, da ich in meiner gewohnten Umgebung war und keine Autofahrt mit viel Zeit zum Grübeln hinter mir hatte“, sagt er.
Zur Vorbereitung auf das Gespräch hatte er sich über die Firma und Produktbewertungen im Internet, aber auch in Zeitschriften informiert. Zusätzlich führte er Gespräche mit Bekannten aus der Branche. Hilfreich war auch ein Zettel mit einer Liste von Fragen, die er unbedingt klären wollte. Diese Liste hatte er neben dem Computer liegen und konnte ab und zu draufschauen. Unterm Strich sieht er das Online-Gespräch definitiv als Alternative, auch wenn Gestik und Mimik fehlen.
Auch Hüsing hat von Kandidaten gemischte Feedbacks zu Online-Bewerbungsgesprächen erhalten. Häufig waren diese positiv überrascht, wie gut es lief, wenn die Technik mitspielte. „Dennoch vermissen viele, genauso wie wir als Interviewer, die besondere Atmosphäre, die ein persönliches Gespräch hat“, stellt er fest. Außerdem fehlt ihnen auch der persönliche Eindruck vom Unternehmen, den man sich nur verschaffen kann, wenn man vor Ort im Betrieb ein Gespräch führt.