Zwischen Mensch und Maschine: Bussysteme der nächsten Generation für die mobile Automatisierung

Nutzfahrzeuge für die Off-Highway-Märkte werden zunehmend mit intelligenten Funktionen ausgestattet. Was das im Detail heißt, zeigt sich vom 10. bis 16. November 2019 auf der Systems & Components, die zeitgleich mit der Agritechnica auf dem Messegelände in Hannover stattfindet. Die über 700 Aussteller zeigen Schlüsseltechnologien, die den Weg für die Mensch-zu-Maschine-Kommunikation bereiten und die anfallenden Datenmengen in modernen Bau- und Landwirtschaftsmaschinen in Echtzeit bewältigen.

Systems & Components: Zwischen Mensch und Maschine: Bussysteme der nächsten Generation für die mobile Automatisierung

Beim sogenannten Plugtest der AEF testen die Entwickler der Landtechnikhersteller, ob der Datentransfer zwischen den Geräten funktioniert.

Gesprächsthema auf der B2B-Messe für Entscheider, Entwickler und Ingenieure sind nicht nur benutzerfreundliche High-Tech-Lösungen, die ISOBUS-konform sind, sondern auch zukunftsfähige Bussysteme wie POWERLINK, die die Automatisierung mobiler Maschinen durch reduzierten Verkabelungsaufwand vereinfachen.

Passen Schlepper und Anbaugerät zusammen? Eine Schlüsselrolle bei der Beantwortung dieser Frage spielt für Landwirte der ISOBUS, der in der Normenreihe ISO 11783 einheitliche Stecker, Leitungen, Controller sowie Datenformate und Schnittstellen definiert. Physikalisch basiert die erstmals auf der Agritechnica im Jahr 2001 vorgestellte Technologie auf dem CAN-Bus, der in Off-Highway-Maschinen weit verbreitet ist. Die Norm standardisiert die elektronische Kommunikation in einem seriellen 250 kBit/s-Datennetzwerk, vorrangig zwischen Zugmaschine (Traktor) und Arbeitsgerät, aber auch zwischen den Maschinen und der landwirtschaftlichen Bürosoftware.

An der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine haben Kompatibilität und Konformität oberste Priorität. Konformitätstests und die Zertifizierung der Agricultural Industry Electronics Foundation (AEF) liefern präzise Informationen darüber, welche ISOBUS-Komponenten wie miteinander funktionieren. Das bedeutet: Nachdem die Verbindung hergestellt ist, muss der Datenaustausch für Geräte desselben Herstellers, aber auch für Geräte von unterschiedlichen Herstellern möglich sein.

Die auf der Systems & Components vorgestellten ISOBUS-Jobcontroller (Electronic Control Unit, ECU) der jüngsten Generation basieren auf Hard- und Softwareplattformen, die auf Skalierbarkeit und Anschlussvielfalt optimiert sind. Sie kommunizieren über den ISOBUS und interagieren mit dem Bediener über Universalterminals, die sich zur ergonomischen Schaltzentrale im Traktor entwickeln. Mit ihren offenen Schnittstellen befinden sich die Terminals im Zentrum eines Netzwerks, das den Datenaustausch mit anderen IT-Farming-Technologien ermöglicht. Die OEM-Partner haben ISOBUS-fähige Terminals und Steckdosen im Portfolio, mit denen sich die Schlepper unabhängig von dessen Marke oder Baujahr nachrüsten oder gleich ab Werk ausstatten lassen. Kompakte CAN-Gateways bieten weitere Möglichkeiten, landwirtschaftliche Geräte in die ISOBUS-Architektur einzubinden.

Traktor und Arbeitsgerät im Zusammenspiel

Der Vorteil für Landwirte liegt auf der Hand: Die Bedienung komplexer Anbaugeräte wird durch die angeglichenen Oberflächen vereinfacht und bleibt immer intuitiv – egal ob Mähwerk, Ladewagen, Presse oder Anhängespritze. Außerdem lassen sich zusätzliche Bedienelemente, so genannte Auxiliaries, wie Joysticks oder Kippschalterleisten, gemeinsam nutzen. Die Verkabelung selbst erfolgt werkzeugfrei in wenigen Sekunden mittels der im Traktor vorhandenen InCab-Steckdose.

Neue Features wie TIM sollen den Bedienkomfort in der Kabine und die Produktivität künftig auf ein noch höheres Level heben. Obwohl sich diese ISOBUS-Funktionalität noch in der finalen Entwicklung bei der AEF befindet, dürften sowohl auf der Systems & Components als auch in den Messehallen der Agritechnica vermehrt Lösungen zu sehen sein, die „TIM ready“ sind. TIM steht für Tractor Implement Management und bietet die Möglichkeit zur bidirektionalen Kommunikation – was nichts anderes meint, als dass das Anbaugerät dem Traktor über den ISOBUS Befehle erteilt. Angehängte Maschinen können auf diese Weise Funktionen des Traktors, wie Zapfwelle, Hubwerk, Fahrgeschwindigkeit, Lenkwinkel oder Hydraulikventile, ansteuern. So passt sich das Gespann automatisch den aktuellen Gegebenheiten an, arbeitet immer im optimalen Betriebspunkt und entlastet den Fahrer.

Highspeed und Echtzeitvernetzung

Condition Monitoring, M2M-Kommunikation, Kamerasysteme: Immer mehr Sensoren und Aktoren sowie die damit verbundene Steuerungselektronik werden dezentral direkt im Motorraum, in der Kabine oder im Außenbereich angeschlossen. Die wachsende Zahl elektronisch gesteuerter Geräte, die ihrerseits stetig steigende Datenmengen austauschen, führen den ISOBUS immer stärker an seine Leistungsgrenze. Die Experten sind sich einig: Fahrbare Hightech-Maschinen im Sinne von Preci- sion Farming werden mittelfristig nicht um einen ethernetbasierten Backbone für die Kommunikation herumkommen. Mit Hochdruck arbeitet die AEF deshalb an der Topologie für einen neuen High-Speed ISOBUS auf Basis des Ethernet-Protokolls, der den Performance-Engpass beseitigen soll. Die universellen Steckdosen der nächsten ISOBUS-Generation erreichen Datenraten von 100 bis 1.000 Megabit pro Sekunde. Letzteres entspricht dem 4.000-fachen der Leistungsfähigkeit des aktuellen Systems. Parallel dazu treibt die AEF die Entwicklung des POWERBUS voran. Die standardisierte Hochvolt-Steckdose am Schlepper soll künftig beliebig viele Antriebe in den Anbaugeräten versorgen – und so der Elektrifizierung in der Landtechnik neuen Schwung geben. Vor der gleichen Herausforderung stehen Baumaschinen. Da die Maximalbandbreite des bisher verwendeten CAN-Busses auch hier für anspruchsvolle Aufgaben nicht mehr ausreicht, sind in einem Fahrzeug mittlerweile bis zu zehn parallel geschaltete Netzwerke im Einsatz. Zudem reichen Performance und Bandbreite für sicherheitskritische Applikationen nicht aus. Die Aussteller der Systems & Components präsentieren in der Praxis erprobte Lösungen, die die Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit mobiler Maschinen erhöhen und auf den offenen Standards POWERLINK und openSafety basieren. Mit POWERLINK lassen sich sämtliche Daten in einer mobilen Maschine oder einem Verbund über ein einziges Kabel übertragen. Zentrale und dezentrale Steuerungskonzepte sind gleichermaßen möglich. Ebenso ist eine WLAN-Anschaltung zur Kommunikation mit ortsfesten Einrichtungen möglich, die sich auf der Baustelle oder in der Werkstätte befinden. Das busintegrierte, aber vom Kommunikationsprotokoll unabhängige Sicherheitsprotokoll openSafety erleichtert darüber hinaus die Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen.

Schritt für Schritt in Richtung Big Data

Künftige Kommunikations- und Schnittstellenstandards für Off-Highway-Anwendungen müssen im Sinne von Big Data den Datenaustausch zwischen sämtlichen Maschinen, mit Geschäftspartnern und Cloud-Diensten ermöglichen. Die Suche nach dem geeigneten Echtzeit-Bussystem für die mobile Automatisierung wird Besucher und Aussteller der Systems & Components vom 10. bis 16. November in Hannover gleichermaßen beschäftigen. Auf der B2B-Plattform diskutiert die Branche am 12. November aktuelle Trends unter dem Thema „Future Machine Architecture“ in der Future Lounge (Halle 17). Abhilfe könnte auch die Adaption bekannter Systeme aus anderen Bereichen der Fahrzeugtechnik schaffen. So etwa der aus der Automobilindustrie bekannte Standard AUTOSAR. Dessen jüngstes Release wurde auch für Off-Highway-Fahrzeuge konzipiert.


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