Die Branche der zwei Geschwindigkeiten

Nach Jahren des kräftigen Wachstums haben die Umsätze der Landtechnikhersteller vorerst einen Höhepunkt erreicht, für 2024 müssen sie sich auf eine zurückgehende Investitionslust der Landwirte weltweit einstellen. Angesichts der deutlich gestiegenen Gewinnmargen ist diese Entwicklung für die meisten Hersteller in der Branche aber gut verkraftbar.

Landmaschinenindustrie: Die Branche der zwei Geschwindigkeiten

Adobe Stock / Donald; gajendra; scharfsinn

Wer wissen will, wie es um die Landtechnik aktuell bestellt ist, musste nur Ende November der Vorstellung des Geschäftsberichts von John Deere-Boss John C. May folgen. Die globale Nummer 1 der Hersteller von Landmaschinen beendet ihre Jahresabrechnung nämlich immer zum Oktober, die Bilanz der Amis ist damit so etwas wie ein Kompass für die ganze Branche. Stark zusammengefasst lautete Mays Botschaft: Wir haben 2023 noch mal richtig gut verkauft (Jahresumsatz plus 16 Prozent auf 56 Milliarden Euro), wir haben noch mal richtig fett verdient (Nettogewinn plus 43 Prozent auf 9,30 Milliarden Euro) – und jetzt stellt euch für kommendes Jahr mal auf deutlich sinkende Umsätze ein, je nach Sparte so zwischen zehn und 20 Prozent.

Was die Gewinnerwartungen für 2024 betrifft, wollte May sich nicht groß äußern. Die Börse hatte Deere & Co trotz der neuerlichen Rekordergebnisse auf Zwölf-Monats-Sicht ohnehin schon um gut ein Fünftel abgewertet, da muss man nicht noch Öl ins Feuer gießen. Bezeichnend aber ist, dass der Deere-Boss das größte erwartete Minus in der Sparte der technologisch aufgerüsteten Großmaschinen und vor allem beim sogenannten Precision Farming mit 20 Prozent sieht. Ausgerechnet die Sparte, in die nicht nur die großen börsennotierten Konzerne der Landtechnik schon Milliarden investiert haben – und auch in den folgenden Jahren noch besonders viel Geld stecken wollen.

Ist die in den vergangenen Jahren viel beschworene Digitalisierung der Landwirtschaft also ein Holzweg? Keineswegs. Die Investitionszyklen der Landwirte auf den Höfen und Farmen laufen nur einfach deutlich länger als die aktuellen Innovationszyklen der Landtechnik-Entwickler. Oder anders gesagt: Die technischen Möglichkeiten sind dem praktischen Bedarf, der tatsächlichen Umsetzung, schlichtweg und zunehmend vorausgeeilt.

Während ein Software-Ingenieur am Schreibtisch ständig an der Optimierung seiner Programme arbeiten kann, muss sich ein Mähdrescherfahrer nach langer Pause zum Saisonstart erstmal bei der Maschine an die Neuerungen des vergangenen Jahres erinnern. Selbst Lohnunternehmer, deren Schlepper, Häcksler oder Drescher viel schneller als bei einem selbstständig wirtschaftenden Bauern viele Arbeitsstunden auf dem Buckel haben, ersetzen das Gerät meist nicht schon nach zwei oder drei Jahren.

Der Erfolg der Branchenmesse Agritechnica nach langer Pandemiepause in Hannover mit großem Interesse an neuen Technologien darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Praxis weiter noch viel „old fashioned“ gearbeitet wird. Landwirte haben im Gegensatz zur Industrie keine Forschungs- und Entwicklungsetats, ihre Investitionsentscheidungen werden in der Regel nach dem Barbestand der Kasse und den Aussichten für die nächste Ernte und deren Vermarktung getroffen. Oder eben, wann eine Ersatzinvestition in eine Maschine, in ein Gerät unumgänglich ist. Und dafür zumindest eine Finanzierung mit erträglichen Zinsen möglich ist.

Hohe Ablehnungsquote

Eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung McKinsey hat deshalb die Motivation bei Landwirten der EU nach den Gründen für ihre Zurückhaltung bei Investitionen in neue Agrartechnologie abgefragt. Bei fast der Hälfte spielten die hohen Kosten eine Rolle für die Ablehnung. Gut ein Drittel betonte, dass nicht klar würde, ob sich die Investitionen wirklich lohnen. Und die Hälfte der Agrarier war schlichtweg nicht bereit, überhaupt in das Thema zu investieren – wobei nicht klar wurde, warum solche Ausgaben für Modernisierung der Betriebe unterbleiben.

Hier spielt sicher auch die Unsicherheit eine Rolle, für die die aktuelle Agrarpolitik der Europäischen Union insgesamt und im Besonderen einiger ihrer Mitgliedsländer sorgen. In den Niederlanden etwa denken viele Tierhalter ans Aufgeben, weil pauschale Gülleverordnungen kostendeckendes Wirtschaften unmöglich machen. Und in Deutschland zeigt sich erst zur Halbzeit der Ampelregierung in Berlin richtig, dass die Pläne des Bundeslandwirtschaftsministers Cem Özdemir sich entgegen seinen Beteuerungen, vor allem die kleineren Betriebe zu unterstützen, vor allem nur um die Umsetzung grüner Ideologie drehen. Werden Özdemirs Ziele umgesetzt, rollt eine gewaltige Bürokratiewelle auf die Landwirte zu – egal ob Biobauer oder konventionell wirtschaftender Landwirt. Weil viele das bei der aktuellen Einkommenssituation nicht mehr stemmen können, wird das Höfesterben wohl noch beschleunigt. Am Ende begünstigt die Praxisferne der Ministerialen nur die großen Betriebe, die Aufgaben delegieren oder sich die aufwendige Dokumentierung leisten können.

Auch die geopolitischen Verhältnisse sorgen weiter für Unsicherheit in den Agrarmärkten, die Prognostizierung der Rohstoffpreise wird immer schwieriger. Die haben aber den größten Einfluss auf die Investitionsbereitschaft der Bauern weltweit. Obwohl die Ukraine jetzt schon den zweiten Kriegswinter erlebt, hat es eine überraschend gute Ernte auf die Weltmärkte geschafft. Allerdings nicht im früheren Maß zu den einstigen Abnehmern in Afrika oder dem Nahen und Mittleren Osten, sondern eben nach Europa. Was nicht nur in Polen, Ungarn oder Bulgarien für Unmut bei den heimischen Produzenten sorgt. Russland erkauft sich unterdessen politische Unterstützung durch Lieferzusagen an wenig demokratische Länder – zu welchen Kosten für die Abnehmer, ist schwer einzuschätzen. Finanzstarke arabische Länder kopieren inzwischen die chinesische Agraraußenpolitik, indem sie sich große Flächen in Afrika sichern.

Unabhängig von solchen Unwägbarkeiten müssen sich die Landtechnikhersteller noch stärker auf die tatsächlichen Bedürfnisse ihrer Kunden einstellen und ihre Produkte entsprechend ausrichten – etwa, indem Maschinen durch Module je nach Bedarf und Finanzierbarkeit mit neuer Hard- und Software auch später noch aufgerüstet werden können.

Wie die Bereitschaft für die Nutzung von neuer Agrartechnologie überhaupt aussieht, zeigt eine 2022 durchgeführte Befragung der Experten von Mc Kinsey bei insgesamt 5.500 Landwirten in Asien, Europa, Nordamerika und Südamerika, wobei Viehhalter nicht berücksichtigt wurden. Die größte Offenheit für Agtech zeigten demnach die Bauern in Nordamerika und Europa, rund 61 Prozent nutzen bereits ein Agrartechnologieprodukt oder planten die Einführung solcher Systeme in den nächsten zwei Jahren. Allerdings war gut die Hälfte der Befragten unsicher, ob sie sich die Einführung neuer Technik rund ums Farmmanagement tatsächlich noch leisten werden können und ob das dann ihre Einkommenssituation verbessert.

Technik zu komplex

Ein weiteres großes Hindernis für die Einführung stellt bei etwa einem Drittel die Komplexität bei der Einrichtung und Verwendung der Produkte dar. Wer Angst hat, mit seinem neuen Traktor für 200.000 Euro erstmal die Schulbank drücken zu müssen, bis er damit auf den Acker kann, wird sich die große Ausgabe überlegen.

In Südamerika, wo die Märkte stark zwischen Großfarmen und Kleinbauern aufgeteilt sind, ist die Hälfte der Landwirte offen für Agtech, wobei das hauptsächlich die Gutverdiener sein dürften, die in ihren Vermarktungsketten international ausgerichtet sind. Bemerkenswert auch, dass das Vertrauen in die Technikanbieter von Kolumbien bis Feuerland eine große Rolle bei der Investition spielt. Neuem stehen die Südamerikaner kritisch gegenüber, vor allem, wenn dessen Nutzen von Online-Funktionen abhängt. Dass in den meist kleinteilig strukturierten Landwirtschaften in Asien nur neun Prozent überhaupt ein Agtech-Produkt nutzen oder dies planen, muss die Hersteller aufrütteln. Die gewaltigen Entwicklungschancen gehen mit der Notwendigkeit einher, den Bauern überhaupt den Nutzen der Technik zu erklären. Offensichtlich muss sich die Mechanisierung der Landwirtschaft erst einmal richtig in großen Teilen dieser Region entwickeln, bis zu Traktor und Pflug auch noch Wetterapps oder Satellitendaten über Bodenbeschaffenheit und notwendige Düngung von breiten Schichten akzeptiert und genutzt werden.

Global gesehen erfährt deshalb die relativ einfach einsetzbare Farm-Management-Software mit 21 Prozent die höchste Akzeptanz bei den Bauern, auf Platz 2 findet sich mit 15 Prozent die Nutzung von Fernerkundungs- und Präzisionslandwirtschafts-Hardware. Während auf der einen Seite wie jüngst auf der Klimakonferenz in Dubai die Landwirtschaft pauschal für schädliche Emissionen verantwortlich gemacht wird, ist die Akzeptanz der Bauern zur Nutzung von nachhaltigkeitsbezogenen Technologien (zum Beispiel Software und Hardware, die Kohlendioxidemissionen und -speicherung messen oder Bewässerungssysteme überwachen und optimieren) mit fünf Prozent erstaunlich gering. Auch Automatisierung und Robotik spielen noch eine ähnlich untergeordnete Rolle in der praktischen Anwendung.

Die McKinsey-Berater gehen deshalb für die nächsten zwei Jahre nur von einem geringen, im einstelligen Prozentbereich liegenden Wachstum der globalen Agtech-Märkte aus – was sich in der Tendenz mit den Erwartungen von Landtechnik-Marktführer John Deere deckt. In einer grundsätzlichen Technologiefeindlichkeit der Agrarier ist das nicht begründet, wohl mehr mit einer Investitionsmüdigkeit nach den Boomjahren für die Landtechnik. Der makroökonomische Rückenwind der globalen Rohstoffzyklen hat sich einfach abgeschwächt. 2021 erreichte das landwirtschaftliche Einkommen in vielen Regionen der Welt den höchsten Stand seit fast einem Jahrzehnt, auch 2022 war es nahe an Rekordhöhen. Nun hält etwa das US-Landwirtschaftsministerium eine Reduzierung der Farmeinkommen von der Ost- bis zur Westküste von bis zu 30 Prozent für 2023 für möglich. Sogar bei diesem Maximalminus wäre die Situation der Farmer noch gut, nur eben nicht mehr gut genug, um zusätzlich in neue, nicht langfristig erprobte Technologien zu investieren.

Ohne Agtech geht es nicht

Die Entwicklung der Agrartechnologie wird das nicht aufhalten. Denn die Zukunft der Landwirtschaft ist Technik. Auch wenn es für viele vielleicht schon abgedroschen klingt: Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) prognostiziert, dass bis 2050 weltweit 60 Prozent mehr Lebensmittel produziert werden müssen, um eine Weltbevölkerung von dann 9,3 Milliarden Menschen zu ernähren. Diese Herausforderung ist letztlich nur durch die Verschmelzung von Landwirtschaft und Technologie möglich, indem Agtech effizientere, nachhaltigere und produktivere landwirtschaftliche Praktiken ermöglicht. Gerade angesichts der Folgen des Klimawandels müssen Abläufe rationalisiert und die Art und Weise verbessert werden, wie die knapper werdenden Ressourcen wie Land und Wasser genutzt werden.

Ein entscheidender Technologietreiber ist dabei die Künstliche Intelligenz, kurz KI. Ins Bewusstsein der breiten Bevölkerung ist KI erst durch den Chatbot ChatGBT gekommen, der schon mit wenigen Vorgaben in der Lage ist, gut lesbare Texte zu erstellen. Was sich gut liest, muss aber noch lange nicht richtig und wahr sein, wie ChatGBT-Nutzer zunehmend feststellen dürfen. Doch bei der Agtech braucht es keine schönen Worte, hier zählen Fakten und Anwendungen, die ihre Ziele auch erreichen.

Grundlage der Agtech-KI sind deshalb Daten. Die werden zwar auch im Agrarbereich schon seit Jahren in unglaublichen Mengen gesammelt. Um sie wirklich nutzen zu können, braucht es aber die sogenannte Data Literacy. Der Begriff steht für die Fähigkeit, Daten auf kritische Art und Weise zu sammeln, zu managen, zu bewerten und zielgerichtet anzuwenden. Um das in überschaubarer Zeit und zu niedrigen Kosten zu schaffen, ist der Einsatz von KI notwendig. Angenehmer Nebeneffekt der KI-gestützten Data Literacy: Auch die Dokumentierung der Arbeit und der eingesetzten Stoffe wird vereinfacht, was angesichts der zunehmenden bürokratischen Auflagen für die Landwirtschaft echten Mehrwert schafft.

Dank KI dürfte die längst angekündigte Smart Farm eher Wirklichkeit werden. Im Zentrum der intelligenten Farm steht das Internet der Dinge (IoT), das Netzwerk miteinander verbundener Geräte, die miteinander kommunizieren und Daten austauschen. Zu den IoT-Geräten können Sensoren gehören, die Bodenfeuchtigkeit, Temperatur und Pflanzengesundheit überwachen, Drohnen, die Felder überwachen, oder sogenannte Wearables für Nutztiere, die die Tiergesundheit und das Fressverhalten verfolgen. Nicht zuletzt natürlich die klassische Landtechnik, nur dass etwa der Schlepper und Anbaugeräte einerseits Daten sammeln und gleichzeitig an anderer Stelle generierte Daten auf dem Feld sofort in praktische Arbeit umsetzen.

Nicht nur die großen Landtechnik-Hersteller bieten Teile dieses Gesamtsystems bereits an, wie beispielsweise Feldspritzen zeigen, deren Düsen über die gesamte Breite einzeln angesteuert werden können. Die verstärkte Anwendung von KI wird diese Entwicklung aber noch beschleunigen.

Zwei Geschwindigkeiten

Während also die Entwicklung neuer Technologien sogar noch zunehmen wird, dürften sich die Landtechnikmärkte in eine Welt der zwei Geschwindigkeiten aufteilen. Die schnelle wird von den großen Betrieben, die heute schon viel Agtech adaptiert haben, dominiert werden. Bei finanzstarken Agrargesellschaften und Lohnunternehmern lässt sich der Nutzen in Zeitgewinn, Kostenersparnis, geringeren Personalbedarf, vor allem aber besseren Ernten und damit größeren Gewinnen leichter skalieren als in einem Klein- oder Nebenerwerbsbetrieb.

Aber auch die „langsame“, eher weniger finanzstarke Welt wird sich ändern. Denn zunehmend drängen Anbieter von technisch eher einfachen Maschinen auch auf entwickelte Märkte wie Europa. Wenn der Preisunterschied zwischen einem Traktor aus China oder Indien zu dem aus europäischer Produktion mehr als den Wert eines Kleinwagens ausmacht, dürfte der ein oder andere Landwirt auf die Luxuskabine und den superbequemen Sitz verzichten, wenn der Schlepper aus Asien für seine Bedürfnisse auch seine Arbeit tut. Besonders, wenn dazu noch westliche Technik wie ein Großserienmotor aus amerikanischer oder italienischer Produktion mit der neuesten Abgasreinigung eingebaut ist.

Zudem darf nicht übersehen werden, dass auch Landwirte, die sich die neue Technik nicht leisten können oder ihr für eigene Investitionen noch kritisch gegenüberstehen, nicht gänzlich auf sie verzichten müssen. Schließlich bieten zum Beispiel Saatguthersteller zu vielen Züchtungen schon Kombipakete an, bei denen im Preis schon die Begleitung durch Feldkarten, Satellitendaten und entsprechende Dünge- und Pflanzenschutzempfehlungen während der Reifezeit enthalten sind. Auch die Agrarchemie setzt zunehmend auf solche Angebote. Die großen Agrarhändler wie die BayWa haben ebenso erkannt, dass über solche Dienste, vielleicht noch günstig im Abonnement, wenn schon nicht immer der Gewinn, dann mindestens die Kundenbindung stärken lassen.

Wie in viele anderen Bereiche der Industrie werden auch die Landtechnikhersteller deshalb nicht mehr nur Maschinenproduzenten sein, sondern Systemanbieter werden. Die Entwicklung solcher Systeme erfordert zwar große Investitionen, doch durch die in den vergangenen Jahren bereits getätigten Käufe oder Kooperationen von oder mit Start-ups, die zumindest in der Anfangsphase viel agiler und unkonventioneller denken und handeln können als große Konzerne, ist die Branche gut aufgestellt.

Ausgerechnet die Probleme und Krisen der jüngeren Zeit haben sich nämlich bei den meisten Big Playern positiv ausgewirkt. Die Lieferkettenschwierigkeiten der Corona-Pandemie haben zu kostensenkenden Restrukturierungen in der Produktion oder Lagerung geführt. Der Kostenfaktor Energie, besonders deutlich geworden durch die Knappheiten und Preisexplosionen zu Beginn des Überfalls Russlands auf die Ukraine, hat erstaunlich schnell zu Einsparungen durch Veränderungen in der Produktion geführt. Schließlich hat die deutlich gestiegene Inflation zwar die Input-Seite verteuert, gleichzeitig gelang es den Landtechnikern aber, höhere Preise bei den Kunden durchzusetzen. Und wie die Entwicklung der Gewinne der Konzerne in diesem Jahr zeigte, wurde der höhere Kapitaleinsatz durch bessere Verkaufspreise überkompensiert.

Überreagiert aber haben wohl die Aktienmärkte, die die Kurse vieler börsennotierter Unternehmen der Branche in Erwartung von sinkenden Umsätzen schon seit Monaten auf Talfahrt geschickt haben. Angesichts der sehr guten Gewinnsituation, die auch bei geringerem Absatz von Landtechnik zumindest im kommenden und wohl auch darauffolgenden Jahr nicht im selben Maße fallen wird, sind die Bewertungen nun definitiv auf einem fairen Niveau. Und die eine oder andere mögliche Sonderausschüttung von Dividenden in 2024 sollte Aktionäre bei der Stange bleiben lassen. Denn weiterhin gilt: Der Megatrend Agrar ist intakt.

Landmaschinenindustrie: Die Branche der zwei Geschwindigkeiten

Der Autor Carl Batisweiler

ist leitender Redakteur im FinanzenVerlag (Börsenmedien AG), der €uro am Sonntag, Börse Online und das Magazin €uro herausgibt. Er beschäftigt sich seit rund 25 Jahren mit den Agrarmärkten sowie den an ihnen beteiligten börsennotierten Unternehmen. 

Landtechnik-Aktien – Verschnaufpause nach der rasanten Bergfahrt

Die Börsen haben überreagiert, als sie die Aktien der Landtechnikhersteller seit dem Sommer auf Talfahrt geschickt haben – Die Konzerne haben ihre hohen Gewinne genutzt, um in Zukunftstechnologien zu investieren und ihre Produktion weiter zu automatisieren – Auch bei geringerem Absatz wird weiterhin gutes Geld verdient werden – Der Megatrend Agrar ist intakt.

Informationen – Was bedeuten die Empfehlungen?

Bei „Halten“ ist eine Entwicklung des Aktienkurses nahe der allgemeinen Entwicklung der Aktienmärkte zu erwarten.
Bei „Kaufen“ wird eine überproportionale Steigerung des Aktienkurses zu den breiten Aktienindizes erwartet.
„Zielkurs“ ist der Kurs, den die Aktie nach Analysten und anderen Experten auf Sicht von zwölf Monaten erreichen sollte.
„Verkaufen“: Der Kurs der Aktie wird sich schlechter als der breite Markt und nach unten entwickeln.
„Stoppkurs“: Damit sichern sich Anleger gegen allzu große Verluste ab. Fällt der Kurs auf oder unter die Marke, ist eine Neubetrachtung der Wertpapieranalyse notwendig, ein Verkauf meist geboten.
„ISIN“: Nummer des Wertpapiers für den Handel an der Börse.
Aktuelle Informationen im Internet unter www.finanzen.net.
Eine Haftung wird nicht übernommen. Die Informationen stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.
Kursstand 11.12.2023, 10.00 Uhr

Deere & Co (John Deere)

Der springende Hirsch, das Markensymbol der Nummer 1 der Landtechnikbranche weltweit, wird im kommenden Jahr wohl etwas magerere Weidegründe vorfinden. Doch mit dem Geschäftsjahr 2022/23, das mit dem Oktober endete, zeigte sich Deere & Co noch einmal bestens genährt. Fast 16 Prozent Umsatzplus bedeuteten schließlich 55,57 Milliarden US-Dollar, auch wenn das letzte Quartal mit minus 3,8 Prozent schon die künftige Entwicklung andeutete. Der Nettogewinn des Gesamtjahres aber legte ein gewaltiges Wachstum hin: Die 9,3 Milliarden Dollar entsprechen einem Plus von 43 Prozent. Zu verdanken war das erfolgreichen Preiserhöhungen bei gleichzeitigen Kostensenkungen, die durch die Restrukturierungen der vergangenen Jahre möglich waren. Mit dem Umsatzausblick für die bereits angelaufenen zwölf Monate outete sich Deere-Boss John C. May als Schwarzmaler für die gesamte Branche. In der Sparte Bau und Forst sieht er minus zehn Prozent beim Umsatz, kleine Traktoren und Rasengeräte sollen sich um zehn bis 15 Prozent schlechter verkaufen, bei den großen Schleppern, Mähdreschern sowie passender Hard- und Software für Precision Farming und großem Gerät für den Bau seien Umsatzeinbußen zwischen 15 und 20 Prozent zu erwarten. Angesichts von fast 20 Prozent Kursabschlag binnen eines Jahres bei deutlich verbesserter Gewinnsituation wäre der düstere Ausblick in der Börsenbewertung eigentlich schon eingepreist. Deere-Aktionäre sollten den Stoppkurs dennoch nach unten anpassen, für ein Neu-Investment ist es besser, die Ergebnisse des Frühjahrs abzuwarten.

ISIN: US2441991054
Kurs: 339,10 Euro
Ziel: 425,00 Euro
Stopp: 275,00 Euro

Landmaschinenindustrie: Die Branche der zwei Geschwindigkeiten

Agco (Fendt, Massey Ferguson, Valtra, Challenger)

Als Eric Hansotia noch Manager bei Deere & Co war, kümmerte ihn vor allem das weltweite Massengeschäft. Doch seit er im Januar 2021 das Amt des Präsidenten und CEO von AGCO übernommen hat, findet er besonderen Geschmack an der Profilandwirtschaft – und den hohen Margen, die mit den Hightech-Geräten zu erwirtschaften sind. So unterstützt er besonders die Expansion der Marke Fendt auf dem amerikanischen Süd- und Nordkontinent, wo Großfarmer zunehmend Interesse an den Maschinen Made in Germany finden. Allerdings wird auch in diesem Bereich die Luft immer dünner, vor allem in den USA. Von Juli bis September lief es für den Konzern aus Duluth, Georgia, aber noch einmal richtig gut. Der Umsatz in Südamerika stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 26 Prozent, im Raum Asien/Pazifik/Afrika um rund 17 Prozent, selbst Europa mit dem Mittleren Osten legte um mehr als 14 Prozent zu, nur Nordamerika schwächelte mit mageren 3,4 Prozent Plus. Insgesamt setzte Agco mit 3,46 Milliarden Dollar 10,7 Prozent mehr als im dritten Quartal 2022 um. Viel wichtiger ist aber die Gewinnentwicklung: Je Aktie standen 3,97 Dollar zu Buche, gut ein Viertel mehr als in Q3/2022. Für das Gesamtjahr 2023 erwartet AGCO einen Nettoumsatz von 14,7 Milliarden US-Dollar (2022: 12,6 Milliarden Dollar). Das Zwölf-Monats-Minus von fast 16 Prozent beim Aktienkurs ist selbst bei eingetrübten Aussichten für 2024 keineswegs gerechtfertigt, die Aktie ist nun sehr günstig. Kaufen.

ISIN: US0010841023
Kurs: 108,45 Euro
Ziel: 140,00 Euro
Stopp: 93,00 Euro

Landmaschinenindustrie: Die Branche der zwei Geschwindigkeiten

CNH Industrial (Case IH, New Holland, Steyr)

Die einst aus dem Fiat-Konzern als CNH Industrial ausgegliederte Bau- und Landmaschinensparte enttäuscht Aktionäre weiterhin. Während die inzwischen eigenständig notierte Brummiproduktion als Iveco auf Sicht von zwölf Monaten ihren Wert um ein Fünftel gesteigert hat, fährt die sogenannte Off-Highway-Sparte weiter in den Graben. Mehr als ein Drittel Wertverlust steht bei den Eigentümern in dieser Zeit zu Buche. CNH-Chef Scott Wine verwies bei der Vorstellung der Quartalszahlen Anfang November zwar darauf, dass der bereinigte Gewinn je Aktie für das Gesamtjahr bei 1,70 US-Doller weiterhin das Ziel ist, doch in einem Umfeld, in dem die Wettbewerber noch zweistellig bei Umsatz und Gewinn zulegen konnten, sieht es bei CNH mager aus: Mit 16,1 Milliarden US-Dollar nur 5,7 Prozent mehr Umsatz, beim Nettogewinn steht zwar mit 1,75 Milliarden Dollar ein Plus von rund 22 Prozent an, doch nach den längst laufenden Restrukturierungen sollte dieser Wert viel höher sein. Da nutzt es auch nichts, wenn Scott Wine auf „Rekordmargen in unseren Segmenten Landwirtschaft und Bau“ verweist. Immerhin hat CNH einige vielversprechende Investitionen in Precision Farming und andere neue Technologien getätigt, bis diese sich in barer Münze auszahlen, wird es jedoch noch dauern. Auch wenn die Aktie bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von weniger als 7 nun sehr günstig aussieht, sollte ein Investment erst nach einer klaren Trendwende beim Aktienkurs sowie den Geschäftsergebnissen überlegt werden.

ISIN: NL0010545661
Kurs: 10,25 Euro
Ziel: –
Stopp: –

Landmaschinenindustrie: Die Branche der zwei Geschwindigkeiten

Kubota (Kubota, Kverneland, Escorts)

Die faktische Übernahme des indischen Landtechnikherstellers Escorts zahlt sich für Kubota aus. Die Japaner meldeten für ihr neues Unternehmen im Sommerquartal einen Gewinnsprung von 93 Prozent auf umgerechnet 34,4 Millionen US-Dollar im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Wer genauer hinschaut, sieht jedoch, dass nicht ein Boom bei den Escorts-Traktoren, die künftig mit günstigen Kubota-Modellen eine Plattform teilen sollen, zum diesem Erfolg führte, sondern die Baumaschinen- und Eisenbahnsparte von Escort, die im Paket miterworben wurde. Der Schlepper-Absatz in Indien hingegen stagnierte, die Sparte konnte den Gewinn dennoch um ein Drittel steigern. Auf den Gesamtkonzern mit Baumaschinen, Bewässerungsanlagen und Landtechnik gesehen, ging es etwas langsamer bergauf: Im dritten Quartal bis Ende September fiel ein Umsatzplus von etwa sechs Prozent auf umgerechnet 4,65 Milliarden Euro an. Auf neun Monate gesehen liegt der Umsatz mit umgerechnet 14 Milliarden Euro um fast 16 Prozent im Plus, der Gewinn zog deutlich um 36 Prozent an. Landtechnik und Baumaschinen machen nun schon fast 90 Prozent des Kubota-Geschäfts aus. Und auch, wenn die wichtigen US-Umsätze mit den kleineren Traktoren zuletzt schwächelten, profitiert Kubota insgesamt durch sein starkes internationales Business vom schwachen Yen. Der volatile Aktienkurs im Seitwärtstrend spiegelt die Chancen Kubotas nicht wider, auf Sicht von sechs Monaten sollten 15 Euro möglich sein. Kaufen.

ISIN: JP3266400005
Kurs: 12,96 Euro
Stopp: 11,50 Euro
Ziel: 18,00 Euro

Landmaschinenindustrie: Die Branche der zwei Geschwindigkeiten

Bucher Industries (Kuhn Group)

Weil beim Schweizer Mischkonzern die Landtechnik mit der Kuhn Group fast die Hälfte des Geschäfts ausmacht, fielen die Ergebnisse nach neun Monaten nicht wie noch im Sommer erwartet aus. Beim Gesamtumsatz war es mit 2,73 Milliarden Schweizer Franken nur noch ein Plus von 4,1 Prozent. Deutlicher zeigt sich die Entwicklung beim Auftragseingang: Er sank im Konzern um 17 Prozent auf 2,44 Milliarden Franken. Ausgerechnet der Landtechnikmarkt schwächelt bei den Eidgenossen, der Kuhn-Umsatz sank bis September um 0,8 Prozent, der Auftragseingang ging im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sogar um ein Drittel zurück. Der Grund dafür seien gesunkene Preise für Agrarerzeugnisse und die Trockenheit in verschiedenen Gebieten gewesen, heißt es. Die anderen Sparten – Emhart Glas mit der Verpackungsproduktion, Hydraulics als Industriezulieferer und Municipal mit Kommunalmaschinen wie etwa Kehrgeräten – waren noch nicht so betroffen. Glas und Specials (Maschinen für Getränkeproduktion) legten sogar um 12,5 bzw. 19,5 Prozent zu. Für das Gesamtjahr wird ein Gesamtumsatz auf Vorjahresniveau erwartet, beim Gewinn soll sogar ein leichtes Plus in den Büchern stehen. Der Kurs hat sich den Aussichten für 2024 zwar schon angepasst, die Aktie ist aber weiter nur eine Halteposition.

ISIN: CH0002432174
Kurs: 363,00 Euro
Ziel: 400,00 Euro
Stopp: 355,00 Euro

Landmaschinenindustrie: Die Branche der zwei Geschwindigkeiten

Mahindra & Mahindra

Was die schiere Zahl an verkauften Traktoren angeht, ist der indische Konzern wohl die Nummer 1 weltweit. Allein im November waren es rund 31.000 Schlepper, sechs Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Der Landtechnikmarkt auf dem Subkontinent vom Himalayagebirge bis hinunter zu den Tropen ist allerdings recht volatil. Im Oktober lieferte Mahindra 49.336 Traktoren aus (minus 5,1 Prozent), im September waren es 42.034 (minus elf Prozent), im August kauften Indiens Bauern zwar nur knapp 21.000 Mahindras, das waren aber zwei Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Im Gesamtkonzern ist das gerade zweistellige Wachstum der Landtechnikumsätze aber bescheiden, die Absätze der Nutzfahrzeugsparte oder der Verkauf der SUV-Autos legten sogar um die 30 Prozent zum Vorjahr zu. Absicherung des Geschäfts bieten Informationstechnologie und Finanzdienstleistungen, erneuerbare Energien, Landwirtschaft (Dünger, Saatgut), Logistik, Gastgewerbe und Immobilien. Wer vor sechs Monaten auf die Aktie gesetzt hatte, darf immerhin fast zehn Prozent Kursplus verbuchen, mit rund 130 Prozent Plus in drei Jahren kann keine reine Landtechnik-Aktie mithalten. Wer das Papier schon hat, sollte es auch im Depot belassen, die Chance auf steigende Kurse bei Mahindras Produktmix ist angesichts des indischen Wirtschaftswachstums viel größer als ein starker Einbruch. Und Mutige steigen jetzt noch ein.

ISIN: USY541641194
Kurs: 18,80 Euro
Stopp: 13,00 Euro
Zielkurs: 21,00 Euro

Landmaschinenindustrie: Die Branche der zwei Geschwindigkeiten

Wacker Neuson (Weidemann, Kramer)

Das laufende Geschäftsjahr des Münchner Baumaschinenherstellers mit starker Landtechniksparte dürfte sowohl beim Umsatz wie beim Gewinn mit Rekordwerten enden. Der Aktienkurs des nach wie vor von zwei Eigentümerfamilien dominierten Unternehmens jedoch ist weit von seinem Top im Januar 2018 bei 28 Euro entfernt. Nicht einmal die 24,80 Euro aus dem Sommer hielten, obwohl auch die Neun-Monats-Zahlen alles andere als enttäuschend waren. Der Umsatz lag mit rund zwei Milliarden Euro fast 23 Prozent über dem Vorjahreszeitraum, die Ebit-Marge war von 8,8 auf 11,9 Prozent gestiegen, das Ergebnis je Aktie lag um mehr als 66 Prozent über dem Stand vom Herbst 2022. Da hatten noch Lieferkettenprobleme Produktion und Absatz deutlich beeinträchtigt. Zwar wird die ständig vergrößerte Produktpalette bei Akku-Baugeräten oder E-Ladern vom Markt sehr gut angenommen, doch weil die Branchenstimmung sowohl im Bereich Bau wie in der Landtechnik ins Negative gedreht hat, nahm die Börse eine Verlangsamung des Wachstums bei Wacker Neuson – und nichts anderes wird erwartet – überproportional voraus. Die Mehrheit der Analysten spricht sich trotzdem für einen Kauf der Anteilsscheine aus. Die Aktie ist günstig, die Dividendenrendite mit mehr als sechs Prozent sehr attraktiv. Mutige Investoren kaufen jetzt, sonst eine klare Trendwende beim Aktienkurs in Richtung 20 Euro abwarten.

ISIN: DE000WACK012
Kurs: 17,42 Euro
Stopp: 15,00 Euro
Ziel: 6,00 Euro

Landmaschinenindustrie: Die Branche der zwei Geschwindigkeiten

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