Ein wirkliches Schwergewicht im Münsterland

Über 60 Jahre Kompetenz in Traktorballastierungen – Familienunternehmen hat sich auf technische Betonteile spezialisiert – Frontgewichte als Haupterzeugnis – Mit neuer Marke auf Eigenvertrieb umgeschwenkt

Tenwinkel: Ein wirkliches Schwergewicht im Münsterland

Die Firma Tenwinkel aus dem Münsterland ist Spezialist für gewichtige Lösungen.

„Nicht ohne mein Frontgewicht.“ So lautet die Devise der Landwirte, wenn tiefe Bodenbearbeitung oder schwere Transportarbeiten bevorstehen. Bevor sie mit dem Grubber ins Feld fahren, koppeln sie ihren „Klotz“ an die Fronthydraulik, damit der Traktor seine Motorkraft mit ordentlich Grip auf den Boden bringen kann.

Wo oder von wem genau ihr Frontballast produziert wurde, wissen jedoch vermutlich die wenigsten Anwender. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass er von der Firma Tenwinkel gefertigt wurde – insbesondere dann, wenn es sich um ein Betongewicht handelt. Denn das familiengeführte Unternehmen mit Sitz im münsterländischen Vreden ist nach eigenen Angaben Weltmarktführer auf dem Feld für Traktorballastierungen.

Gewichtig in der Nische

Aber die Firma Tenwinkel gehört wohl eher zu den versteckten Weltmarktführern, denn ihr Name ist überregional bislang nur wenig bekannt. Das aber hat einen einfachen Grund: Über viele Jahre fertigte Tenwinkel die Traktorengewichte exklusiv für einen Vertriebspartner aus den Niederlanden. Als Anfang 2021 der Vertriebsvertrag auslief, entschieden sich die beiden geschäftsführenden Brüder Markus und Stefan Tenwinkel gegen eine Verlängerung und wagten den Einstieg in den Eigenvertrieb. Gleichzeitig riefen sie mit TW – Tractor Weights – eine neue Eigenmarke ins Leben, die speziell auf Traktorgewichte und den internationalen Markt abzielt. „Schließlich soll auch im Ausland der Markenname leicht von der Zunge gehen“, erklären die Tenwinkels.

Den – im wahrsten Sinne des Wortes – Grundstein für diese Entwicklung hin zum Indu-striebetrieb legte vor mehr als 60 Jahren ihr Vater Heinrich Tenwinkel. Bereits 1959 goss er auf seinem elterlichen Hof in Vreden ein Heckgewicht aus Beton für den Traktor eines Nachbarn, um ihn für Frontladerarbeiten auszubalancieren. Noch heute zeugt ein stilisierter Oldtimertraktor mit Frontladerschwinge im Logo der Firma von den Anfängen, die schnell erste Wellen schlugen. So dauerte es nicht lange, bis das Interesse – über die Nachbarschaft hinaus – geweckt war, und die Feierabendproduktion nach und nach ausgebaut wurde.

Vater legte Grundstein

Im Laufe der nächsten Jahre schritt die Technisierung in der Landwirtschaft weiter fort, die Leistung der Traktoren stieg und erste Fronthydrauliksysteme wurden verbaut, so dass Heinrich Tenwinkel ab 1985 erste Frontgewichte entwickelte und produzierte. Fünf Jahre später kam der Traktorenhersteller Same auf den „Nebenerwerbsbetonbauer“ zu, um 400- und 600-Kilogramm schwere Gewichte zur Frontballastierung zu ordern. „Diese wurden zunächst noch in einer einfachen Metallform gegossen“, erzählt Markus Tenwinkel. „Aber schon ein Jahr später konnten wir sie in einer markanten Rippenoptik liefern.“ Der 51-jährige Maschinenbau-Ingenieur erinnert sich noch gut daran, wie er seinerzeit als frisch gebackener Kunststoffschlosser die dazu nötige GFK-Schalung anfertigte: „Das war damals noch in der elterlichen Garage...“

Nachfrage treibt Wachstum

Der wichtige Schritt zum Erstausrüster sollte sich als weiterer Umsatztreiber erweisen: 2004 übernahmen Markus und Stefan Tenwinkel das väterliche Unternehmen. Nach und nach wurden erste feste Mitarbeiter eingestellt, und 2008 erfolgte der Umzug an den heutigen Standort im Vredener Industriegebiet. Die großzügig geplante Produktionshalle mit industrieller Betonmischanlage, Kranbahn und modernem Lackierbereich bot reichlich Kapazität für weiteres Wachstum: Die Mitarbeiterzahl stieg, ebenso die Stückzahlen. In den nachfolgenden Jahren nahm das Unternehmen exponentiell an Fahrt auf und entwickelte sich konsequent zu einem Industriebetrieb. „Wir sind sehr stolz auf unsere Entwicklung“, sind sich die Brüder einig.

Tenwinkel: Ein wirkliches Schwergewicht im Münsterland

Markus Tenwinkel: „Wir sind ein großer Abnehmer von Magnetit.“

Alleskönner aus Beton

Rund 5.000 Quadratmeter bietet die Halle auf dem weitläufigen Firmengelände, das sich seit dem letzten Jahr über 26.000 Quadratmeter erstreckt und damit Platz für weitere Expansion bietet. Mittlerweile beschäftigt der Spezialist für Schwerbeton inklusive Azubis 73 Mitarbeitende und erzielt einen jährlichen Umsatz von knapp 12 Millionen Euro.

Die kommen aber nicht mehr nur allein aus dem Verkauf von Traktorgewichten. Denn über das Kerngeschäft hinaus konnte das mittelständische Unternehmen nach und nach neue Kundengruppen für verschiedenste technische Betonteile erschließen. So haben sich modular aufgebaute Kranprüfsysteme, die für Zustands- und Funktionsprüfungen an Krananlagen genutzt werden, in den vergangenen Jahren zu einem weiteren Standbein entwickelt. Aber auch in Windkraftanlagen, Baumaschinen, Schienenfahrzeugen und Flugzeugschleppern kommen die Ballastierungen als Tariergewichte oder zur Schwingungstilgung zum Einsatz. Und das ist noch nicht alles: Wie breit die Palette der Anwendungen für die Schwerbetonteile aus Vreden ist, unterstreichen auch tonnenschwere mobile Fahrzeugsperren, die die Vredener speziell für die Sicherung von öffentlichen Plätzen und Großevents entwickelt haben. Selbst in riesigen Radioteleskopen sind bereits Schwerbetonteile von Tenwinkel zu finden.

Tenwinkel: Ein wirkliches Schwergewicht im Münsterland

Kennen sich aus mit Schwergewichten: Stefan und Markus Tenwinkel (r.).

Innovative Rezepte

In erster Linie sieht sich der Familienbetrieb als Maschinenbauer. „Wir können mit Metall umgehen und erfüllen dabei höchste Sicherheits- und Qualitätsanforderungen“, erklären Markus und Stefan Tenwinkel unisono, die in einem Leitbild die grundsätzliche Richtung ihres Unternehmens klar formuliert haben. Die Brüder setzen auf Know-how und Qualität aus einer Hand. „Unser Schweißfachbetrieb ist sogar für die Konstruktion von Schienenfahrzeugen zertifiziert“, sagt Markus Tenwinkel und hebt neben der Qualifikation der Mitarbeitenden die technische Ausstattung des Betriebes hervor. Beispielhaft führt er neben der 3D-CAD-Konstruktion und dem Formenbau in Metall, Holz und GFK, die umfangreiche Lackierkompetenz mit speziellen licht- und schlagschutzbeständigen Betonbeschichtungen an. Zudem verfügt der Betrieb, der ein konsequentes Qualitätsmanagementsystem nach ISO 9001 umsetzt, über verschiedene Test- und Analysemöglichkeiten.

Mit ausgeklügelten Betonrezepturen, innovativen Gießtechniken, einem computergesteuerten Mischwerk sowie weiteren speziellen Anlagen und Maschinen, die für die hohen Gewichte ausgelegt sind, können die Vredener verschiedenste Ballastierungen und Dichten herstellen.

„Mit Stahlbeton bieten wir eine kostengünstige Alternative zu anderen Ballastierungssystemen“, erklärt Markus Tenwinkel und räumt in diesem Zusammenhang gleich mit einem gängigen Vorurteil auf: „Beton bricht nicht.“ Vielmehr seien die Ballastgewichte dank des hochfesten Schwerbetons und patentierter Beschichtungen sogar besonders robust.

Wie er berichtet, hat der Werkstoff eine Dichte von 2,4 Kilogramm pro Kubikdezimeter. Würde man damit einen 1000-Liter-IPC-Behälter füllen, dann brächte der Tank ganze 2,4 Tonnen auf die Waage. Dank ihrer langjährigen technischen Kompetenz bei Beton erreichen die Spezialisten aus Vreden aber sogar noch höhere Dichten von bis zu 4,15 Kilogramm pro Kubikdezimeter – „und das ohne Zugabe von Stahlschrott.“

Tenwinkel: Ein wirkliches Schwergewicht im Münsterland

Das schwarzblaue Eisenerz Magnetit hat eine hohe spezifische Dichte.

Magnetit bringt Gewicht

Als Schwerzuschlag nutzt das Unternehmen stattdessen Magnetit – ein Eisenerz mit einer wesentlich höheren Dichte als Stahlbeton –, sodass auch mit geringeren Volumina hohe Ballastierungen erreicht werden können. „Es ist eine günstige Alternative zu Grauguss“, erklärt Tenwinkel. Das blauschwarze Mineral wird im nordschwedischen Kiruna in erster Linie für die internationale Stahlproduktion abgebaut und größtenteils im Rotterdamer Hafen umgeschlagen. Von dort aus ist der Weg nach Vreden, das im westlichen Münsterland unmittelbar an der Grenze zu den Niederlanden liegt, nicht mehr weit. – „Sicherlich auch ein Standortvorteil“, meinen die Brüder Tenwinkel, die jährlich etwa 8.000 Tonnen des schweren Eisenerzes beziehen.

Tenwinkel: Ein wirkliches Schwergewicht im Münsterland

Stefan und Markus Tenwinkel (r.) zeigen eine typische Form nach dem Einfüllen der Betonmischung.

Formschöne Designs

Auch wenn die verschiedensten technischen Schwerbetonlösungen für den Maschinenbau heute schon rund 30 Prozent und Gegengewichte für Baumaschinen weitere 15 Prozent am Gesamtumsatz ausmachen – Haupterzeugnis des mittelständischen Unternehmens sind noch immer die Traktorgegengewichte. „Sie steuern etwa 55 Prozent zum Umsatz bei“, berichtet Stefan Tenwinkel. Nach Angaben des Elektroingenieurs reicht ihre Bandbreite heute von etwa 150 bis hin zu über 3.000 Kilogramm schweren Formen.

Aktuell bietet der Hersteller sechs verschiedene Serien von Frontgewichten für unterschiedliche Traktoren und Anbaukategorien an, die sich in Design, Funktionalität und Materialeigenschaften unterscheiden. So ist zum Beispiel das klassisch geformte Stahlbetongewicht mit der Bezeichnung TW-B, das bis zu 1.700 Kilogramm auf die Waage bringt, optisch einem Motorblock nachempfunden. Besonders kompakt sind dagegen die Gewichte aus der Reihe TW-MAG, die trotz bis zu 3.200 Kilogramm Gewicht für den Fahrer eine gute Sicht nach vorne gewährleisten. Besonders praktisch erweist sich die Box-Serie mit integriertem 160-Liter-Staufach und abschließbarem GfK-Deckel, das die komfortable Mitnahme von Werkzeug oder Geräten ermöglicht. Variabel einsetzbar sind die Gewichte aus der Drive-In-Serie, deren Kern aus einem bis zu 1.000 Kilogramm schwerem Magnetitgewicht bestehen und mit einer bis zu 600 Kilogramm wiegenden Grauguss-Platte kombiniert werden kann. Dank einer speziellen Verriegelungstechnik kann das sogar während der Fahrt geschehen.

Um das Angebotssortiment zu komplettieren, haben die Tenwinkels bereits vor zwei Jahren ihr Produktportfolio um kompakte Ballastierungen aus Grauguss ergänzt, die mit adaptiven Zusatzgewichten erweitert werden können.

Wie Stefan Tenwinkel ausführt, sind die Gewichte in der Regel mit einer Rangierkupplung ausgestattet und so genormt, dass sie auch in die Heckhydraulik passen. Trotzdem – und obwohl die Nachfrage am Markt in den letzten Jahren enorm geschrumpft ist – haben die Vredener noch immer auch Heckgewichte im Programm. Diese sind besonders flach gebaut und für die Unterlenkermontage konzipiert, so dass bei Bedarf ein Anhänger im Schlepperzugmaul mitgeführt werden kann.

Tenwinkel: Ein wirkliches Schwergewicht im Münsterland

Markus Tenwinkel im Rohgewichte-Lager, wo die Gewichte nach dem Ausschalen zunächst aushärten müssen.

Fokus auf Handel und OEM

Mit allgemein stärker werdenden Traktoren hält auch der Trend zu schwereren Ballastgewichten ungebrochen an. Dazu Markus Tenwinkel: „Bis Ende des letzten Jahrtausends waren die Gewichte im Schnitt zwischen 700 bis 800 Kilogramm schwer, wogen aber nie mehr als eine Tonne. Heute dagegen liegen wir im Schnitt zwischen 1.100 und 1.200 Kilogramm.“

Wie Stefan Tenwinkel berichtet, verlassen jährlich etwa 18.000 bis 19.000 Gewichte das Werk. Nach weiteren Angaben des 47-Jährigen liefert das Unternehmen knapp 40 Prozent davon direkt ans Band der Traktoren- und Baumaschinenhersteller. Zusammen mit verschiedenen OEMs konstruiert der stille Gigant aus Vreden sogar eigene Serien, die speziell auf die Funktiona- litäten und Designs der jeweiligen Traktoren abgestimmt sind. „Wir haben gemeinsam mit Claas das komplette Ballastierungssystem für den Xerion in Design und Funktionalität entwickelt. Das System besteht aus Stahlbaukomponenten sowie Magnetit- und Graugussgewichten“, erläutert Markus Tenwinkel. Der Spezialist für technische Betonteile bietet aber nicht nur Claas sämtliche Leistungen von der Herstellung bis zum Verkauf aus einer Hand. Auch weitere namhafte OEMs wie Case IH / Steyr und New Holland sowie Same Deutz-Fahr und Argo Tractors ordern bereits Gewichte aus Vreden. Gleiches gilt im Aftermarket. Seit 2021 können Landmaschinen-Fachhändler die Traktorgewichte direkt bei Tenwinkel beziehen. Auf Wunsch und bei entsprechender Stückzahl können auch individuelle Logos erhaben auf den Gewichten aufgebracht werden.

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Auch im Bereich der Betonlackierung ist laut Markus Tenwinkel Spezialwissen gefragt.

Direkter Draht zum Kunden

Nach der Trennung von ihrem langjährigen Exklusivvertriebspartner vor gut zwei Jahren wollen die Brüder Tenwinkel den Eigenvertrieb der Traktorgewichte europaweit weiter ausbauen. Schon heute stellt das Unternehmen von seinem Standort in Vreden den Vertrieb in der DACH- und Benelux-Region sicher. Osteuropa und die Balkanländer betreut der Importeur Totec von Polen aus. Auch in Spanien gibt es bereits einen Vertriebspartner sowie ein Zwischenlager. Weitere Zwischenlager sollen demnächst in Frankreich und Italien entstehen.

Die Tenwinkel-Brüder sind froh darüber, dass sie den Schritt in den Eigenvertrieb gewagt haben. Und das nicht nur, weil sie dadurch die Wertschöpfung im Unternehmen erhöhen konnten. Vielmehr sind sie überzeugt, dass sie durch den direkten Draht zu den Abnehmern die Kundenbindung stärken können. „Persönliche Kundengespräche steigern die Schlagkraft im Vertrieb“, betont Markus Tenwinkel. Einen Direktvertrieb an die landwirtschaftlichen Endkunden schließen die beiden Geschäftsführer weiter kategorisch aus. Stattdessen haben sie den Landmaschinenfachhandel und die OEMs fest im Visier. Die Spezialisten für Schwerbeton sehen sich breit aufgestellt und nehmen Kurs auf weiteres Wachstum. Unter der neuen Eigenmarke TW können sie ein breites Sortiment an Traktorgegenwichten anbieten.

Schnell gelesen

Das Familienunternehmen Tenwinkel ist nach eigenen Angaben der führende Anbieter von Ballastierungen für Traktoren und Baumaschinen. 2021 ist der Münsterländer Spezialist für technische Betonteile in den Eigenvertrieb umgestiegen. Durch direkten Kontakt zu den Traktorherstellern und den Fachhändlern will das Unternehmen den Marktanteil bei den Traktorgewichten weiter ausbauen.


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