Zweistelliges Wachstum im Vergleich zum Vorjahr

Engpässe bei der Beschaffung von Reifen, Elektronik- und Hydraulikteilen sowie Bandstahl sorgen für Bremsspuren – Dr. Bernd Scherer, Geschäftsführer des VDMA Landtechnik, im eilbote-Konjunkturgespräch

VDMA Landtechnik: Zweistelliges Wachstum im Vergleich zum Vorjahr

Die Landtechnikindustrie sieht sich mit Kostensteigerungen bei Rohstoffen und der Teilebeschaffung konfrontiert.

VDMA Landtechnik: Zweistelliges Wachstum im Vergleich zum Vorjahr

Dr. Bernd Scherer: „Die Erfolgswelle dürfte uns auch im ersten Halbjahr 2022 weiter tragen.“

eilbote: Herr Dr. Scherer, im Jahr 2020 erreichten die deutschen Landmaschinenunternehmen einen Umsatz von 9 Mrd. Euro. Das war bereits ein Zuwachs von fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ihre Prognose im ersten Quartal dieses Jahres ging von weiteren fünf Prozent Wachstum für 2021 aus. Gute Erzeugerpreise beleben die Nachfrage. Legen Sie für 2021 noch ein paar Prozent auf Ihre Schätzung drauf?

Dr. Bernd Scherer: Wir erleben augenblicklich auf nahezu allen Schlüsselmärkten in Europa und der Welt eine ausgesprochen dynamische Nachfragesituation. Innovative Agrartechnik, Softwaresysteme und Services sind gefragt wie selten zuvor – eine im Vergleich zu anderen Industrien überaus erfreuliche und komfortable Lage. Schließlich haben viele andere Branchen mit anhaltenden pandemiebedingten Verwerfungen zu kämpfen, die das Agribusiness und seine vor- und nachgelagerten Sektoren aufgrund ihrer Systemrelevanz deutlich weniger tangieren.

Die wieder gestiegenen Erzeugerpreise spielen für die Investitionsfähigkeit der Landwirte und Lohnunternehmer zweifellos eine nennenswerte Rolle, gleichwohl wir auch hier naturgemäß keine vollkommen homogene Entwicklung beobachten. Bei den Weizenpreisen spielt die immense chinesische Nachfrage eine sehr bedeutende Rolle, zumal in Europa und der Schwarzmeerregion eher schwache Ernten zu konstatieren waren. Weniger spektakulär, da nicht so stark börslich gehandelt, stellt sich die Situation auf den Milchmärkten dar. Von den negativen Auswirkungen von Corona auf die Rohstoff- und Produktpreise war beispielsweise die Milch betroffen.

Insgesamt gesehen, rechnen wir binnen Jahresfrist mit einer anhaltend positiven Entwicklung des landtechnischen Produktionsvolumens, das im Vergleich zum Vorjahr zweistellig wachsen dürfte. Angesichts stockender Lieferketten hat die Sache allerdings auch eine manifeste Kehrseite: In der Teilebeschaffung und -logistik ist die Industrie mit zum Teil empfindlichen Kostensteigerungen konfrontiert. Hinzu kommt, dass sich auch der Produktionsprozess spürbar verteuert, wenn einzelne Fertigungsschritte aufgrund des Teilemangels Nacharbeit erforderlich machen.

Aktuell belasten Meldungen über Probleme mit Lieferketten, zum Beispiel von Kunststoffgranulat, Halbleitern, Stahl die Produktion, die laut CEMA-Barometer einen Vorlauf von bis zu 4,8 Monaten aufweist. Wie stark dämpft dies und die langen Lieferzeiten die Erwartungen Ihrer Mitgliedsunternehmen? In welchen Zulieferbereichen gibt es die größten Schwierigkeiten in unserer Branche?

Die bereits angesprochene Lieferkettenproblematik ist zweifellos eine übergreifende Herausforderung, die derzeit nahezu sämtliche Industriezweige rund um den Globus umtreibt. Waren die unsere Branche betreffenden Friktionen im vergangenen Jahr maßgeblich regionalen Lockdowns in Italien und China geschuldet, so sind die momentanen Lieferschwierigkeiten eng mit dem Restart zahlreicher anderer Industrien verknüpft. Für die Landmaschinen- und Traktorenhersteller sind Engpässe bei der Beschaffung von Reifen, Elektronik- und Hydraulikteilen sowie Bandstahl zurzeit die drängendsten Probleme.

Angesichts der florierenden Auftragslage in der Landtechnikindustrie erzeugen externe Effekte dieser Art natürlich unschöne Bremsspuren. Wie stark diese ausfallen werden, werden die kommenden Wochen zeigen. Ein Lichtblick bleibt allerdings: Was jetzt nicht umgesetzt werden kann, wird im kommenden Jahr umgesetzt werden. Ohne diesen Verschiebungseffekt fiele die gegenwärtige Hausse insofern noch merklich höher aus.

Wie entwickelte sich 2021 der Inlandabsatz im Verhältnis zum Export? Welche Länder waren die größten Nachfrager?

Sowohl der Inlands- als auch der Exportumsatz liegen im laufenden Jahr deutlich im Plus. Die stärkeren, weil signifikant zweistelligen Wachstumsimpulse kommen allerdings aus dem Ausland. Die größten Nachfrager außerhalb Europas sind aktuell Nordamerika und Russland; in Kerneuropa bewegen sich die Verkäufe nach Italien und Österreich auf einem hervorragenden Niveau, während in Zentraleuropa sowie in unserem wertmäßig bedeutendsten Absatzmarkt Frankreich eine ordentliche Performance zu konstatieren ist.

Wie ist das Verhältnis Traktoren zu Geräten? Welche Impulse brachte die sogenannte „Bauernmilliarde“ bei den Investitionen?

Das globale Traktorengeschäft profitiert dieser Tage von einer Ausnahmeentwicklung in nahezu allen Segmenten, womit es angesichts seines großen Anteils am landtechnischen Umsatzvolumen einen ganz zentralen Erfolgsbeitrag liefert.

Auf Geräteebene erleben wir dagegen eine Entwicklung mit großer Spannbreite zwischen ordentlicher und sehr guter Performance. Die sogenannte ‚Bauernmilliarde‘ hat die Landmaschineninvestitionen gewissermaßen in spezifische Segmente kanalisiert, weshalb wir in der Pflanzenschutz- und Düngetechnik momentan besonders spürbare Zuwächse registrieren.

Wie ist Ihr mittelfristiger Ausblick?

Die ausgesprochene Dynamik des Marktumfeldes, in dem wir uns derzeit bewegen, macht Prognosen zunehmend schwieriger. Für das Gesamtjahr 2021 rechnen wir, ungeachtet aller logistischen Herausforderungen, mit einem außergewöhnlich guten Jahresabschluss. Wirft man einen Blick auf die aktuellen Auftragseingänge, so dürfte uns diese Erfolgswelle auch im ersten Halbjahr 2022 weiter tragen, da die Bücher nahezu überall schon jetzt gefüllt sind.

Die Fragen stellte Bernd Pawelzik


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