Seit Januar lenkt Andreas Epple die deutsche Stihl Vertriebszentrale mit Sitz in Dieburg. Zeit, um ein erstes Fazit zu ziehen und in die Zukunft zu blicken. Im Interview mit dem eilboten schildert der gebürtige Schwabe, wie er die erste Zeit als Geschäftsführer erlebt hat und blickt auf aktuelle und kommende Herausforderungen.
eilbote: Herr Epple, wie haben Sie die ersten Monate an der Spitze der deutschen Stihl Vertriebszentrale erlebt?
Andreas Epple: Die ersten Monate waren herausfordernd. So stellen uns zum Beispiel das veränderte Wettbewerbsumfeld im Akku-Bereich und das sich ändernde Kaufverhalten der Kunden vor neue Aufgaben. Zudem hat sich die Arbeitswelt durch Corona verändert: Viele Arbeitnehmer haben während der Pandemie die Vorteile des Homeoffice schätzen gelernt. Nun aber werden wir gemeinsame Lösungsansätze suchen, um auch die Präsenzarbeit an unserem Standort wieder zu stärken. Denn das Miteinander und der persönliche Austausch zwischen den Menschen, die Stihl Dieburg bewegen, ist wichtig. Gleichzeitig wollen wir auch die Möglichkeit bieten, mobil und flexibel von zuhause aus arbeiten zu können, weil das die Attraktivität der Arbeitgebermarke Stihl stärkt. Wir beginnen mit dem Bau eines neuen Vertriebsgebäudes auf unserem Firmengelände in Dieburg. Geplant sind moderne Arbeitswelten, ein Betriebsrestaurant und Gartencafé sowie Räume für Begegnungen zwischen Mitarbeitenden, Fachhändlern und Kunden.
In welcher Weise ändert sich das Marktumfeld?
Wir erleben vor allem in den Bereichen Robotik und Akku-Anwendungen, dass völlig neue Player in Erscheinung treten, die den Markteintritt vor allem über digitale Kommunikationskanäle suchen. Zudem ist insbesondere im Bereich Robotik zu beobachten, dass neue zusätzliche Anwendungen im Garten entwickelt werden, wie zum Beispiel Kehrgeräte, um nur ein Beispiel zu nennen.
Apropos Robotik: Wie machen sich die neuen iMow Mäher?
Wir haben pünktlich zum Saisonstart unsere neue iMow Gerätegeneration im Mähroboterbereich in den Markt eingeführt und erfahren guten Zuspruch.
Vor der Markteinführung haben wir den Fachhändlern erstmals sogenannte Online-Schulungs-Tools zur Verfügung gestellt. Damit hatten sie frühzeitig schon ab Januar einen 24/7-Zugang zu den wichtigsten Informationen über die neue Produktserie, wie zur Installation, zum Umgang und zur Reparatur. Sie können aber auch optional ein zusätzliches Präsenztraining wahrnehmen, das seit Anfang April hier in Dieburg angeboten wird.
Wie kommen die Online-Schulungen bei den Händlern an?
Sehr gut! Wir haben damit nahezu alle unsere Fachhändler, die in der Vergangenheit Mähroboter installiert haben, erreicht. Die digitalen Trainings vermitteln das Basiswissen, werden aber adaptiert durch Präsenztrainings. Nach den positiven Erfahrungen in diesem Jahr werden wir das Schulungskonzept sicherlich auch auf Markteinführungen anderer Produktsortimente ausweiten. Denn dank der Online-Tools waren wir bereits Anfang April startklar für die Saison. Gleichzeitig sind wir auch froh, dass der Fertigungsstandort Stihl Tirol die Geräte rechtzeitig zur Verfügung gestellt hat und wir somit den deutschen Fachhandel pünktlich zum Saisonstart ausstatten konnten.
Ist die Zeit der Lieferengpässe nun vorbei?
Wir haben aktuell eine komplett andere Situation als in den vergangenen drei Jahren. Die über 400 Millionen Euro, die die Stihl Gruppe in den vergangenen Jahren in den weltweiten Fertigungsverbund investiert hat, zeigen ihre Wirkung, was die Verfügbarkeit der Produkte angeht. Ein zweiter wichtiger Baustein in der Belieferung unseres Fachhandels ist das neue Zentrallager in Völklingen. Von dort aus bedienen wir im deutschen Markt das Sortiment der Gartenpflege- und Akkuprodukte.
Werden volle Lager die Preise drücken?
Das ist vor allem im E-Commerce-Kanal zu befürchten. Weit wichtiger ist jedoch, dass die Kunden jetzt wieder die Erfahrung gut bestückter, stationärer Fachhandelsbetriebe machen können, und dass dort auch wieder Geräte zum Testen zur Verfügung stehen. Insofern sehen wir es positiv, dass wir mit vollen Lagern in die Gartensaison 2023 starten konnten.
Allerdings hat die feuchte Witterung den Vegetationsbeginn um mehrere Wochen verzögert…
…und damit blieben zunächst auch Kaufimpulse aus, was zu einer gewissen Anspannung in der Branche führte. Fachhändler hatten Sorge, dass die drei bis vier Wochen Verspätung in diesem Jahr im Nachbezug nicht mehr aufgeholt werden können.
In dieser angespannten Phase haben wir den Handel aktiv mit unserer breit angelegten Garten-Start-Marketingkampagne in Printmedien, Fernsehen, Radio bis hin zu Social Media unterstützt, um Kaufimpulse zu setzen. Sie wird begleitet durch eine Cashback-Aktion für ausgewählte Akku-Produkte, um eine wesentlich breitere private Kundschaft anzusprechen und auf den Fachhandel aufmerksam zu machen…
Wie verteilt sich der deutschlandweite Umsatz auf die Profi- und Consumer-Segmente?
Es ist immer schwieriger zu benennen, welcher Anteil in den Privatkundenbereich oder in den semiprofessionellen und professionellen Bereich geht. Beispielsweise wurde die innovative Benzinmotorsäge MS 500i für den Forstbetrieb entwickelt, sie wird aber auch von zahlreichen Stihl Fans privat eingesetzt. Was wir sagen können, ist, dass hierzulande jedes zweite verkaufte Stihl Gerät ein Akkuprodukt ist. Damit nehmen wir in Deutschland eine Vorreiterrolle gegenüber anderen Stihl Vertriebsorganisationen in Europa ein. Insbesondere im Privatbereich hat sich die Akku-Technologie bereits etabliert. Nun wollen wir unsere Ziele im Profibereich gemeinsam mit dem Handel weiter ausbauen.
Mit welcher Strategie?
Im Fokus der Akku-Strategie von Stihl stehen professionelle Kunden, die im bewohnten Raum agieren. Das sind zum Beispiel große Garten- und Landschaftsbauer sowie Kommunen, aber auch Hausmeister- und Facility-Management-Services. Hier sehen wir das größte Potenzial für unsere Profi-Akkuprodukte.
Um das Thema Akkuprodukte bei diesen professionellen Kunden voranzutreiben, haben wir uns in Dieburg mit einem Commercial Solution Management und zusätzlichen Personalkapazitäten organisatorisch neu aufgestellt. Unsere zusätzlichen Commercial Solution Consultants unterstützen zum Beispiel da, wo Garten- und Landschaftsbauer ihren Maschinenpark auf Akkugeräte umstellen oder in ein Flottenmanagement einsteigen wollen. Aber auch, wenn sie über Miete und Leasing oder Konnektivität nachdenken.
Der Punkt ist, dass es nicht mehr nur darum geht, ein Produkt, sondern vielmehr Lösungen vorzustellen. Das Spektrum beginnt bei der Ladeinfrastruktur und reicht über die Themen Aufbewahrung und Laden von Akkus, Erfassung von Maschinendaten, Servicierung und Reparatur bis hin zur Bereitstellung von Ersatzgeräten.
Bereits 2035 soll der Akku-Anteil bei Stihl weltweit die 80-Prozent-Marke knacken. Wird sich die Batterietechnologie durchsetzen?
Wenn sich das Thema Elektromobilität durchsetzt, wird das automatisch auf andere Sortimente ausstrahlen. Man stelle sich einen Privatnutzer mit Elektroauto vor: Warum sollte dieser sich einen Rasenmäher mit Benzinmotor kaufen? Da passiert etwas im Mindset der Kunden, und das können und wollen wir nicht aufhalten. Aber wir müssen diese Entwicklung mit einem immer attraktiveren Sortiment von leistungsstarken Akkuprodukten begleiten und werden daher unsere Produktoffensive fortsetzen. Schon heute können wir allein im Profibereich über 40 Akkuprodukte anbieten, die vergleichbaren Benzinprodukten in ihrer Leistungsfähigkeit in nichts mehr nachstehen.
Nichtsdestotrotz liegen unsere Anstrengungen, was Innovation angeht, nicht nur auf der Akku-Technologieseite, sondern wir arbeiten mit dem gleichen Engagement und Entwicklungsgeist an den benzingetriebenen Geräten weiter, die immer umweltfreundlicher werden. Als Marke Stihl streben wir die doppelte Technologieführerschaft bei Benzin- und Akkuprodukten an.
Das Interview führte Annette Schulze Ising
Geschäftsführer von Technik begeistert
Andreas Epple steht seit Januar 2023 an der Spitze der Stihl Vertriebszentrale in Dieburg. Die deutsche Vertriebsgesellschaft des Motorgerätespezialisten beschäftigt rund 315 Mitarbeiter und konnte erstmals im vergangenen Jahr die Erlöse auf über 500 Millionen Euro steigern.
Für Andreas Epple ist die Vertriebszentrale nicht neu. Schon bevor er zum Geschäftsführer berufen wurde, hatte der 54-Jährige bereits zehn Jahre in Dieburg gearbeitet und dort zuletzt den Bereich Marketing und Vertrieb verantwortet.
Als gelernter Heizungsbaumeister begeistert sich Epple für Technik und den handwerklichen Umgang damit. Das Thema Vertrieb und Fachhandel hat ihn jedoch sein gesamtes berufliches Leben lang begleitet. Daher habe ihn auch die neue Aufgabe im deutschen Stihl Vertrieb an der Schnittstelle zwischen Hersteller und Fachhandel sehr gereizt, sagt Andreas Epple. „Für den Heimatmarkt verantwortlich zu sein, ist etwas Besonderes.“