Traktor zu groß oder Feld zu klein?

‚Top Gear’-Moderator Jeremy Clarkson versucht sich als Landwirt

Großbritannien: Traktor zu groß oder Feld zu klein?

Jeremy Clarksons erste Aussaat. Der Pflanzenschutz wird mühsam ….

Großbritannien: Traktor zu groß oder Feld zu klein?

40 Rückwärts- und 40 Vorwärtsgänge? Da kann Clarkson nicht widerstehen.

Mit schnellen Autos, flotten Sprüchen und Machogehabe machte Jeremy Clarkson die Sendung ‚Top Gear‘ zum Fernsehhit mit einem Millionenpublikum in rund 50 Ländern. Wenn er nicht mit einer Filmcrew und PS-starken Autos unterwegs war, entspannte sich Clarkson auf seiner britischen Farm in den Cotswolds, einer idyllischen Region westlich von Oxford. Bewirtschaftet wurde die 400 Hektar Farm von einem Manager. Als der 2019 in den Ruhestand ging, beschloss Clarkson, die Farm selbst zu bewirtschaften – so schwer könne das ja schließlich nicht sein. Weshalb er seine neue Karriere als Landwirt gleich für eine Fernsehserie nutzte – mit Clarkson als Hauptdarsteller und Star.

Je mehr PS, desto besser

Kaleb Cooper, der junge Lohn-unternehmer, der alle notwendigen Arbeiten auf der Farm erledigt, schwört auf seinen Claas Axion 820. Aber Clarkson braucht natürlich seinen eigenen Maschinenpark. Erste Anschaffung ist ein Lamborghini R8. „Der hat 40 Vorwärts- und 40 Rückwärtsgänge“, sagt Clark-son und strahlt. „Der ist viel zu groß“ sagt Cooper und verdreht die Augen, als Clarkson vorfährt. Und er hat recht, das Tor der Scheune ist nicht hoch genug und der Wendekreis des Traktors ist so weit, dass Clarkson auf dem Acker jeweils ein Drei-Punkt-Manöver machen müsste, um beim Säen die Fahrgassen korrekt anzulegen.

Der Agrarberater hat einen genauen Zeitplan vorgelegt, 180 Hektar müssen innerhalb von zwei Wochen gepflügt und gesät werden, danach sinkt der zu erwartende Ernteertrag. Weil der R8 direkt aus Deutschland importiert wurde, müssen zunächst eine dem britischen Standard entsprechende Anhängerkupplung montiert und die Monitore in der Kabine auf Kommunikation in englisch umgestellt werden. Wertvolle Zeit vergeht. Als Clarkson endlich mit der Aussaat beginnen kann, beschließt er, auf die aufwendigen Wendemanöver zu verzichten und fährt stattdessen in großzügigen Bögen über den Acker – schließlich fährt man Lamborghini damit es schnell geht, oder? Es dauert bis zum nächsten Frühjahr und den ersten Pflanzenschutzmaßnahmen bis Clarkson versteht, warum die Abstände zwischen den Fahrgassen gleich sein müssen …

Landwirtschaft muss man lernen?

Clarkson hat Ideen und das Geld, sie umzusetzen – auch wenn die Kostenaufstellung des Landwirtschaftsberaters ihn dazu veranlasst, seinen Maschinenpark mit gebrauchten Modellen zu vervollständigen. 120 Hektar der Farm sind Dauergrünland. Wieso mähen, wenn Schafe das erledigen können? Clarksons Bemühungen, 80 wendige und sprungfreudige ‚Upland Mules‘ auf eine Weide zu treiben oder diesen beim Lammen zu helfen, sind höchst unterhaltsam. Schafe und Lämmer auf der Weide zu sehen, stimmen ihn sichtlich froh, was seiner Vorliebe für Lammfleisch jedoch keinen Abbruch tut. Am liebsten jedoch sitzt Clarkson am Steuer einer großen, PS-starken Maschine. Eine Lektion über Bodenbeschaffenheit bekommt er, als er am Tag nach einer langen Regenperiode beschließt, einen Teich auszuheben und an einem Hügel die Kontrolle über einen großen, ins Rutschen geratenen Raupenbagger verliert.

Schwachsinn oder doch gutes Fernsehen?

„Wenn Du mit schweren Maschinen auf nassen Böden unterwegs bist, ist das Ergebnis eine große Sauerei“, ist der lakonische Kommentar des Agrarberaters, nachdem er sich den verwüsteten Hang angeschaut hat.

Wie bei „Top Gear“ scheiden sich die Geister auch bei „Clarkson’s Farm“. Unter der Schlagzeile „Der Ignorant fährt wieder“ fragt sich die Fernsehkritikerin des Guardian, was wohl Landwirte zu dieser Serie sagen „die ruiniert wären, würden sie so dumm agieren wie der dilettantische Multimillionär“ Clarkson. In der englischen Farmpresse wird die Serie viel diskutiert. Szenen wie das mit dem Schaf, das nicht von Clark-son geschoren werden will und dies mit einem gezielten Huftritt in einen besonders empfindlichen Teil männlicher Anatomie kundtut, sorgen für Heiterkeit.

Ganz gleich, ob Clarksons Naivität echt ist oder gut gespielt: ‚Top Gear‘ Fans stehen nicht im Ruf, viele Gedanken darauf zu verschwenden, wie und von wem Lebensmittel produziert werden. Wenn sie über ihr Idol Clarkson mit der Einsicht konfrontiert werden, dass Landwirtschaft vielfältige Kenntnisse, harte Arbeit und eine hohe Stresstoleranz erfordert, dann hat die Serie ihren Zweck erfüllt. Vielleicht hören sie auch die beiläufige Bemerkung des Agrarberaters, der davon ausgeht, dass aufgrund von Brexit und des Wegfalls der EU-Direktzahlungen ein Drittel aller britischen Farmer Bankrott gehen wird. Aber wenn Clark-son am Ende sagt, dass er noch nie in einem Job glücklicher gewesen sei, dann glaubt man ihm das nicht nur, weil er Millionär ist. Eine zweite Staffel ist geplant.

 


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