Für die meisten Landmaschinenhersteller zählen Messeauftritte zu den wichtigsten Projekten des Jahres. Allerdings hat das Corona-Virus weltweit Präsenzmessen platzen lassen. Auf die Absagen haben die Unternehmen schnell reagiert und vor allem ihre Digitalisierungsstrategien stark vorangetrieben. Sie versuchen, neue Wege zur Kundengewinnung und -bindung zu gehen. Dabei stehen vor allem digitale Kommunikations- und Vertriebsstrategien im Fokus. Zudem arbeiten sie enger mit ihren Vertriebspartnern zusammen und setzen auf eine stärkere Vernetzung von Vertrieb und Marketing. In Gesprächen mit den Herstellern wird klar, dass der persönliche Kontakt auch in Zeiten von Digitalisierung unerlässlich für den Geschäftserfolg bleibt.
Live-Formate kommen an
„Allein im Jahr 2020 sind etwa 45 Messen im In- und Ausland für Amazone ausgefallen oder verschoben worden“, berichtet Dirk Brömstrup von der Marketing-Abteilung der Amazonen-Werke. Damit seien auch wichtige Kontaktpunkte für den Neumaschinenverkauf, die Vorstellung von Innovationen und der Aufbau von neuen Kundenbeziehungen weggefallen.
Coronabedingt sind digitale Veranstaltungen stärker in den Fokus des Landmaschinenherstellers aus Hasbergen gerückt – Brömstrup kann bereits von guten Erfahrungen berichten: „Eine große Reichweite hat zum Beispiel unser Amazone-Themenabend erzielt, der kürzlich erstmals digital stattfand. Auch die anschließende Diskussionsrunde in Form eines Livechats zeigt uns, wie gut auch digitale Live-Formate von unseren Landwirten und Lohnunternehmern angenommen werden.“
Dennoch bleibe auch zukünftig der direkte Kontakt zum Kunden auf Fachmessen für die Amazonen-Werke besonders wichtig. Schließlich könne im persönlichen Gespräch konkreter auf die individuellen Anforderungen der regionalen ackerbaulichen Gegebenheiten und Wünsche der Landwirte und Lohnunternehmen eingegangen werden. Gerade im Hinblick auf die immer größer werdende Nachfrage nach Präzisionslandwirtschaft sei der direkte Austausch zwischen Herstellern und Anwendern auf landwirtschaftlichen Fachmessen für beide Seiten von großem Nutzen, so Brömstrup. Den coronabedingten Ausfall des wichtigen Kommunikationskanals Messe versuchen die Amazonen-Werke mit einem starken, flächendeckenden Vertriebsteam und Händlernetz über direkte Kontakte zu Landwirten und Lohnunternehmern auszugleichen. Brömstrup: „Es gibt hier teilweise jahrzehntelange enge Partnerschaften, die in dieser ungewöhnlichen Zeit besonders wichtig sind. Dort, wo es möglich und gewünscht war, haben wir mit unserem Verkaufsförderungs-Team unter Berücksichtigung der Hygienevorschriften weiterhin Einzelvorführungen durchgeführt. Dies wird – auch wenn man aus gegebenen Gründen derzeit nicht gemeinsam in der Traktorkabine sitzen kann – überaus stark nachgefragt.“
Digitale Tools
Zusätzlich sei auf der Website des Herstellers eine 360-Grad-Tour durch das Amazone-Ausstellungszentrum in mehreren Sprachen zugänglich und biete einen umfassenden virtuellen Einblick in die Präzisionswelt der Amazone Landtechnik. Darüber hinaus bespiele man Kanäle wie Youtube, Facebook und Instagram in den sozialen Netzwerken.
Auch gehörten digitale interne und externe Schulungen zum Beispiel für Vertriebspartner sowie Online-Verkaufsgespräche bei Amazone mittlerweile zum Alltag.
„Zusätzliche Potenziale können wir gemeinsam mit unseren Vertriebspartnern in dieser außergewöhnlichen Situation heben, indem wir weiterhin einen sehr engen Kontakt zu unseren Kunden halten und mit zusätzlichen, teilweise digitalen, Dienstleistungen die Zusammenarbeit weiter intensivieren“, sagt Brömstrup.
Schon heute arbeiten die Amazonen-Werke mit ihren Vertriebspartnern bereits über verschiedene digitale Servicetools zusammen. Dabei hebt Brömstrup besonders das Servicekonzept SmartService 4.0 für Service-, Schulungs- und Wartungsarbeiten hervor, das weiter ausgebaut werde. „Unter Einsatz von Virtual- und Augmented Reality sowie digitaler Medien funktioniert die Service-und Vertriebsunterstützung auf Distanz gerade jetzt während der Corona-Pandemie unabhängig vom Standort des Servicepartners und dem Anwender der jeweiligen Maschine.“
Laut Dirk Brömstrup wollen die Amazonen-Werke den digitalen Weg der Kommunikation mehr und mehr ausbauen, aber auch zukunftsweisend weiter in bestehende Kommunikationswege investieren.
„Für Case IH sind Fachmessen von sehr großer Bedeutung“, erklärt Alfred Guth von Case IH Deutschland. Schließlich basiere die Unternehmensphilosophie, genauso wie die Produktentwicklung und -verbesserung, auf dem Austausch mit den Kunden.
Messen weiterhin unverzichtbar
Darüber hinaus misst der Communication Manager, der auch für Messen und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, den Präsenzmessen eine große Bedeutung in Sachen Kundengewinnung und -bindung zu. „Ein gelungener direkter Dialog ist entscheidend für Akzeptanz des Kunden und damit unbedingt notwendig für den Erfolg“, sagt Guth und betont, dass auch der Aspekt des internen Austausches innerhalb der Branche nicht unterschätzt werden sollte.
Auch für Case IH Deutschland sind viele bekannte nationale und internationale Messen ausgefallen. „Darunter wichtige Großveranstaltungen wie die DLG-Feldtage, das ZLF und die DeLuTa. Ebenso wurden viele regionale Messen und Händlerveranstaltungen im letzten Jahr abgesagt“, berichtet Guth. Dadurch hätten digitale Kommunikations- und Vertriebswege, die schon lange etabliert seien, eine erhöhte Notwendigkeit erfahren. Der Communication Manager erwartet, dass digitale Veranstaltungen auch zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen werden – auch aufgrund zeitlicher und örtlicher Unabhängigkeit. „Zwar werden sie Präsenzveranstaltungen nicht komplett ersetzen, jedoch auf lange Sicht als begleitender Kommunikationsweg relevant sein.“
Positive Erfahrungen mit digitaler Kommunikation konnte Case IH bereits bei der Produkteinführung des telemetrie- und datenkonnektiven Magnum AFS Connect und Quadtrac AFS Connect im vergangenen September sammeln. Guth: „Wir haben die coronakonformen Vorführungen mit Kamerateams begleitet und diese Aufnahmen als Basis einer speziell auf das zugehörige Kundenklientel zugeschnittenen Website ,mydigitalfarm.de‘ genutzt. Im Rahmen eines ‚digitalen Feldtages‘ konnten wir den eingeloggten Kunden im TV-Format diese Technologie näherbringen und auch einen direkten Livedialog führen.“ Allerdings, so schränkt Alfred Guth ein, seien solche Kanäle nicht weniger aufwändig als große Präsenzveranstaltungen. – „Ganz im Gegenteil.“
Er prognostiziert, dass der Kommunikationskanal Messe nach Bewältigung der Pandemie wieder die Bedeutung erlangen wird, die er auch schon vorher innehatte. „Wahrscheinlich wird das physische Treffen auf der Messe sogar eine gesteigerte Wertschätzung erhalten. Durch den Verzicht auf persönlichen Austausch haben wohl die meisten von uns dessen Wichtigkeit erst erkannt“, bekennt Alfred Guth. Neben weiteren digitalen Kundenveranstaltungen seien jedenfalls bei Case IH Deutschland auch Präsenzmessen in der Planung.
Darüber hinaus hat Case IH Deutschland die Kommunikation zum Fachhandel durch einige digitale Elemente erweitert. Schließlich seien die Vertriebspartner bestens mit modernen Technologien vertraut. Guth: „Kaum eine Branche arbeitet schon seit so langer Zeit mit digitalen Techniken wie die Landtechnik.“ Viele vertriebs- und serviceunterstützende digitale Maßnahmen habe man bereits lange vor Corona etabliert. Er glaubt aber, dass die notwendige Verschiebung von Präsenzschulungen und -besprechungen auf digitale Wege durch Corona schneller Akzeptanz gefunden habe, als dies wohl vor der Pandemie der Fall gewesen wäre.
Virus öffnet digitale Wege
Schlüssel zum Kundenvertrauen ist für Alfred Guth auch in Coronazeiten „neben guten Produkten und einem guten Service der Kontakt auf Augenhöhe und immer ein offenes Ohr für den Kunden.“ In diesem Zusammenhang lobt er seine Vertriebspartner, die sich rasch auf die Umstände und die Bedürfnisse der Landwirte eingestellt hätten. „Da waren Hygienekonzepte nur ein kleiner Aspekt. Viele Händler haben, wo es machbar war, auch Homeoffice-Regelungen für ihre Mitarbeiter sowie Notfallpläne für volle Serviceabdeckung erarbeitet, die man sich in anderen Branchen nur wünschen kann.“
Schub für die Branche
Das Traktorenwerk Lindner produziert nach eigenen Angaben im Jahr 1.200 Traktoren und Transporter für die alpine Berg- und Grünlandwirtschaft sowie für den Forst- und Kommunaleinsatz. Fachmessen sind für den österreichischen Hersteller mit Sitz in Kundl eine wichtige Plattform, um die Kunden zu treffen und die Fahrzeuge aus erster Hand vorzustellen.
„Der persönliche Kontakt ist aus meiner Sicht sehr wichtig und eigentlich unverzichtbar. Ich sehe die digitalen Kanäle als gute Ergänzung, sie werden aber eine klassische Werksausstellung oder Hausmesse mit den vielen persönlichen Kontakten nicht ersetzen“, sagt David Lindner, Marketing- und Exportleiter im Traktorenwerk Lindner.
Auf den Wegfall aller wichtigen Messen und die coronabedingten Einschränkungen ab dem Frühjahr 2020 hat der österreichische Hersteller mit virtuellen Werksausstellungen reagiert, die nach Angaben von David Lindner sehr gut angenommen werden. „Herzstück ist die Landing-Page auf ‚lindner-traktoren.at‘, die wir mit Videos und Fotos unserer Innovationen bespielen. Natürlich integrieren wir auch die Social-Media-Kanäle Facebook, Instagram und Youtube. In diesem Zusammenhang kündigt Lindner bereits die nächste virtuelle Werksausstellung am 18. März 2021 an: „Wir werden dort unter anderem zwei neue stufenlose Lintracs präsentieren.“
Persönlicher Kontakt entscheidet
Schon seit vielen Jahren lege man in dem österreichischen Familienunternehmen Wert darauf, auch die digitalen Kommunikations- und Vertriebswege auszubauen. „Das ist natürlich in Zeiten wie diesen noch wichtiger.“ David Lindner erwartet, dass die aktuelle Situation zu einem Digitalisierungsschub in der Branche führen wird. „Wir sind auf jeden Fall froh, dass wir schon sehr früh auf das Thema Digitalisierung gesetzt haben; diese gelebte Technologieführerschaft kommt uns in diesen Tagen sehr zugute.“ Dennoch bleibt für den Marketingchef aus Kundl der persönliche Kontakt auch in Zukunft unverzichtbar. Auch wenn Marketing und Vertrieb elektronischer werden, so ist für David Lindner eines klar: „Ob analog oder digital: Im Mittelpunkt steht immer, dass unsere Fachhändler bestens über unsere Innovationen und Entwicklungen informiert sind. Genauso wichtig ist, dass wir regelmäßig Feedback direkt vom Markt bekommen.“
Gut angekommen seien die „Linder-Hausbesuche“, bei denen Kunden die Traktoren und Transporter auf dem eigenen Hof oder beim nächstgelegenen Lindner-Händler testen und aus nächster Nähe erleben können. „Die Terminvereinbarung mit Auswahl des gewünschten Fahrzeugs läuft unkompliziert online. Und für alle Detailfragen zum ausgewählten Traktor oder Transporter steht ein Lindner-Experte vor Ort zur Verfügung. – Natürlich immer unter Einhaltung der geltenden Sicherheitsbestimmungen“, fügt David Lindner hinzu.
Stärkung des Fachhandels
Seit Beginn der Corona-Pandemie sind insgesamt 33 Messen in und außerhalb Deutschlands ausgefallen, an denen wir uns als Aussteller beteiligt hätten“, informiert Kurt Glück, Horsch-Marketingchef. In den knapp 13 Monaten habe der bayerische Landmaschinenhersteller seine Produkte lediglich auf neun Messen, die physisch stattgefunden haben, präsentieren können.
Doch obwohl zahlreiche Messen ausfielen oder verschoben wurden, habe die deutsche Landtechnikbranche 2020 sogar ihren Gesamtumsatz steigern können. „Da wird das klassische ‚Messegeschäft‘ schnell zum Teil in Frage gestellt“, sagt Glück. Für ihn ist das aber zu kurz gedacht. 2020 sei einfach ein Ausnahmejahr. Er betrachtet Messen als „ein wichtiges Instrument für Unternehmen, um Technik vorzustellen und vor allem um den persönlichen Kontakt zum Endkunden zu halten.“ Dennoch hinterfragt auch Kurt Glück die etablierten Messekonzepte und regt an, diese stärker an die Bedürfnisse der Endkunden anzupassen. „Was möchte der Endkunde wirklich? Wie viele Messeveranstaltungen werden wir in Zukunft brauchen und mit welchem Aufwand müssen wir sie betreiben?“, fragt Glück. Nicht nur er habe beobachtet, wie sich die Hersteller in den letzten Jahren gegenseitig hochgeschaukelt hätten, was Aufwand und Kosten für ihre physischen Messeauftritte betrifft. Aber auf die Frage, ob virtuelle Messen und Events in Zukunft reale Präsenzveranstaltungen ersetzen werden, antwortet Glück überzeugt: „Nein, definitiv nicht.“ Präsentation und Schulungen im Online-Format eignen sich aber aus seiner Sicht hervorragend, um Wissen zu vermitteln. Auch vor diesem Hintergrund habe Horsch im letzten Jahr viel getan, um Marketing und Vertrieb digital aufzustellen. „Wir haben das Marketing-Budget angesichts des Ausfalls der großen Messeveranstaltungen – die bekanntlich große Kostenpositionen darstellen – umgeschichtet und auch reduziert.“ Horsch habe in Digitalisierung und Social-Media-Marketing investiert – „personell und in entsprechendes Equipment, um digitale Seminare zeitgemäß durchführen zu können.“
Beispielsweise wird das traditionelle Horsch-Seminar auf dem Sitzenhof, an dem alljährlich mehr als 600 Landwirte teilnehmen, Ende Februar erstmalig als dreitätiges virtuelles Event stattfinden, nachdem es im vergangenen Jahr coronabedingt ausfallen musste.
Ebenso führt Horsch aktuell Online-Schulungen für die Fachhandelspartner durch. „Dieses Format kommt bei unseren Vertriebspartnern gut an und sie zeigen hohes Interesse für diese neue Form des Wissenserwerbs“, bilanziert Glück. Allerdings kommt nach seinem Geschmack hier der wichtige persönliche Kontakt zwischen Vertriebspartnern und Hersteller zu kurz. „Um den zu pflegen, ziehen auch die Händler nach eigenem Bekunden die Präsenzschulungen vor und wollen im nächsten Jahr wieder zum Sitzenhof kommen.“ Produktvorstellungen dagegen kann sich der Marketingleiter auch zukünftig gut in Form von digitalen Events vorstellen. „Schon allein deshalb, um den Händlern und Endkunden oftmals zeitaufwändige Anreisen zu ersparen.“
Händler massiv gefordert
Und noch eines hat Glück während der Pandemie festgestellt: „Die Bedeutung der Vertriebspartner ist noch einmal wesentlich gestiegen. Ihre Präsenz vor Ort war und ist weiterhin von entscheidender Wichtigkeit, weil ein Hersteller kaum Möglichkeiten hatte, einen direkten persönlichen Kontakt zum Endkunden aufzunehmen.“ Daher seien die Vertriebspartner in Zeiten von Kontaktsperren massiv gefordert. „Sie schaffen Vertrauen durch äußerste Zuverlässigkeit im Service, in der Ersatzteilversorgung sowie durch pünktliche Auslieferung der bestellten Technik.“
Zudem hätten sie in der ungewohnten Situation rund um das Coronavirus Möglichkeiten genutzt, auch physisch im kleinen Rahmen was zu tun. Als tolle Aktionen, „die stark von unseren Händlern getragen wurden“, bewertet Glück die vielen kleinen, coronakonformen Live-Vorführungen im Feld. Die Vertriebspartner hätten diese Veranstaltungen organisiert, die Technik gestellt und gezielt Landwirte in Kleingruppen eingeladen.
Maschinenpräsentationen, die vor Corona stets vor breitem Publikum stattgefunden hätten, seien in der Pandemie viel exklusiver geworden. Unterm Strich habe man somit wesentlich zielgerichteter im Vertrieb und Marketing agiert.