Nach Einschätzung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bestehen aus wissenschaftlicher Sicht keine Bedenken gegen eine erneute Zulassung des Herbizidwirkstoffs Glyphosat. Bei der Risikobewertung der Auswirkungen von Glyphosat „auf die Gesundheit von Menschen und Tieren sowie auf die Umwelt wurden keine kritischen Problembereiche festgestellt“, konstatiert die Behörde in ihrem letzte Woche vorgestellten Bericht zu dem politisch strittigen Pflanzenschutzmittel. Ein Problem wird der EFSA zufolge als kritisch definiert, wenn es allen vorgeschlagenen Einsatzmöglichkeiten und somit einer Genehmigung oder deren Erneuerung entgegensteht. Im Klartext bedeutet die Bewertung durch die Behörde in Parma, die hier federführend ist, dass bei fachgerechter Anwendung nichts gegen Glyphosat spricht.
Laut der EFSA ist in das jetzige Ergebnis auch die Bewertung der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) aus dem Vorjahr eingeflossen. Die EU-Agentur in Helsinki hatte bekanntlich festgestellt, dass die wissenschaftlichen Kriterien für eine Einstufung als karzinogener, mutagener oder reproduktionstoxischer Stoff nicht erfüllt sind.
Die Experten in Parma räumen allerdings ein, dass nicht alle Fragen abschließend hätten geklärt werden können. Hierzu gehörten Aspekte des ernährungsbedingten Risikos für die Verbraucher sowie die Bewertung der Risiken für Wasserpflanzen. Zudem gesteht die EFSA ein, dass Informationen über die Toxizität sogenannter „Cocktail-Effekte“ – also das Zusammenspiel von Glyphosat und anderen Bestandteilen bei der Pestizidformulierung – fehlten. Bislang hätten jedoch keine Hinweise auf eine akute Toxizität oder Genotoxizität vorgelegen, so die Wissenschaftler.
In Bezug auf die Biodiversität stellten die Sachverständigen in Parma fest, dass die Risiken im Zusammenhang mit den repräsentativen Verwendungszwecken von Glyphosat komplex und von mehreren Faktoren abhängig seien. Hierzu fehlten harmonisierte Methoden und spezifische Schutzvorgaben. Die Behörde kommt zu dem Fazit, dass die verfügbaren Informationen keine eindeutigen Schlussfolgerungen über die Risikobewertung, die Biodiversität betreffend, zulassen.
Bundeswirtschaftsministerium sieht Verlängerung der Genehmigung auf EU-Ebene als nicht gerechtfertigt
Die EU-Kommission wird nun einen Vorschlag erarbeiten, ob und wenn ja, über welchen Zeitraum die Zulassung für den Pflanzenschutzmittelwirkstoff verlängert werden soll. Dann sind wieder die Mitgliedstaaten im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (SCoPAFF) gefragt. Für eine Entscheidung für oder gegen Glyphosat ist eine qualifizierte Mehrheit erforderlich. Sollte diese in zwei Abstimmungen nicht zustande kommen, entscheidet die Kommission über ihren eigenen Vorschlag. Zuletzt war der Herbizidwirkstoff noch auf der Basis der Risikobewertung von 2017 um ein weiteres Jahr bis zum 15. Dezember 2023 zugelassen worden.
Die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) letzte Woche zu Glyphosat vorgelegte Risikobewertung wird – wie zu erwarten – von Teilen der Bundesregierung mehr als skeptisch beurteilt. Das Bundeslandwirtschaftsministerium sieht eine „Verlängerung oder Erneuerung der Genehmigung auf EU-Ebene kritisch und als nicht gerechtfertigt an, da die Auswirkungen auf die Artenvielfalt nicht berücksichtigt werden“, erklärte eine Sprecherin des Hauses. Schließlich sei die Artenvielfalt ein wichtiger Bestandteil von krisenfesten und nachhaltigen Agrar- und Ernährungssystemen.
Bekanntlich hat sich die Ampelkoalition darauf verständigt, die Anwendung von Glyphosat in Deutschland zu beenden. Der Ausstiegstermin ist laut dem Koalitionsvertrag auf den 1. Januar 2024 datiert und bereits in der aktuell geltenden deutschen Pflanzenschutzanwendungsverordnung verankert.
Wenig überraschend teilt der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Bernhard Krüsken, diese Sicht auf Glyphosat nicht. „Die Einschätzung der EFSA sollte der Anlass sein, in der Diskussion um Pflanzenschutz und um die Bewertung von Wirkstoffen wieder zu wissenschaftlichen Grundlagen zurückzukehren“, mahnte Krüsken. Dieser Wirkstoff sei zwar kein Allheilmittel, könne aber „ein Werkzeug“ für Anbauverfahren sein, „die Erosion verhindern, Humus aufbauen und Wasser sparen“.