Krieg mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Agrarproduktion

Der Geschäftsführer des Fachverbandes Landtechnik im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Dr. Bernd Scherer, zur Lage in der Ukraine und den Folgen des Krieges für die hiesige Landtechnikindustrie. Branche will grundsätzliche Neubewertung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit Russland.

Ukraine: Krieg mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Agrarproduktion

Die Großbetriebe in der Ukraine sind weitestgehend mit moderner westlicher Technik ausgestattet.

Ukraine: Krieg mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Agrarproduktion

Die Ukraine: Bisher ein bedeutender Exportmarkt für deutsche Landtechnikproduzenten.

Mit unmittelbaren Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die dortige Agrarproduktion rechnet die deutsche Landtechnikindustrie. Gegenüber dem Pressedienst Agra-Europe verwies der Geschäftsführer vom Fachverband Landtechnik im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Dr. Bernd Scherer, vergangene Woche auf die zunehmende Rationierung von Kraftstoffen, die unzureichende Verfügbarkeit von Saatgut, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, aber auch die zerstörte Infrastruktur, die eine große Herausforderung für die Transportlogistik darstellen werde. Nach Angaben von Scherer haben die ukrainischen Landwirte in den letzten Jahren erheblich in moderne Landtechnik investiert. Insofern sei der Maschinenbestand vielerorts auf einem brauchbaren Niveau, sodass die Frühjahrsbestellung weithin möglich sei. Die Aktivitäten der europäischen Landtechnikhersteller in der Ukraine sind laut Scherer infolge des Krieges nahezu vollständig zum Erliegen gekommen.

Produktspezifische Ausnahmen

„Niemand ist derzeit in der Lage, Maschinen zu liefern“, so der Geschäftsführer. Die Häfen seien dicht, der Schienenverkehr stehe still, der Luftraum sei zu. Spürbar auswirken auf das Landtechnikgeschäft wird sich nach Einschätzung Scherers der Ausschluss Russlands vom internationalen Zahlungssystem Swift. Kein anderer Zweig des Maschinen- und Anlagenbaus habe vergleichbar hohe Ausfuhren nach Russland wie die in Deutschland produzierenden Landmaschinen- und Traktorenhersteller. Sollten durchweg alle russischen Banken exkludiert werden, ließe sich Scherer zufolge faktisch kaum ein Geschäft mehr abwickeln. Welche Möglichkeiten der Zahlungsabwicklung sich dann über internationale Banken ergeben könnten, müsse sich zeigen. Zu vermuten sei, dass es produktspezifische Ausnahmen geben werde, die weiterhin exportfähig seien.

Die Geschäftsabwicklung ist zum Erliegen gekommen

Welche Bedeutung haben der russische Markt und der ukrainische Markt für die deutsche Landtechnikindustrie?

Dr. Bernd Scherer: Mit seiner Großflächenlandwirtschaft gehört Osteuropa traditionell zu den weltweit wichtigsten Absatzregionen für innovative und schlagkräftige Landtechnik. Allein in die GUS-Staaten und in die Ukraine exportierten wir im vorigen Jahr Landmaschinen, Traktoren und Softwaresysteme im Wert von rund 1,2 Mrd. Euro. Russland steht für 50 Prozent dieses Exportvolumens, also für 600 Mio. Euro, und die Ukraine für ein Viertel, was wertmäßig etwa 300 Mio. Euro ausmacht. Aufgrund sehr guter Erzeugerpreise war die Investitionsbereitschaft 2021 in beiden Ländern ausgesprochen hoch.

Wie ist aktuell die Verfügbarkeit von Landtechnik auf den Betrieben in der Ukraine?

In den zurückliegenden Jahren haben die ukrainischen Landwirte gutes Geld verdient und auch ordentlich in moderne Agrartechnik investiert. Insofern ist der Maschinenbestand vielerorts auf einem brauchbaren Niveau. In der Fläche besteht allerdings nach wie vor ein eklatanter Modernisierungsbedarf.

Wie ist nach Ihren Informationen die derzeitige Lage der Landwirtschaft in der Ukraine?

Die kriegsbedingten Verwerfungen werden sicher auch Friktionen in der Landwirtschaft auslösen. Denken Sie beispielsweise an die zunehmende Rationierung von Kraftstoffen, an die Frage der Verfügbarkeit von Saatgut, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, aber auch an die zerstörte Infrastruktur, die eine große Herausforderung für die Transportlogistik darstellen wird. Auf der Habenseite steht dagegen, wie bereits angesprochen, ein vielerorts brauchbarer Maschinenpark, der die diesjährige Frühjahrsbestellung weithin ermöglichen sollte.

Ukraine: Krieg mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Agrarproduktion

Dr. Bernd Scherer: „Niemand ist derzeit in der Lage, Maschinen zu liefern.

Wie stellt sich für VDMA-Mitgliedsbetriebe, die in der Ukraine tätig sind, die gegenwärtige Situation dar?

Die in der Ukraine aktiven europäischen Landtechnikhersteller haben zunächst alle möglichen Maßnahmen ergriffen, um ihre Mitarbeiter vor Ort zu schützen und, sofern möglich, zu evakuieren. Die Geschäftsabwicklung ist dagegen nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Niemand ist derzeit in der Lage, Maschinen zu liefern: Die Häfen sind dicht, der Schienenverkehr steht still, der Luftraum ist zu.

Wie steht der VDMA zu den beschlossenen Sanktionen gegen Russland?

Oberste Priorität hat das Wohl der Menschen in der Ukraine. Insofern unterstützen wir den Einsatz wirksamer und konsequenter Sanktionen, die zu einem raschen Ende der Gewalt beitragen mögen. Die Sanktionen, die von der Europäischen Union aufgrund des völkerrechtswidrigen russischen Überfalls auf die Ukraine erlassen wurden, bedeuten eine grundsätzliche Neubewertung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit Russland im Lichte von Putins systematischer Aggression.

Welche Folgen hat der weitgehende Ausschluss russischer Banken vom Zahlungssystem Swift für die deutsche Landtechnikindustrie?

Der Swift-Ausschluss Russlands wird sich auf das Landtechnikgeschäft spürbar auswirken. Schließlich hat kein anderer Zweig des Maschinen- und Anlagenbaus vergleichbar hohe Ausfuhren nach Russland wie die in Deutschland produzierenden Landmaschinen- und Traktorenhersteller. Sollten durchweg alle russischen Banken exkludiert werden, ließe sich faktisch kaum ein Geschäft mehr abwickeln. Welche Möglichkeiten der Zahlungsabwicklung sich dann über internationale Banken ergeben könnten, muss sich zeigen. Zu vermuten ist aktuell zumindest, dass es produktspezifische Ausnahmen geben wird, die weiterhin exportfähig sind.

Wie schätzen Sie die mittelfristigen Perspektiven des russischen Marktes für die deutsche Landtechnikindustrie ein?

Als Produktions- wie auch als Exportstandort ist Russland eine wichtige Größe für die Agrartechnikbranche, aber auch für das Agribusiness insgesamt. Ob das auch künftig so bleibt, hängt davon ab, wie schnell es gelingt, einen vernünftigen politischen Rahmen zu spannen, um möglichst bald wieder zu einer friedlichen Normalität zurückkehren zu können.


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