Die „drei großen Wetten“ sind nicht aufgegangen

Deutsche Wirtschaft schwächelt – Den Blick nach vorn richten, statt „Industrien von gestern“ zu erhalten

Agrarfinanztagung: Die „drei großen Wetten“ sind nicht aufgegangen

Auf der Agrarfinanztagung des DBV und der Rentenbank.

Eine ausgeprägte Wachstumsschwäche hat der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Prof. Moritz Schularick, der deutschen Wirtschaft attestiert. Das Land habe sich auf „drei große Wetten“ verlassen, so der Ökonom auf der Agrarfinanztagung des Deutschen Bauernverbandes (DBV) und der Landwirtschaftlichen Rentenbank am 9. April in Berlin. Man sei davon ausgegangen, dass russisches Gas als günstige Brückentechnologie für die Klimatransformation verfügbar sei, dass die Globalisierung dauerhaft als Exportmotor diene und dass die USA langfristig für Sicherheit sorgten. „Keine dieser Wetten ist aufgegangen“, stellte der Ökonom fest. Obendrein stehe Deutschland inzwischen vor einer Reihe struktureller Probleme: der demografische Wandel, ein „grotesker“ Rückstand bei der Digitalisierung sowie ein wachstumshemmender Wohnungsmangel.

Deutsche Politik „schlafwandelt“

Als „weniger ausschlaggebend“ bezeichnete der Ökonom hingegen die gestiegenen Energiekosten. Von allen Problemen sei dieses am ehesten in den Griff zu bekommen, auch durch den ambitionierten Ausbau der erneuerbaren Energien. Für den Großteil der Branchen mache Energie ohnehin nur einen geringfügigen Anteil bei den Produktionskosten aus. Deutlich besorgniserregender sei dagegen die geopolitische Lage. Schularick warf der deutschen Politik vor, sie „schlafwandele“ nach wie vor angesichts der militärischen Bedrohung durch Russland. Gerade für den Fall, dass bei der kommenden US-Präsidentenwahl Donald Trump wiedergewählt werde, stünde in Deutschland eine enorme Erhöhung der Verteidigungsausgaben an.

Verändern statt Bewahren

Laut Schularick muss Deutschland statt auf „Bewahren“ auf „Verändern“ setzen. In Gesellschaft und Wirtschaft werde jedoch bislang eine „grundkonservative“ Diskussion darüber geführt, wie man klassische Wirtschaftszweige entgegen den Marktsignalen durch Subventionen erhalten könne. Stattdessen sollte „der Blick nach vorn“ gerichtet werden, wie Deutschland zur „grünen Industrienation Nummer 1“ sowie zur „Digitalnation“ werden könne, mahnte der Ökonom. Eine „gezielte Industriepolitik“ hält der IfW-Präsident für sinnvoll, um dieses Ziel zu erreichen. Allerdings müsse darauf geachtet werden, dass das Geld nicht für den Erhalt von „Industrien von gestern“ ausgegeben werde.


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