Automatisiertes Belastungsmanagement

Intelligente Systeme erkennen die Belastung des Fahrers und leiten daraus Handlungsempfehlungen ab

Fahrerkabine 4.0: Automatisiertes Belastungsmanagement

Während eines Erntetages fallen sowohl Zeiten mit hoher als auch mit relativ geringer Arbeitsbelas-tung an – ein Assistenzsystem soll nun beim Ausgleich unterstützen.

Fahrerkabine 4.0: Automatisiertes Belastungsmanagement

Die Auslastungsgrenze des Fahrers wird in der Kabine gemessen.

Trotz modernster Maschinen gibt es bei der Ernte Phasen einerseits sehr hoher und andererseits relativ geringer Arbeitsbelastung. Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) entwickeln ein automatisiertes Assistenzsystem, das – orientiert am aktuellen Beanspruchungsniveau – Handlungsempfehlungen ausgibt. So soll der Ausgleich des Fahrers unterstützt und insgesamt das Wohlbefinden gesteigert werden.

Knapp 82 Prozent setzen digitale Technik ein

Intelligente und vernetzte Systeme prägen bereits heute den landwirtschaftlichen Alltag: Knapp 82 Prozent der deutschen Landwirte setzen digitale Technologien ein. „Landwirtschaftliche Erntemaschinen mit einem hohen Automatisierungsgrad können mit GPS-Lenksystemen, Sensoren oder Farm- und Managementsystemen bereits viele Arbeitsschritte eigenständig ausführen“, sagt Patrick Lehr vom Institutsteil Mobile Arbeitsmaschinen (Mobima) am Institut für Fahrzeugsystemtechnik (FAST) des KIT. Dank solcher Systeme lasse sich die Zeit auf dem Mähdrescher beispielsweise auch für Managementaufgaben nutzen.

Über den Erntetag verteilt fallen sowohl Zeiten mit hoher als auch mit vergleichsweise niedriger Arbeitsbelastung an: „Verschiedene Studien haben gezeigt, dass es für den Menschen am angenehmsten ist, sich in einem mittleren Beanspruchungsniveau zu bewegen“, erläutert Lehr. Hier setzen die Wissenschaftler des Mobima und des Instituts für Arbeitswissenschaft und Betriebsorganisation (ifab) an und entwickeln ein Assistenzsystem, das Fahrern abhängig vom aktuellen Beanspruchungsniveau Aufgaben zur Bearbeitung empfiehlt. „Sinnvolle Zusatzaufgaben für Phasen geringer Belastung kommen aus der Buchhaltung, dem Personal- oder Materialmanagement sowie dem privaten Aufgabenfeld. Diese könnten sonst erst nach der Feldarbeit erledigt werden“, erklärt Lehr. „Andererseits ist gerade beim Andreschen höchste Aufmerksamkeit gefragt. Da ist dann ein Ausblenden aller irrelevanten Informationen wichtig“. So wirke das System einer Unter- und Überforderung entgegen und halte die Daueraufmerksamkeit kontinuierlich aufrecht.

Die neuartige Fahrerkabine besteht aus mehreren Teilsystemen. Dabei geht es vor allem darum, zu erkennen, wie sehr der Fahrer aktuell beansprucht ist. In Studien untersuchen die Forscher vom ifab den Belastungszustand mittels Blickerfassung (Eye-Tracking).

Intelligente Systeme erkennen Belastung

Auch ein Fitnessarmband, das mithilfe von Lichtsignalen den Puls ermittelt und so das Stresslevel messen kann, sei vorstellbar. Diese sollen dann künftig über eine auf Augmented Reality (AR) basierende Schnittstelle ins Sichtfeld des Fahrers projiziert werden, um die Kabine nicht mit Bedienelementen zu überladen.

Die an das Beanspruchungsniveau anpassungsfähige Mensch-Maschine-Schnittstelle habe ökologische, ökonomische sowie gesellschaftliche Vorteile, so Lehr. Durch die digitale Vernetzung der Fahrerkabine werden für die Ernte hilfreiche Informationen wie Wettervorhersagen oder Daten zur Bodenbelastung eingebunden.

Nachdem die Arbeitsgruppe des Mobima inzwischen alle Anforderungen gesammelt und daraus Konzepte für die einzelnen Teilsysteme erstellt hat, entwickeln sie nun konkrete technische Lösungen, die den Zustand des Fahrers erfassen und Interaktionen ermöglichen. Dafür testen sie das System in einem Demonstrator. In einem separaten Versuch zur Zustandserfassung messen sie die Auslastungsgrenze von Probanden, in dem diese eine Hauptaufgabe auf dem Feld, wie das Dreschen, und wahlweise noch eine Nebenaufgabe im Management erledigen.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt mit insgesamt drei Millionen Euro – davon erhält das KIT etwa 1,4 Millionen Euro. Weitere Projektbeteiligte sind die Universität Hohenheim, das Start-up R3DT, die Firma InMach, das Unternehmen Budde Industrie Design sowie der europäische Marktführer von Erntemaschinen Claas.


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