Auf Moorflächen nachhaltig wirtschaften

Niedermoore wieder zu vernässen, hat positive Effekte auf das Klima, dafür braucht es neben Naturschutzflächen aber vor allem entsprechend wirtschaftende Landwirte. Erste Projekte gibt es bereits – insgesamt bleibt aber noch viel zu tun. Wir zeigen den aktuellen Stand – und welche Technik dafür inzwischen parat steht.

Paludikulturen: Auf Moorflächen nachhaltig wirtschaften

Die nassen Flächen können als Grünland zur Futterwerbung genutzt werden, eine Verwertung als Substrat in Biogasanlagen ist ebenfalls möglich.

Paludikulturen: Auf Moorflächen nachhaltig wirtschaften

Auf Moorflächen kann mit moderner Technik durchaus wirtschaftlich geerntet werden.

Entwässerte Moore stoßen in Niedersachsen so viel CO2 aus wie der gesamte Verkehr des Bundeslandes. Das sind fast 20 Prozent der Gesamtemissionen des Bundeslandes (Stand 2020). Moore bieten daher ein großes Potenzial für den Klimaschutz: Werden sie wiedervernässt, stoßen sie wesentlich weniger CO2 aus und können sogar Kohlenstoff binden. Das bestätigte uns auch Liselotte Unseld, Projektleiterin Moor- und Klimaschutz beim Deutschen Verband für Landschaftspflege (DVL): „Ein ein Meter mächtiger Moorkörper, der auf 1,2 Metern Tiefe entwässert ist, kann wie regulärer Ackerboden bewirtschaftet werden. Pro Hektar entlässt dieser dann jährlich pro Hektar circa 45 Tonnen CO2. Ist die gleiche Fläche vernässt, entweichen maximal drei bis fünf Tonnen pro Jahr in die Atmosphäre.“ Spürbar werde der Effekt aber erst, wenn das Wasser mindestens 30 Zentimeter unter Flur steht, den Moorkörper ein bisschen von unten anzufeuchten, bringt also nichts. Wird das Pflanzenmaterial dann noch zu Baustoffen verarbeitet und das CO2 so dauerhaft gebunden, käme man in positive CO2-Bilanzen.

Bis es zu großflächigen Nutzungen kommen kann, dauert es laut DVL-Expertin Unseld meist aber etwas, denn die Prozesse sind langwierig: „Es werden derzeit noch nicht im ganzen Land hunderte Hektar vernässt. Die Herausforderung ist die Komplexität des Themas: Oft sind die ehemaligen Moorflächen heute sehr kleinteilig auf Eigentümer verteilt.

Henne-Ei-Problem

Hier erst einmal alle notwendigen Beteiligten an einen Tisch zu bekommen, ist ein immenser Verwaltungsaufwand. Gleichzeitig kann ich den künftigen Nutzern noch keine wirklich feste wirtschaftliche Alternative bieten.“

Zwar stehe die Baustoffindustrie bereits in den Startlöchern, denn die Branche ist stark an grünen Rohstoffen interessiert, da man den CO2-Ausstoß von Beton und Co. schnell senken möchte. Jedoch stellen die Produzenten von Dämmstoffen und MDF-Platten nicht sofort neue Anlagen auf, weil derzeit noch nicht gesichert ist, dass das Material auch in der notwendigen Masse verfügbar sein wird. Im Gegenzug hemmt das wiederum die Landwirte, da sie nicht auf eine neue Kultur setzen wollen, für die es keinen sicheren Markt gibt. „Die entsprechenden Maßnahmen, hier in allen Bereichen vorwärts zu kommen, müssen daher alle parallel laufen, um für alle möglichst bald einen praktikablen Lösungsweg parat zu haben“, sagt Unseld. Dazu gehören neben den bewirtschaftbaren Flächen auch Normen und Zertifizierungen, um aus den Pflanzen schlussendlich Baustoffe machen zu können. Dafür muss wiederum geklärt werden, wie die Qualitätssicherung erfolgt. „Dass das prinzipiell möglich ist, zeigen auch hierzulande bereits erste Pionierfirmen, die ihr Rohmaterial für Dämmplatten aus Rohrkolben derzeit aber aus dem Donaudelta importieren, da es bisher nur dort genug gibt“, weiß Unseld.

Wie vielseitig die Rohstoffe aus der Moorwirtschaft sein können, zeigen auch die Forschungen des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP in Stuttgart: Ausgehend vom bereits in mehreren Gebäuden eingesetzten Typhaboard (Typha = Rohrkolben) wurden inzwischen weitere Baustoffe entwickelt. Neben Magnesit als Bindemittel testete man mit Erfolg auch andere Kleber, die ebenfalls nachhaltig sind und einer Kompostierung nicht im Wege stünden. Selbst unter Verwendung von Lehm könnten für Zwecke ohne besondere Feuchtebelastung stabile und zugleich dämmende Platten hergestellt werden. Darüber hinaus entwickelte man eine Platte zur Aufdachdämmung, die aufgrund einer speziellen Partikelgeometrie und ‐anordnung eine geringere Rohdichte und Wärmeleitfähigkeit besitzt. Des Weiteren wurde eine staubarme Schüttdämmung aus Rohrkolben und eine Art OSB‐Ersatz mit vergleichbaren Festigkeiten sowie ein spezieller sehr schlanker Deckenaufbau entwickelt. Außerdem arbeitet man an einem hochtragfähigen Holzersatz.

Paludikulturen: Auf Moorflächen nachhaltig wirtschaften

Im Sommer kann der Wasserstand etwas unter Flur gesenkt werden, wodurch auf den nassen Flächen auch Heu möglich ist. Der Ernte von Sonnentau als Heilpflanze sprechen Forscher ebenfalls Potenzial zu.

Paludikulturen: Auf Moorflächen nachhaltig wirtschaften

Eine Vermarktung von Paludikulturen wie Rohrkolben an die Baustoff-Industrie ist eine weitere Möglichkeit.

Wer baut und wie kommt man zusammen?

Eine weitere Frage, die noch offiziell ungeregelt im Raum steht, ist die nach einem generell Verantwortlichen für die wasserbaulichen Maßnahmen. Nach Ansicht des DVL wäre das Aufgabe der öffentlichen Hand. Ebenso müssen noch Gesetzte und Richtlinien wie etwa das Landeswasserhaushaltsgesetz angepasst werden. Im Norden organisieren diese Fragestellungen häufig Wasser- und Bodenverbände, in deren Satzung zwar häufig steht, dass sie „Wasser managen“, teilweise aber entwässern sie laut Papier nur. Dann muss ebenfalls die Bürokratie samt großer Mitgliederversammlung eine Änderung der Satzung beschließen. „Ich kann ja nicht als Einzelbesitzer einer 0,8-Hektar-Fläche beschließen, diese jetzt zu vernässen und das Wasser bleibt dann nur bei mir. Man muss in Wasserkörpern rechnen, wo dann alle zusammen vorgehen müssen. Denn zieht einer mit Flächen dazwischen nicht mit, kann der nicht mehr weiter trocken anbauen“, verdeutlicht Unseld.

Hier setzen auch die Forscherinnen und Forscher des niedersächsischen MOOSland-Projekts an: Das Zehn-Jahres-Verbundvorhaben baut auf bisherigen Forschungen auf, die bereits gezeigt haben, dass die sogenannte Torfmoos-Paludikultur umsetzbar und rentabel ist. Besonders wichtig ist den Forschern dabei der Austausch mit den Menschen, die auf den Moorflächen leben und arbeiten: Sie wollen ihre Bedürfnisse verstehen und Akzeptanz für eine nachhaltige Landwirtschaft schaffen. „Die land- und forstwirtschaftliche Nutzung nasser Moorflächen, auch Paludikultur genannt, kann auf vielfältige Weise gelingen: In unserem Projekt konzentrieren wir uns auf Moose, die als Torfersatz im Gartenbau eingesetzt werden können“, erklärt Dr. Laura Herzog, Umweltsystemforscherin an der Universität Osnabrück. Für die Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort soll eine Plattform entstehen, auf der sich Landwirte informieren und vernetzen können. Durch ein Handbuch zur Umsetzung von Torfmoos-Paludikultur und ein Informationssystem, mit dem potenzielle Flächen für Paludikultur identifiziert werden können, sollen die Landnutzer sich informieren und eine Umstellung planen können. Denn im Klimaschutzprogramm 2030 hat sich die Bundesregierung vorgenommen, Torf weitgehend im Gartenbau zu ersetzen. Das erfordert eine Umstellung in der Erdenindustrie, weshalb auch ein Torfwerk Projektpartner im Verbundvorhaben ist.

Paludikulturen: Auf Moorflächen nachhaltig wirtschaften

Die nassen Flächen können als Grünland zur Futterwerbung genutzt werden, eine Verwertung als Substrat in Biogasanlagen ist ebenfalls möglich.

Förderung als Anschub

„Wird dann schließlich eine Vernässung angegangen, sprechen wir meist von zweistelligen Hektarzahlen, 30-50 Hektar zählt hier schon als großes Projekt. Ursprünglich war aber zum Beispiel das bayerische Donaumoos in der Region Ingolstadt 16.000 Hektar groß. In den Randbereichen ist die organische Bodenauflage zwar inzwischen zu gering, um hier klimatechnisch noch viel machen zu können. An den besseren Stellen ist das Moor aber noch über drei Meter mächtig und damit gut geeignet für die im besten Fall klimapositive Bewirtschaftung mit Paludikulturen“, sagt DLV-Expertin Unseld. Derzeit wird dort auf 30 Prozent der Flächen Ackerbau betrieben, der Rest ist meist Grünland. Auf die Felder könnten aber auch Rohrkolben gepflanzt werden – die brauchen aber bis zum ersten Ertrag ein paar Jahre. Kompensieren soll den Einnahmeverlust beispielsweise das bayerische Moorbauernprogramm, welches aktuell die Umwandlung von Acker in Dauergrünland mit 3.300 Euro/ha fördert. Ein Investitionsprogramm mit bis zu 60 Prozent Zuschuss für Moorspezialtechnik sollte ebenfalls kommen, die letzten Informationen dazu stammen aber noch aus der Zeit vor der Haushaltskrise des Bundes. Hier werden auch Gemeinschaftsinvestitionen unterstützt, einen Rübenroder kauft heute ja auch kaum mehr jemand alleine. In anderen Regionen der Republik mangelt es aber noch an konkret zugesagten Zahlen. Zudem gilt es zu klären, wo Saatgut und Pflanzen für Paludikulturen in benötigten Mengen zu beschaffen sind.

Saatgut und Wasserbüffel

Hier müsse eine Vermehrung etabliert werden, wie sie auch für Weizen oder Gerste existiert. Zwar können Rohrkolbenbestände durchaus 100 Jahre alt werden, sie müssen also nicht jedes Jahr neu gesät werden. Für die künftigen Neuanlagen jedoch wird es noch länger jedes Jahr große Mengen brauchen.

Im schwäbischen Donaumoos wurde mit der Beweidung durch Wasserbüffel bereits eine weitere Nutzungsform gefunden, welche nun genauer erforscht wird. Denn bisher basieren die Zahlen hinsichtlich der entsprechenden klimatischen Auswirkungen aus Schätzungen. Die Arbeitsgemeinschaft Schwäbisches Donaumoos e.V. will das ändern und konnte dank Fördermitteln im Sommer 2023 einen sogenannten Eddyturm auf der Weide platzieren. Er misst den Austausch der Gase CO2, Lachgas und Methan zwischen Bodenoberfläche, Vegetation und Atmosphäre. Die in Europa einzigartige Messung wird von der Hochschule Weihenstephan betreut.

Nach Ansicht des DVL werde es nach 20 bis 30 Jahren Feldforschung und mit kleinen sehr vielen erfolgreich abgeschlossen Projekten nun Zeit, aus dem Labor in die Skalierung und praktische Erprobung zu gehen. Die Technik wird seitens der Maschinenbauer bereits etabliert. Für Händler entsteht hier also gerade ein neuer Markt.


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