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Corona-Vorlesungen Die Corona-Pandemie hat das Studium komplett verändert. Wir haben zwei Professoren und zwei Studierende gefragt, wie sie mit der Situation umgehen, welche Lösungen es gibt und wie man trotzdem erfolgreich lehren und studieren kann. Prof. Olga Spomer vom Fachbereich Management und Kommunikation an der Technischen Hochschule Mittelhessen in Gießen hatte zu Beginn des Wintersemesters rund 50 Päckchen vorbereitet. Inhalt: Ätherische Öle und Gegenstände zum Ertasten oder zum Schmecken. Sie erklärt, was das mit dem Studium zu tun hat: „Jeder meiner Studenten hat das Päckchen per Post erhalten. Ich habe damit in der Vorlesung zum multisensorischen Marketing die fünf Sinneswahrnehmungen erklärt“, begründet sie diese ungewöhnliche Aktion. Für die Studierenden keine Spielerei: Das Auseinandersetzen mit Riechen, Fühlen, Schmecken und so weiter ist Teil der Note für diesen Kurs. Das Beispiel ist eine von vielen Maßnahmen, zu denen Professoren in diesem Jahr gezwungenermaßen gegriffen haben. Denn seit März ist ein geregelter Studienbetrieb nicht mehr möglich. Nach den massiv steigenden Infektionszahlen mit Covid 19-Fällen und dem bundesweiten Lockdown verlagerte sich der Studienalltag mehr und mehr ins Internet – gefordert durch Auflagen der Bundesländer, die die „sofortige Aussetzung des laufenden beziehungsweise die Verschiebung des anstehenden Vorlesungsbetriebs als Präsenzlehre im Sommersemester 2020 bis mindestens nach Ostern“ empfahlen. Der Versand der Päckchen war für Spomer der Versuch, ein wenig Präsenz in die digitale Welt zu bringen. „Es ist ansonsten schwer, die Bindung zu den Studierenden zu halten“, sagt sie. Neue Herausforderung Auch für die Professorin war der Umstieg nicht einfach. Das Sommersemester 2020 war für die frühere Produktmanagerin beim Landmaschinenhersteller Claas das erste Semester an der Hochschule. „Ich habe bis jetzt noch keine Vorlesung vor einem richtigen Hörsaal halten können“, sagt sie. Kurz vor Semesterbeginn konnte sie die vorbereiteten Vorlesungsunterlagen fast komplett wieder einstampfen. Sie hat sie massiv gekürzt und komprimiert. Anschließend zeichnete sie die Vorlesungen zuhause digital auf. Statt der vierstündigen Vorlesung dauern die Aufzeichnungen nur 30 bis 60 Minuten. Auch den Videoschnitt übernimmt sie selbst. Die Kursteilnehmer können sich diese digitale Version nach Belieben ansehen. In den Online-Sprechstunden mit dem Programm „Zoom“ zu den Zeiten, an denen sonst die Vorlesungen stattgefunden hätten, können sie Fragen stellen und über die Inhalte diskutieren. „Das ist wichtig, sonst wird die Lehre immer mehr zum anonymen Fernstudium“, sagt die Professorin. Prof. Wolfgang Kath-Petersen von der Technischen Hochschule Köln bietet dagegen im Landtechnikstudium Live-Vorlesungen an. „Innerhalb von zwei Wochen nach dem Lockdown konnten wir starten und hatten auch nur wenig technische Probleme“, blickt er zurück. Auch für ihn und seine Kollegen war es sehr ungewohnt, plötzlich nur noch den Bildschirm vor Augen zu haben. „Man stellt die Inhalte vor, weiß aber nicht, wie viele Studierende man im Laufe der Vorlesung verliert. Denn Prof. Olga Spomer startete ihr erstes Semester an der Hochschule als Dozentin nur mit Online-Seminaren. man sieht sie ja nicht mehr“, schildert er das Manko. Bei größeren Gruppen nutzt er gern einen Moderator, der parallel zur Vorlesung den Chatverlauf kontrolliert und von Zeit zu Zeit Zwischenfragen stellt. „Was sich auch bewährt hat, ist die Aufteilung der Zuhörer in kleinere Gruppen, die man in Breakout-Rooms zusammenbringt. Dann können sie bestimmte Themen vertiefen“, erklärt er. Er kann sich als Referent in die einzelnen virtuellen Räume schalten, Impulse zur Diskussion geben und zur nächsten Gruppe gehen. Nach einer Zeit gelangen alle wieder zusammen in den großen „Raum“ und können die Teilergebnisse vortragen Studieren mit Abwesenheitspflicht Privat n 24 | on track | 2021


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