US-Farmer kämpfen um das „Recht zur Reparatur“

Landwirte sehen sich mit hohen Reparaturkosten von Werkstätten der führenden Traktorenhersteller konfrontiert und erheben Klage vor Gericht

USA: US-Farmer kämpfen um das „Recht zur Reparatur“

„Right to Repair“ – das Recht zur Reparatur – ist eine Bewegung unter Landwirten in den USA. Als Marktführer steht John Deere dabei im Fokus.

USA: US-Farmer kämpfen um das „Recht zur Reparatur“

US Landwirte wollen gegen John Deere, Case IH und andere Hersteller wegen überzogener Reparaturpreise rechtlich vorgehen. Ein Beispiel ist Trinity Dale Wells. Er bewirtschaftet einen 60-ha-Betrieb im US Bundesstaat Alabama. Im letzten Jahr war Wells mit seinem John Deere Traktor bei der Feldarbeit, als eine Warnlampe aufleuchtete und der Motor stehen blieb. Über viele Jahre hatte Wells eine kleine, unabhängige Werkstatt in einer naheliegenden Ortschaft mit Reparaturen beauftragt, aber diesmal konnten die Techniker nicht helfen. Die einzige Möglichkeit, den Traktor wieder flott zu machen, sei sich direkt an einen von John Deere lizensierten Reparaturbetrieb zu wenden. Deren Techniker schloss ein Diagnosegerät an, zog die Kappe eines Abgassensors ab, trocknete sie und steckte sie wieder auf. Die Reparatur habe keine drei Minuten gedauert, dann habe man noch zehn Minuten über Wetter und Ernte gesprochen, bis der Techniker wieder abgefahren sei, sagte Wells. Kosten der Reparatur: 615 US Dollar (circa 615 Euro). Wells wandte sich an einen Rechtsanwalt und der reichte Ende Januar dieses Jahres eine Klage gegen John Deere wegen Verstoßes gegen das Kartellrecht ein und bat das Gericht, eine Sammelklage zuzulassen, der sich andere betroffene Landwirte in Alabama, Tennessee und Mississippi anschließen können. „Das Kartellrecht ist Kern der Sache, es geht darum, dass Landwirte niemanden mit der Reparatur beauftragen können, der nicht für eine John Deere Vertretung arbeitet, weil die Firma geschützte Software installiert hat“1, sagte Anwalt Eric Artrip.

Warnlampe und Langsam-Modus

Eine Woche zuvor hatte Forest River Farms, ein landwirtschaftlicher Betrieb im Bundesstaat North Dakota, Klage gegen John Deere eingereicht. Auch hier haben die Anwälte beim zuständigen Gericht die Zulassung einer Sammelklage beantragt. John Deere habe „mit Absicht ein Marktmonopol für Reparatur und Wartungsarbeiten2“ für Landmaschinen, die über Motorsteuereinheiten (ECUs) verfügen, aufgebaut. Die Traktoren laufen nicht, bis eingebaute Ersatzteile von einer John Deere eigenen Software freigegeben werden. Die Motorsteuereinheit kontrolliere die Sensoren – der S 7760 habe davon 126. Eine einzige Fehlermeldung versetze die Maschine in einen „Langsam-Modus“, der Betrieb könne erst wieder aufgenommen werden, wenn die Fehlermeldung beseitigt sei, heißt es in der Klage3. Die Tatsache, dass die Landwirte einen lizensierten Techniker beauftragen müssen, führe zu langen Wartezeiten und Anfahrtswegen und insgesamt zu höheren Kosten. 2021 habe der Stundenlohn für einen lizensierten John Deere Techniker zwischen 150 und 180 US Dollar (circa 150–180 Euro ) gelegen, dazu komme der Preis für die Ersatzteile, heißt es in der Klage. Die Landwirte seien völlig von den Händlern abhängig und gezwungen, jeden Preis zu zahlen, auch wenn das Problem binnen 15 Minuten zu beheben wäre, wenn die Landwirte Zugang zur entsprechenden Software hätten4. Geschädigt würden nicht nur die Farmer, sondern auch kleine, unabhängige Werkstätten. Von den insgesamt 1.544 John Deere angeschlossenen Händlern seien 91 Prozent im Besitz großer Händlerketten mit Filialen an fünf oder mehr Standorten5. Die Klage richtet sich deshalb nicht nur gegen Deere selbst, sondern auch gegen die hundertprozentigen Tochtergesellschaften und Händler des Unternehmens. Laut der Anwälte der Kläger aus North Dakota und Arkansas ist das Geschäft mit Reparaturen drei- bis sechsmal so profitabel wie der Verkauf neuer Maschinen. Von 2013 bis 2019 stieg der Verkauf von Ersatzteilen um 22 Prozent, während der Verkauf von neuen Maschinen um 19 Prozent sank.

Die Klagen der US Landwirte über die Praktiken der Landmaschinenhersteller sind nicht neu und John Deere ist nicht der einzige Hersteller, der lizensierte Diagnostiksoftware und spezielle Werkzeuge nutzt, die Firma ist mit einem Marktanteil von über 50 Prozent bei Traktoren lediglich die größte.

Vorteil für den Gebrauchtmaschinensektor

Während jahrelang alle Initiativen auf ein „Recht auf Reparatur“ im Sand verliefen, hat die Exekutivorder „zur Verbesserung des Wettbewerbs in der amerikanischen Wirtschaft6“ von Präsident Biden vom Sommer 2021 die Lage deutlich verändert.

Im März reichten Landwirtschaftsverbände in sechs Bundesstaaten gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen und Konsumentenverbänden eine Beschwerde bei der US Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörde (FTC) ein, mit der Bitte, die Einschränkungen, die John Deere Landwirten bei der Wahl der Werkstatt auferlegt, zu untersuchen7.

Eine Studie des nationalen Landwirtschaftsverbandes NFU und U.S. PIRG, einer Nichtregierungsorganisation, macht deutlich, wie weitreichend die Probleme sind. Die Landwirte fürchten nicht nur die hohen Kosten der lizensierten Werkstätten, 77 Prozent der Befragten gaben an, dass sie es deshalb vorziehen, gebrauchte Landmaschinen zu kaufen, die sie noch selbst reparieren können. Zitiert wird das Beispiel eines Landwirts aus Nebraska, der kürzlich einen John Deere Traktor der 7800er Serie, Baujahr 1995, gekauft hat. Die Werkstatt sei lediglich 25 Kilometer entfernt und der Tarif für die Arbeitsstunden liege um 45–55 US Dollar (circa 45–55 Euro) unter denen eines John Deere Vertragshändlers. Dafür gebe er allerdings 25 Jahre technologischer Entwicklung auf, sagte der Landwirt, „bei meinen Landmaschinen entwickle ich mich rückwärts, nur damit ich mir die Reparatur leisten kann.“8

John Deere hat inzwischen reagiert. Ab Mai können US Landwirte und unabhängige Werkstätten Software kaufen, die ihnen die Reparatur von John Deere Landmaschinen ermöglicht. Ab nächstem Jahr sollen auch regelmäßige Updates und für die Reparatur notwendige Werkzeuge zu kaufen sein9.

Viele Landwirte sind jedoch skeptisch, ob sie damit wirklich die Möglichkeiten zur Reparatur bekommen.

Die Industrie gebe den Landwirten ein Pflaster, wo eigentlich eine Operation nötig sei10, sagt Kevin O’Reilly von U.S.PIRG, grundsätzlich ändern werde sich die Situation erst mit einem Gesetz, das ein ‚Recht auf Reparatur‘ festschreibt.

Jon Tester, Landwirt und Senator für den US Bundesstaat Montana, hat im Februar genau solch ein Gesetz11 eingebracht. Wann es im Kongress diskutiert wird und ob es eine Mehrheit finden kann, ist bislang unklar.


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