VariQtire regelt den Reifendruck

Das Bielefelder Unternehmen hat eine robuste Drehdurchführung zur Nachrüstung entwickelt

Bodenschonung, Ertragsoptimierung, Kraftstoffeffizienz und Sicherheit – Reifendruckregelung in der Landwirtschaft bietet verschiedene Vorteile, die sich positiv auf die Umwelt und auch direkt auf den Geldbeutel der Landwirte auswirken. Optimal eingestellte Reifen verringern die Bodenverdichtung erheblich, gesunde Böden sind fruchtbar und binden mehr CO2, zusätzlich können die Zugmaschinen effizienter arbeiten. Durch effizienteren Vorschub verbessert sich die Zugleistung um bis zu 15 Prozent, der Kraftstoffverbrauch lässt sich um > 10 Prozent verringern.

Die Herausforderungen der bestehenden Systeme stimmen die Landwirte trotz der beschriebenen Vorteile allerdings skeptisch. Die vollintegrierten Lösungen sind oft komplex und kostspielig, in Wartungsfällen legen sie den Schlepper oft tagelang lahm. Nachrüstbare Systeme mit Leitungen über die Kotflügel wirken hingegen nicht gerade elegant und können im Straßenverkehr ein Sicherheitsrisiko darstellen.

Mit VariQtire stellt die Firma IWN GmbH & Co. KG aus Bielefeld eine vollintegrierte, nachrüstbare Reifendruckregelanlage vor, die eine anpassungsfähige, kosteneffiziente, zuverlässige und sichere Alternative für den Markt bedeutet. Das Entwicklungsprojekt VariQtire wird gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages, befindet sich zurzeit in der Feldtestphase und ist ab 2025 bei ausgewählten Distributionspartnern zu erwerben.

IWN: VariQtire regelt den  Reifendruck

VariQtire ist ein voll integriertes Einleiter-System, bestehend aus drei wesentlichen Komponenten. Der intelligente Steuerblock wird samt integrierter Funkantenne zentral am Schlepper platziert und durch den Bremskompressor des Schleppers oder einen Zusatzkompressor mit Luftdruck versorgt. Über jeweils eine Luftleitung pro Reifen wird über die Drehdurchführungen das Radventil, welches direkt in der Felge verbaut ist, angesteuert. Bei einem Steuerdruck von 3 bar schaltet das Radventil in den „Ablassmodus“, parallel werden alle vier Reifen gleichzeitig abgelassen, je nach Reifengröße erreicht das System den Zieldruck in zwei bis drei Minuten.

IWN: VariQtire regelt den  Reifendruck
IWN: VariQtire regelt den  Reifendruck

Zum Aufpumpen geht das System mit dem maximal verfügbaren Systemdruck über Druckimpulse in die Reifen. Je nach Verfügbarkeit des Druckes werden die Reifen in 0,1 bar-Schritten radweise (Druckdifferenz von 1 bar in ca. 14 Minuten) oder bei verfügbarem Zusatzkompressor parallel (Druckdifferenz von 1 bar in ca. 3 Minuten) aufgepumpt. Der intelligente Steuerblock erkennt den verfügbaren Luftdruck eigenständig und passt den Aufpumpalgorithmus zeitoptimiert an. Im Standby-Modus sind die Leitungen und das gesamte VariQtire System komplett drucklos.

IWN: VariQtire regelt den  Reifendruck

Ein Funksensor, der wie das Radventil direkt in der Felge verbaut ist, überwacht den Reifendruck im Betriebszustand permanent und sendet den aktuellen Reifendruck an den Steuerblock, über das Bedienterminal im Führerhaus kann der Landwirt den realen Reifendruck überwachen. Im Standby-Modus sendet der Funksensor alle zwei Minuten ein Drucksignal an den Steuerblock. Bei einer Druckdifferenz vom gewünschten Zieldruck von >0,1 bar (durch Leckage im Reifen o.Ä.) geht der Funksensor in den Alarmmodus und sendet den aktuellen Reifendruck alle sechs Sekunden. Zusätzlich ist im Funksensor ein Druckbegrenzungsventil installiert, das als weitere Sicherheitsfunktion vor Überpumpen der Reifen bei unwahrscheinlichen, aber etwaigen Fehlfunktionen fungiert.

IWN: VariQtire regelt den  Reifendruck

Herzstück des Systemaufbaus sind die Drehdurchführungen. Die Ringe sind aus hartcoatiertem Aluminium und werden direkt, innenliegend zwischen Felge und Radnabe mit einem Haltestern verschraubt und mit einer Drehmomentstütze am Kotflügel oder direkt auf der Steckachse fixiert. Die Spur vergrößert sich dabei nur um die Dicke des Haltesterns, circa 4 mm pro Seite. Ohne Druckbeaufschlagung laufen die Dichtungen in den Drehdurchführungen durch das 4-Punkt-gelagerte Kugellager reibungslos und somit verschleißarm. Bei Druckbeaufschlagung liegen die Dichtungen an und das Radventil wird mit Druckluft versorgt. Die Drehdurchführungen haben eine natürliche Leckage, die Verschmutzungen werden durch integrierte Labyrinthdichtungen aus dem System herausgedrückt. Alle 150 Betriebsstunden sollen die Drehdurchführungen an Schmiernippeln abgeschmiert werden, das Fett wird durch den Luftdruck in die Labyrinthdichtungen gedrückt und verhindert so, dass Schmutz in das System gelangen kann.

IWN: VariQtire regelt den  Reifendruck

Erfahrungen aus der Praxis – Serienreife 2025 vorgesehen

Im Jahr 2023 waren drei VariQtire-Systeme als Prototypen im Feld im Einsatz. Auf den Testbetrieben konnten wichtige Informationen zu Anpassungen des Systemaufbaus und vor allem zur Optimierung der Software hinsichtlich Bedienerfreundlichkeit und Auf- sowie Abpumpzeiten gesammelt werden.

Ein Lohnunternehmer im Münsterland (Nordrhein-Westfalen) fährt seinen John Deere 6155R bisher 2.240 Betriebsstunden mit der Reifendruckregelanlage von IWN, einen John Deere 6250R hat er bereits seit 2.460 Betriebsstunden mit VariQtire ausgerüstet. Durch die variierenden Tätigkeiten und vielseitigen Einsatzanforderungen des Lohnunternehmers konnte die Anlage hier laut IWN auf Herz und Nieren getestet werden, gerade bei Arbeiten mit häufig wechselnden Straßen- und Feldfahrten konnte das vollintegrierte System seine Stärken ausspielen.

Bei einem sehr bodensensiblen Landwirt aus dem Rhein-Kreis Neuss (Nordrhein-Westfalen) ist VariQtire auf einem Fendt Vario 724 bisher seit 2.680 Betriebsstunden im Einsatz. In diesem Testbetrieb ist Reifendruckregelung schon seit vielen Jahren ein wichtiges Thema. Der erfahrene Landwirt ist mit seiner Expertise eine wesentliche Einflussgröße auf den „Safety First“-Ansatz von VariQtire. Die permanente Druckluftüberwachung der Reifen sowie die Sicherheitsventile in den Rädern setzen hier neue Standards, zusätzlich kommt VariQtire im normalen Fahrbetrieb ohne Leitungen mit Druckbeaufschlagung aus.

Viel Wert wird hier vom Hersteller auf die bequeme und intuitive Bedienbarkeit des Systems vom Fahrersitz aus gelegt. Gerade bei häufiger Nutzung des Systems ist das Umstecken von Leitungen oder das Umlegen von Kugelhähnen umständlich und kostet viel Zeit.

Die Anwendersicht ist für IWN ein Fokuspunkt beim Erreichen der Serienreife. Für die einfache Nachrüstbarkeit wird zurzeit eine Bauartzulassung durch den TÜV vorbereitet.

Die Serienreife wird für 2025 angestrebt, in 2024 sollen zunächst bis zu 20 weitere Testbetriebe mit VariQtire ausgestattet werden, die mit ihrem Feedback wichtigen Einfluss auf die letzten Nachschärfungen des Systems nehmen sollen.

Weitere Infos zum Entwicklungsstand von VariQtire gibt es auf den DLG Feldtagen 2024 oder unter info@iwn.de.


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