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Die Konstruktion, Entwicklung und Fertigung hochpräziser Dreh- und Frästeile für verschiedene Anwendungsbereiche gehört nach wie vor zum IWN-Kerngeschäft.
Reinhold Schulte ist die Leidenschaft für Technik sofort anzumerken. Der Geschäftsführer hat sich mit seinem Unternehmen IWN („Ingenieur Wolfgang Niemann“, siehe Infokasten) durch die Konstruktion, Entwicklung und die präzise Fertigung von Dreh- und Frästeilen sowie Systemlösungen für Maschinenbau, Stationäre Technik, Mobilhydraulik, Erneuerbare Energien und Fahrzeugtechnik einen Namen gemacht. Jetzt will das Bielefelder Familienunternehmen auch in der Agrartechnik mit einer komplett neuen Produktreihe Fuß fassen.
Intelligente Agrartechnik kurz vor der Markteinführung
Das Interesse an Agrartechnik kommt bei Reinhold Schulte nicht von ungefähr, denn der aus Büren bei Paderborn stammende Unternehmer begann seine berufliche Karriere als Landmaschinenmechaniker. So flossen seine langjährigen Erfahrungen – die er durch eine Tätigkeit in der IT-Branche ergänzte – in die Entwicklung der neuen, kurz vor der Markteinführung stehenden Reihe „VariQ“ mit ein, die ihre Produktphilosophie im Namen trägt: „Vari“ steht für kundenbezogen, maßgeschneiderte Systeme, die „mitdenken“ („iQ“). „Unsere Produkte sollen das Leben der Anwender erleichtern“, sagt Reinhold Schulte. Zudem seien hohe Fertigungsqualität, einfaches Bedienen und die Diagnosefähigkeit wichtige Kennzeichen der IWN-Produkte, die darüber hinaus einen Beitrag für eine nachhaltigere Landwirtschaft leisten sollen. Schauen wir uns das „VariQ“-Programm genauer an!

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Reinhold Schulte (2.v.r.) wird in der Führung von IWN durch seine Frau Beatrix unterstützt. Die Söhne Christoph (rechts) und Bastian werden das Unternehmen in naher Zukunft übernehmen.

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Herzstück der Reifendruckregelanlage „VariQtire“ ist die Drehdurchführung, die mittels Adapter zwischen Felge und Achse auf allen gängigen Größen direkt auf den Bolzen des Reifens montiert wird.
Variabler Reifendruck schont Boden, Umwelt und Geldbeutel
Die selbstüberwachende Reifendruckregelanlage „VariQtire“ ist für landwirtschaftliche Zugmaschinen und autonome Selbstfahrer bestimmt und wird seit 2021 von Landwirten in der Praxis erfolgreich erprobt. Herzstück des Systems ist die Drehdurchführung, die mittels Adapter zwischen Felge und Achse auf allen gängigen Größen direkt auf den Bolzen des Reifens montiert wird. Zur Anlage gehört ebenso je ein Druckventil pro Rad, das mit einer Gewindebohrung in die Felge passt und den Reifendruck in Sekundenabständen permanent erfasst. Über ein Regelventil wird der Reifendruck auf die jeweilige Fahrsituation – ob Straße oder Feld – während des Betriebes genau justiert. Zeitraubendes Umrüsten erübrigt sich dadurch. Die Regelanlage wird mit dem Zündschlüssel gestartet, prüft alle Reifen per Funk und zeigt die Druckwerte über das in der Fahrerkabine montierte „VariQtire“-Terminal an, die über die pneumatisch-elektronische Zentralbox des Systems übermittelt werden. Voreingestellte Reifendruckwerte für Straße und Acker werden per Knopfdruck aktiviert. Die bisher in der Pilotphase gemessenen Zahlen sprechen für sich: Durch variablen Reifendruck wird im Schlepperbetrieb der Dieselverbrauch um zehn Prozent gesenkt, entsprechend weniger CO2 freigesetzt. Zudem bringt der Schlepper bei gleichem Schlupf 15 Prozent mehr Leistung. Darüber hinaus wird der Boden bei der Feldarbeit geschont und die Reifenlaufleistung verlängert. Die Entwicklung der Reifendruckregelanlage „VariQtire“ wurde als Forschungs- und Entwicklungsprojekt aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages gefördert. Die Projektträgerschaft erfolgte über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Rahmen des Programms zur Innovationsförderung.

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Der Querhackantrieb „VariQselect“ ist für autonom fahrende Roboter …

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… als auch für klassische Landmaschinen konzipiert.
Uraufführung steht bevor
Ein Weltpatent besitzt IWN auf das Sensorventil „VariQSpray pro“ für Feldspritzen. Dieses pulsweitenmodulierte Ventil ist unter anderem auch für den Spotbetrieb ausgelegt. Pro Einzelventil können unterschiedliche Ausbringungsmengen ein- gestellt und über einen integrierten Durchflussmengenregler erfasst werden. Sogar ein Nachweis der ausgebrachten Mengen ist laut Hersteller möglich. Über eine mehrfarbige LED wird der Arbeitsstatus jedes Ventiles angezeigt. Zudem wurde bei der Entwicklung des Sensorventiles auf eine vereinfachte Fehlersuche bei verstopften Düsen und Ventilaustausch geachtet. Das „VariQspray pro“-System verfügt über ultrakurze Schaltzeiten <10ms, überzeugt durch geringen Stromverbrauch < 200mA und hat einen Arbeitsdruck bis zu 8 bar. Das nachrüstbare Sensorsystem lässt sich an allen in der Pflanzenschutztechnik üblichen Düsenstöcken einsetzen. Insgesamt betrachtet lassen sich Sprühmengen durch diese neue IWN-Entwicklung umweltschonender und effizienter ausbringen.

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Mit dem auf Spotbetrieb ausgelegten, pulsweitenmodulierten Sprühsystem lassen sich Sprühmengen punktgenau und damit ebenso umweltschonend wie kostenreduzierend ausbringen.
„VariQselect“ beseitigt Unkraut umweltschonend
Millimetergenaues Jäten ermöglicht der Querhackantrieb „VariQselect“, der als Anwendung sowohl für klassische Landmaschinen als auch autonom arbeitende Hackroboter entwickelt wurde. Das System unterbricht die Kapillarwirkung des Beikrautes und bringt es zum Absterben. Gleichzeitig wird über eine Kamera die Größe der Nutzpflanze erkannt. Darauf wird die Greiferbewegung und die Fahrgeschwindigkeit abgestimmt, sodass die Pflanze weder beschädigt noch beschmutzt wird. „VariQselect“ wird als elektrische und hydraulische Version angeboten.
Kurz vor der Marktreife steht mit „VariQlift“ auch ein ventilgestütztes System für den bodenschonenden Hackbetrieb.
Die Sparte „Agrartechnik“ ergänzt erst seit 2019 die IWN-Angebotspalette. Dennoch ist dieser junge Bereich bereits sehr produktiv und wartet wie beschrieben mit vielversprechenden Produktlösungen auf, die auf der Agritechnica präsentiert wurden. Die Markteinführung ist für Anfang 2024 geplant. Dieser Fleiß hat laut Reinhold Schulte eine breite Basis. Zum einen höre das Entwicklerteam sehr genau hin, wo die Kunden in technischer Hinsicht „der Schuh drückt“ und versucht, maßgeschneiderte Lösungen zu liefern, indem das IWN-Team seine Expertise unter anderem an die Entwicklungsteams von Kunden weitergibt. Katalogware wird man bei IWN vergeblich suchen.
Darüber hinaus nutzt und fördert IWN den firmeninternen Wissenstransfer. Das Rad der Technik wird nicht immer neu erfunden, was viel Zeit kosten würde. Stattdessen wird von den Bielefelder Technikern das Produktwissen aus anderen IWN-Sparten „angezapft“, auf andere Anwendungen übertragen und entsprechend modifiziert. So stammt die Ursprungsidee für den Querhackantrieb eigentlich aus der Verpackungstechnik, für die IWN ebenfalls Lösungen liefert.
An Schnelligkeit sowohl in der Produktion als auch Produktentwicklung gewinnt IWN zudem durch die hohe Fertigungstiefe. Beispielsweise besitzt das Unternehmen eigene Prüffelder, die das Arbeiten an neuen Produkten und Systemlösungen zusätzlich erleichtern.
Ein weiterer Katalysator für technologischen Fortschritt scheint die IWN-Unternehmens- philosophie „Technology for You!“, zu sein. Dieses Programm ermutigt alle Mitarbeitenden, ohne Scheu eigene Ideen in die Entscheidungsprozesse einzubringen. „Es ist schon erstaunlich, wie kreativ unser Team ist“, sagt Reinhold Schulte voller Stolz.
Über eine gehörige Portion Kreativität verfügt die Unternehmerfamilie selbst. Derzeit ist Seniorchef Reinhold Schulte dabei, seine beiden Söhne fit für die Übernahme der Firma zu machen. So verantwortet Christoph Schulte bereits die Bereiche Marketing und Vertrieb und wird später für das Innovationszentrum zuständig sein. Sein Bruder Bastian sammelt derzeit als Mitarbeiter beim Fraunhofer IOSB-INA noch Erfahrung in der Forschung von Inline- Messtechnik und wird später die Verantwortung für das Technische Zentrum (Produktion und technische Einkauf) übernehmen. Der IWN-Finanzbereich wird durch Beatrix Schulte, die Ehefrau von Reinhold Schulte, unterstützt.
Schnell gelesen
Unter der Serienbezeichnung „VariQ“ hat das Bielefelder Unternehmen IWN eine Reihe neuer Produkte und Systemlösungen für die Agrartechnik entwickelt, deren Pilotphase jetzt abgeschlossen ist. Im November wurde die Serie auf der „Agritechnica“ präsentiert und Anfang 2024 im Markt eingeführt.
Die zur Serie gehörende Reifendruckregelanlage „VariQtire“ senkt den Kraftstoffverbrauch von Schleppern, erhöht deren Schlupfleistung und fördert bodenschonendes Arbeiten durch situativ angepassten Reifendruck.
Das pulsweitenmodulierte, nachrüstbare Sensorventil „„VariQspray pro“ ist für Feldspritzen konzipiert und soll das bedarfsgenaue, umweltschonende Ausbringen von Sprühmengen unterstützen.
Der Querhackantrieb „VariQselect“ ist für klassische Landmaschinen und autonom arbeitende Hackroboter entwickelt. Beikraut wird durch das Unterbrechen der Kapillarwirkung zum Absterben gebracht. Über eine Kamera wird die Nutzpflanzengröße erkannt und Greiferbewegung und Fahrgeschwindigkeit darauf abgestimmt. „VariQselect“ gibt es als elektrische und hydraulische Version.
Das Unternehmen IWN
Das Unternehmen IWN wird 1975 durch Diplom-Ingenieur Wolfgang Niemann in Bielefeld gegründet und beginnt mit der Produktion von Industriearmaturen. Später kommt die Konstruktion, Entwicklung und Produktion hochpräziser Dreh- und Frästeile dazu, die in der Mobil- und Regelhydraulik, im Automotive-Segment sowie anderen Bereichen wie der Druck- und Verpackungstechnik oder der Erneuerbaren Energien zum Einsatz kommen. Weiteres Standbein ist die Entwicklung intelligenter Systeme, zum Beispiel Bustürantriebe für die Fahrzeugtechnik, sowie der seit 2019 bestehende Agrartechnikbereich. Am Standort Bielefeld arbeiten 320 Mitarbeiter, davon 22 Auszubildende, und erzielen einen Jahresumsatz von derzeit 45 Mio. Euro. Das Unternehmen wird von Diplom-Ingenieur Reinhold Schulte geleitet, der 2000 zu IWN kam und die Firma im Jahr 2005 erwarb.

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Am Stammsitz Bielefeld beschäftigt IWN derzeit 320 Mitarbeiter und verfügt über eine hohe Fertigungstiefe.