Regen bremst die Mähdrescher aus

Winterraps steht dem DBV zufolge noch auf rund 50 Prozent der Anbaufläche auf dem Halm – Wir sprachen mit Mähdruschexpertin Dr. Andrea Feiffer, Feiffer Consult, Erfurt, über den aktuellen Ernteverlauf.

Interview mit Dr. Andrea Feiffer, Feiffer Consult: Regen bremst die Mähdrescher aus

Die laufende Getreideernte ist herausfordernd für Mensch und Maschine.

In Deutschland stockt es mit der Getreide- und der Rapsernte. Wie der Deutsche Bauernverband (DBV) im Rahmen seiner „2. Ernteschätzung“ mitteilt, haben in vielen Teilen des Bundesgebiets die reichlichen Niederschläge der zurückliegenden 14 Tage dafür gesorgt, dass die Mähdrescher oft auf dem Hof stehen bleiben mussten. Während die Ernte der Wintergerste weitestgehend habe abgeschlossen werden können, seien bei Weizen, Roggen und Triticale erst ein knappes Fünftel der Anbauflächen gedroschen, berichtete der DBV letzte Woche Donnerstag in Berlin.

Allenfalls durchschnittliche Ergebnisse bei Weizen und Roggen

Für diese Flächen deutet sich nach Angaben des Bauernverbandes ein allenfalls durchschnittliches Ernteergebnis an. Für die nächsten Wochen brauche es dringend eine stabilere und vor allem trockene Wetterlage. Auch der Winterraps steht dem DBV zufolge noch auf rund 50 Prozent der Anbaufläche auf dem Halm. Die bisher vorliegenden Zahlen deuteten nach wie vor auf eine leicht unterdurchschnittliche Rapsernte hin. Zahlen zu den Erntemengen nannte der Verband in seiner Pressemitteilung aber nicht.

Erste Ernteschätzung schon deutlich unter Vorjahresmenge

Bei seiner ersten Ernteschätzung für 2023 hatte der DBV das Getreideaufkommen inklusive Körnermais auf 40,9 Mio. Tonnen taxiert; das wären 2,7 Mio. Tonnen oder 6 Prozent weniger als im vergangenen Jahr. Auch der Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2022, der bei 42,2 Mio. Tonnen liegt, würde demnach klar unterschritten. Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) hatte Ende Juni die Getreideernte noch auf 42,0 Mio. Tonnen veranschlagt.

Im Einzelnen erwartete der Bauernverband Anfang Juli eine Erntemenge von 20,59 Mio. Tonnen Winterweizen, verglichen mit 22,21 Mio. Tonnen im Vorjahr. Die diesjährige Erzeugung von Rapssaat bezifferte er auf 4,12 Mio. Tonnen; das wären trotz deutlich größerer Fläche 170.000 Tonnen weniger als im Jahr zuvor. Seine Schätzung für das Aufkommen an Wintergerste korrigierte der DBV aber in der zweiten Julihälfte um fast 500.000 Tonnen auf 9,5 Mio. Tonnen nach oben; das wären 800.000 Tonnen mehr als 2022.

Wir sprachen mit Mähdruschexpertin Dr. Andrea Feiffer, Feiffer Consult, Erfurt, über den aktuellen Ernteverlauf.

Interview mit Dr. Andrea Feiffer, Feiffer Consult: Regen bremst die Mähdrescher aus

Dr. Andrea Feiffer äußert sich zur aktuellen Ernte.

Hohe Niederschlagsmengen in Teilen Deutschlands beeinträchtigen die Getreideernte in Teilen Deutschlands. Die Nässe verhindert die Ernte, die Befahrbarkeit der Böden ist teilweise schlecht, Qualitäten leiden. Wir fragten die Mähdruschexpertin Dr. Andrea Feiffer nach den Herausforderungen dieser Mähdruschernte.

eilbote: Frau Dr. Feiffer, wie ist der Stand der aktuellen Raps- und Getreideernte in Deutschland? Wie nervös sind die Landwirte und Landwirtinnen? 

Dr. Andrea Feiffer: Die höchste Nervosität ist wahrscheinlich bei den Landwirten in Mittel- und Norddeutschland zu spüren. Der Süden ist weiter fortgeschritten mit der Ernte. Der Norden fängt später an und hat aber teilweise noch den ganzen Raps vor sich. In manchen Regionen sind in den letzten zehn Tagen mehr als 100 Liter runtergekommen. Da geht in den nächsten Tagen nichts, der Wetterbericht lässt da nicht hoffen. Durch den verlangsamten Jetstream halten Extremwetterlagen wie Hitze, Trockenheit, aber auch Niederschläge länger an.

Bei uns im Norden liegt auf einigen Schlägen schon ein schwarzer Schimmer. Wie bedrohlich sind Pilze und wie gefährlich ist Lager? Wie verhält es sich mit den Qualitäten?

Schwärzepilze sind von allem Kummer der kleinste, weil sie für Ertrag und Qualität nicht mehr relevant sind. Sie haben die bereits reifen Spelzen befallen, sehen zwar bedrohlich aus, führen aber nicht zu Einbußen. Das ist anders, wenn sie die Pflanzen in der ertragsbildenden Phase befallen. Insgesamt sieht es mit den Qualitäten ziemlich schlecht aus. Die hohe Feuchte stimuliert die Keimfreude, und das Korn beginnt mit Umlagerungsprozessen noch auf dem Halm, was normalerweise erst nach der Aussaat passiert. Dadurch sinken die Fallzahlen, und das Getreide kann nur noch als Futter verkauft werden. Manche Betriebe haben noch 90 Prozent Weizen im Feld und wissen, dass sie nur noch Futter erzeugen mit deutlich geringeren Preisen. Starkregen und Sturm haben viele Bestände umgelegt. Bei der hohen Bodenfeuchte kann man die Qualität abschreiben. Manche Pflanzen keimen, und die Ähren wachsen bereits am Boden wieder fest. Auch das Dreschen wird schwierig, es lässt sich mit dem Schneidwerk schlecht aufnehmen.

Ab welchem Feuchtegehalt empfehlen Sie den Drusch, wie lange muss es dafür trocken bleiben? Was ist bei der Mähdreschereinstellung zu beachten?

Im Moment sind die Bestände klatschnass und gehen, auch wenn man wollte, nicht durch den Mähdrescher. In normalen Jahren rechnet man mit einem Zwischentag zum Trocknen nach einem ergiebigen Regen. Vorausgesetzt es herrscht keine Windstille und der Tag hat Temperaturen über 20 Grad. Unter den jetzigen Bedingungen würde ich die Wartezeit als doppelt so lange ansehen, weil bei der Verdunstung die Bodenfeuchte mit aufsteigt. Aber die Landwirte sind nervös und wollen los. Manche werden im Hochschnitt anfangen und das Schneidwerk einige Zentimeter weiter aus den feuchteren, unteren Abschnitten heraushalten und dann mit zunehmender Trocknung das Schneidwerk wieder tiefer führen. Die Flächen mit längeren Stoppeln kann man mulchen. Die Mähdreschereinstellung ist bei feuchtem Getreide generell intensiver. Also höhere Trommel/Rotordrehzahlen, mehr Wind, weitere Siebe. Die Druschverluste muss man stärker im Blick haben.

Welche Lehren sollten wir aus diesem feuchten Erntejahr für die Mechanisierung ziehen? Wenn große Drescher, dann mit Raupenlaufwerken? Oder kleinere leichtere Drescher für flexiblen Einsatz?

Ich sehe einen bisher ungebrochenen Trend hin zu größeren, leistungsstärkeren  Mähdreschern. Das wird auch noch eine Weile anhalten, denn es hat ja seinen Charme – weniger Maschinen, weniger Fahrer. Auch die Ausrüstung mit Raupenlaufwerken ist bei schwerer werdenden Maschinen ansteigend und wegen der Bodenschonung sinnvoll. Man kann bei Kaufentscheidungen meist das vorangegangene Erntejahr ablesen – viel Feuchtigkeit: mehr Raupe und großzügigere Bemessung der Mähdrescherkapazität. 

Welche Strategien oder Technologien sollten Landwirte nutzen, um das Getreide nach der Ernte optimal zu trocknen und zu lagern und so Qualitätsverluste zu minimieren?

Wer einlagern kann, ist deutlich im Vorteil, denn der schlechteste Zeitpunkt, sein Getreide zu verkaufen, ist direkt nach der Ernte. Da sind im langjährigen Mittel die Preise am niedrigsten. Wer einlagert, kann sein Erntegut mit einer Strategie schrittweise vermarkten, um das Preisrisiko zu minimieren. Ab 14,5 Prozent kann Getreide im Lager mit Außenluft belüftet werden, um den Getreidestapel bei 10 bis 12 Grad gesund zu erhalten. Aber gerade in Jahren mit hoher Erntefeuchte ist es schwierig, die Partien gut zu führen, um Schimmel und Lagerschädlingen die Existenzbedingungen zu entziehen. Es muss ständig die Temperatur geprüft werden und genau nach Belüftungstabelle belüftet werden. Wenn die Witterungsaussichten instabil bleiben, werden viele Landwirte auch bei höheren Kornfeuchten anfangen zu dreschen. Bei den Energiepreisen wird die Rücktrocknung teuer. Hier muss man abwägen.

Wie können sich moderne Mähdrescher an variierende Bedingungen während der Ernte anpassen? Gibt es spezielle Funktionen oder Technologien, die insbesondere dabei helfen, bei hohen Feuchtigkeitsbedingungen effizient zu ernten, und wie könnten diese in der Praxis eingesetzt werden?

Ich sehe die Anpassung auf Extremjahre weniger auf der Seite der Technik, sondern eher auf der Seite der Technologie. Welche Sorten passen zu meinen Standorten, um auch mit Trockenheit zurecht zu kommen, wie ziehe ich die Ernte mit unterschiedlichen Druschfrüchten in der Reife auseinander, um das Ernterisiko zu streuen, wird während der Fahrt abgebunkert, um die Mähdrescherleistung um 20 Prozent zu erhöhen, genehmige ich mir statt 0,5 doch besser ein Prozent Druschverlust, um die Mähdrescherleistung zu steigern? Ist meine Mähdrescherkapazität ausreichend bemessen oder verlasse ich mich auf den Klimawandel mit heißen Erntesommern, welchen Dienstleister, Nachbarn kann ich binden, um mir aushelfen zu lassen? Wann und wie verkaufe ich mein Getreide usw.? Und natürlich sind alle fahrerentlastenden Automatisierungslösungen kein hinausgeworfenes Geld. Ansonsten haben Mähdrescher heute mit hohen Motorleistungen, gutem Durchzugsvermögen, großen Abscheideflächen generell ein gutes Potenzial auch für extreme Ernten.

Die Fragen stellte Bernd Pawelzik am 4. August 2023


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