Lebendige Tiny Parks statt todgeweihte Gestellbäume am Straßenrand

Kurzumtriebsplantagen setzten sich bisher nicht wirklich durch. Nun wird das Konzept aber einfacher und vielseitiger. Außerdem gibt es neue Lösungsansätze für die reihenweise an Straßen vertrocknenden Jungbäume.

Straßenbegleitgrün und Heckenbewirtschaftung: Lebendige Tiny Parks statt todgeweihte Gestellbäume am Straßenrand

Viele KUP werden direkt mit Großtechnik auf dem Schlag gehäckselt. Entsprechende Lohnunternehmer sind jedoch noch rar.

Straßenbegleitgrün und Heckenbewirtschaftung: Lebendige Tiny Parks statt todgeweihte Gestellbäume am Straßenrand

Die Kurzumtriebsplantagen (KUP) galten kurz nach der Jahrtausendwende als großer Hoffnungsträger. Aktuell stehen in Deutschland gute 6.500 ha Agrarholz auf den Feldern, 4.600 ha Miscanthus kommen noch oben drauf. Davon werden allein 2.000 ha von der Energy Crops GmbH genutzt: Die Vattenfall-Tochter produziert in Kooperation mit Landwirten in Brandenburg das Pappelholz für ein Heizkraftwerk in Berlin. Ein erkennbarer Trend nach oben blieb in den letzten Jahren aber aus. Bereits 2012 befragten Wissenschaftler die entsprechenden Praktiker, warum KUP nicht wie erwartet durch die Decke gehen: Gründe waren fehlende Regelungen hinsichtlich der Nutzung von Grünland sowie die bei Biogas bereits hitzig genug geführte Diskussion von Energie vs. Lebensmittel. Die Befragten schätzten die Akzeptanz in der Bevölkerung damals eher durchwachsen ein, unter 50 Prozent trauten den Anwohnern eine positive Meinung zu KUP zu. Wenige Jahre später fielen dann große Mengen Schadholz durch Dürre an, was den Hackschnitzelpreis verfallen ließ – ein weiterer Tiefschlag für die KUP.

Jetzt mit GAP-Förderung

Dass so eine Plantage die Umwidmung von Ackerland zu Wald bedeutet, ist inzwischen fest widerlegt. Die Anbauform bleibt auch bei langjährigen Beständen ohne Ernte landwirtschaftlich. Ab 2023 ist sogar GAP-Förderung drin und der Streifenanbau auch auf Grünland erlaubt, wobei ein paar Details beachtet werden müssen: Mindestens zwei Prozent der Fläche müssen mit Bäumen bepflanzt sein, maximal 40 Prozent. Außerdem sind einige Abstandsregeln einzuhalten. Wird auf der Wiese flächig mit zusätzlichen Bäumen als Agroforst gearbeitet, muss eine bestimmte Anzahl gepflanzt werden. Agroforst zählt zudem nicht als Stilllegung, auch wenn über mehrere Jahre nichts weiter darauf unternommen wird, als den Weiden und Pappeln beim Wachsen zuzusehen.

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Auf Kurzumtriebsplantagen wachsen vor allem selbstausschlagende Pappeln und Weiden, die so immer wieder geerntet werden können.

Generell wird die „Beibehaltung einer agroforstlichen Bewirtschaftungsweise auf Ackerland und Dauergrünland“ per GAP-Direktzahlung möglich sein. Die vorgesehene jährliche Förderhöhe beträgt 60 Euro/ha, was sich aber auf die Gehölzfläche bezieht, nicht auf die Gesamtfläche wie zum Beispiel die bepflanzte Wiese. Ergänzend dazu kann die Neuanlage von Agroforstflächen als Investition gefördert werden. Nachteilige invasive Gehölze sind allerdings von der Förderung ausgeschlossen.

„Ein Trend geht zudem zu längeren Umtriebszeiten: Statt die Plantage sehr jung als Energieholz zu schlagen, kann sie auch als sogenannte Kombi-KUP angebaut werden. Denn auch dickere Pappelstämme sind inzwischen am Markt gefragt, etwa in der Sperrholz- und Verpackungsindustrie“, weiß Wolfram Kudlich, Geschäftsführer der auf KUP und Agroforst spezialisierten Wald21 GmbH. Eine bei ihm ebenfalls immer stärker nachgefragte Variante sind größere Mengen Niederholz auf Halteflächen für Freilandgeflügel. Die Hühner sind dadurch sicherer vor Witterung und Greifvögeln, halten sich so auch auf weiter vom Stall entfernten Flächen auf und düngen so den Boden gleichmäßiger. Wird der inzwischen nicht mehr ganz unübliche Mobilstall samt Federvieh auf eine neue Fläche versetzt, kann auch das Holz geerntet werden. Darüber hinaus ist sich Kudlich sicher, dass KUP-Betreiber künftig aktiv für ihre Funktion als CO2-Speicher entlohnt werden.

Straßenbegleitgrün und Heckenbewirtschaftung: Lebendige Tiny Parks statt todgeweihte Gestellbäume am Straßenrand

Abgestorbene Gestellbäume sind inzwischen keine Seltenheit mehr. Bison Forest plädiert daher für ein generelles Umdenken.

Straßenbegleitgrün und Heckenbewirtschaftung: Lebendige Tiny Parks statt todgeweihte Gestellbäume am Straßenrand

In der TreeToBee-Pflanzpatrone keimt eine Pflanze ohne Einschränkung der Wurzeln. Das Ganze kommt samt dem biologisch abbaubaren Netz in den Boden.

Neue Ökosysteme schaffen

Auch Ulrich Grauvogel vom Forstdienstleister Bison Forest sieht viel Potenzial in der sogenannten Heckenwirtschaft: Landwirte könnten entlang ihrer Wiesen schnell viele Kilometer schnellwachsende Gehölze in mehreren Reihen pflanzen. Diese Hecken sind dann aber keine geschützten Landschaftselemente, sondern zählen dauerhaft zum bewirtschafteten Bereich und können demnach auch geerntet werden. Dabei wird aber kein Kahlschlag vorgenommen, sondern stufenweiße gearbeitet: Jedes Jahr kommt nur etwa ein Sechstel der Masse weg, der Rest darf weiter wachsen. So bleibt das neue Ökosystem langfristig intakt, bringt aber dennoch Mehrwert. Als Kunden hat Grauvogel unter anderem die Industrie im Blick: Dort wird Kohle als Rohstoff für diverse industrielle Prozesse benötigt. Aktuell müssen sich die Nutzer hier mit schwankenden fossilen Qualitäten – je nachdem, wie das verwendete Material eben aus der Erde kommt – herumschlagen und dauerhaft prüfen. Durchgehend gleichbleibende Rohstoffe aus einer KUP wären dagegen ein Fortschritt, zumal sich die entsprechenden Firmen so über entsprechende landwirtschaftliche Partner selbst regional versorgen könnten. Der Bedarf liege laut Bison Forest allein in Deutschland bei mehreren tausend Tonnen jährlich. Die Firma setzt sich bereits seit über einem Jahr mit dem Thema auseinander und berät Kunden entsprechend. Ebenfalls möglich ist die Produktion von Pflastersteinen aus Robinienholz, das in Klötze geschnitten verlegt wird und bis zu 50 Jahre halten soll. Auch dafür braucht es vor allem schwächere Stämme, die auf KUP oder in Heckenwirtschaft produziert werden können.

Notwendig sei laut Bison Forest zudem ein großes Umdenken bei neu gepflanzten Straßenbäumen. Diese setzt man meist als mehrjährige Exemplare in Gestellen angebunden in die Landschaft.

Straßenbäume erhalten

„Wir beobachten hier ein verstärktes Absterben solcher Bäume, in manchen Regionen stehen nur noch Skelette entlang von Bundesstraßen. Ihre Wurzeln waren aus der Baumschule schlicht zu klein, um das nötige Wasser in heißen Sommern zu erreichen. Zudem sorgt in der kleinen von der Sonne aufgeheizten Krone dann die Physik für Probleme: Wenn der Dampfdruck steigt, wird Wasser irgendwann schlicht unpumpbar. Das nennt man Kavitation und ist für solche Bäume ein großes Problem“, erklärt Grauvogel, der als Ingenieur auch schon internationale Projekte für Siemens gestemmt hat und diese Kompetenz nun bei Bison Forest einbringt.

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In den Tiny Forests oder Pocket Parks werden mehrere verschiedene Jungpflanzen gesetzt, die sich leicht an die neue Umgebung anpassen können.

Ihre Lösung nennt sich „Tiny Park“ oder „Tiny Forest“: Dabei pflanzt man auf nur wenigen Quadratmetern viele sehr junge Setzlinge. Diese sind in einer speziellen biologisch abbaubaren Netzpatrone samt Erde vorgekeimt, mit der sie zusammen in den Boden kommen. Statt dem Spaten erledigt das dann ein Erdbohrer, wie ihn etwa das Forst-Start-up BastIng (bekannt durch den Spindelkeil) anbietet. So haben die Pflanzen kaum Umzugsstress, zumal sie sich im jungen Alter noch gut an einen neuen Platz gewöhnen können. „Am besten funktioniert so etwas um einen alten Totholz-Stumpf herum, der dann wie ein Schwamm als Wasserspeicher fungiert“, erklärt Grauvogel. Angereichert wird der Boden lediglich mit etwas Waldboden und Laub, um die notwendigen Mikroorganismen zu etablieren. „Nach zwei bis drei Jahren steht das Ganze bereits zwei Meter hoch und man kann die schwächeren Exemplare herauspflegen. Nochmals einige Jahre später hat ein Tiny Park einen gleichzeitig gepflanzten Hochstamm dann bereits überholt“, versichert Grauvogel. Durch das sehr junge Aufwachsen in der endgültigen Umgebung seien diese Bäume langfristig überlebensfähig – ohne aufwändige Pflegemaßnahmen wie Gießen oder Wassersäcke.

Holz galt zudem bislang als nicht geeignet für Biogasanlagen – zu hoch ist der Anteil schwer abbaubarer Faserverbindungen. Am Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ) erzielten Forschende nun mit Pappelfasern aber Methanerträge, die auf einem ähnlichen Niveau wie die frischer Maissilage liege. Zusätzlich soll auch das Restsubstrat als Torfersatzstoff für den Pflanzenbau genutzt werden. Aus den KUP-Hackschnitzeln gewinnt man via Extruder Pappelfasern, die in einer Biogasanlage vergären. Aufgrund zu hoher Salzgehalte und einer zu hohen biologischen Instabilität kommen die frischen Gärreste als Torfersatzstoff jedoch nicht direkt in Frage. Es folgt daher die Separation und Kompostierung, wonach das Material den Torf in Kultursubstraten und Blumenerden zu 40 Prozent ersetzen könnte. Ob das System auch wirtschaftlich funktioniert, wird noch bis Ende 2023 untersucht.


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