Das Ende für windige Anwaltskanzleien?

Abmahnmissbrauch soll effektiv verhindert werden: Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs beschlossen – Reparaturklausel soll den Markt sichtbarer Ersatzteile für Nachbauteile öffnen

Wettbewerbsrecht: Das Ende für windige Anwaltskanzleien?

Das Geschäftsmodell spezialisierter Anwälte ist durch die Reform des Abmahnwesens obsolet.

Der Deutsche Bundestag hat jetzt in zweiter und dritter Lesung den vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs beschlossen.

Das Gesetz enthält ein umfassendes Paket an Maßnahmen, das zu einer erheblichen Eindämmung des Abmahnmissbrauchs führen wird und damit insbesondere Selbstständige sowie kleinere und mittlere Unternehmen vor den Folgen solcher Abmahnungen schützen soll. Er beruht sowohl auf einem Auftrag im Koalitionsvertrag sowie auch auf einem Beschluss des Deutschen Bundestages vom 14. Juni 2018. Das Gesetz ergänzt darüber hinaus das Designgesetz um eine sogenannte Reparaturklausel, die den Markt für sichtbare Ersatzteile für den Wettbewerb öffnet.

Das Gesetz enthält zum einen Maßnahmen zur Verhinderung des Abmahnmissbrauchs. Dies betrifft insbesondere folgende Kernpunkte:

■ Finanzielle Anreize für Abmahner verringern

Abmahnungen sollen zu einem rechtstreuen Wettbewerb beitragen und nicht zur Generierung von Anwaltsgebühren und Vertragsstrafen missbraucht werden. Die Verringerung finanzieller Anreize ist daher ein wirksames Mittel, um missbräuchliche Abmahnungen einzudämmen. Zu diesem Zweck haben Mitbewerber bei Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet oder bei Verstößen von Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern gegen Datenschutzrecht keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die Abmahnung. In diesen Fällen wird bei einer erstmaligen Abmahnung auch die Höhe einer Vertragsstrafe begrenzt.

■ Voraussetzungen für die Anspruchsbefugnis der Abmahner erhöhen

Wettbewerbsverhältnisse sollen nicht bewusst geschaffen werden, um Einnahmen durch Abmahnungen zu ermöglichen. Mitbewerber können Unterlassungsansprüche daher in Zukunft nur noch geltend machen, wenn sie in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich Waren oder Dienstleistungen vertreiben oder nachfragen. Online-Shops mit Fantasieangeboten werden damit ebenso ausgeschlossen wie Mitbewerber, die bereits insolvent sind und gar nicht mehr am Wettbewerb teilnehmen.

Auch unseriösen Wirtschaftsverbänden, die zur Erzielung von Einnahmen aus Abmahnungen gegründet werden, wird die Geschäftsgrundlage entzogen. Anspruchsberechtigt sind nur noch Wirtschaftsverbände, die sich – nach Erfüllung bestimmter Anforderungen – auf einer Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände eintragen lassen. Die Erfüllung der Anforderungen durch die Wirtschaftsverbände wird durch das Bundesamt für Justiz regelmäßig überprüft.

■ Gegenansprüche des Abgemahnten erleichtern

Die Betroffenen können missbräuchliche Abmahnungen in Zukunft durch die Schaffung mehrerer Regelbeispiele für missbräuchliche Abmahnungen leichter darlegen. Hierzu zählt die massenhafte Versendung von Abmahnungen durch Mitbewerber genauso wie Fälle, in denen eine offensichtlich überhöhte Vertragsstrafe verlangt wird oder Mitbewerber einen unangemessen hohen Gegenstandswert ansetzen. Wer zu Unrecht abgemahnt wird, erhält außerdem einen Gegenanspruch auf Ersatz der Kosten für die erforderliche Rechtsverteidigung. Abmahner müssen die Berechtigung einer Abmahnung daher in jedem Einzelfall sorgfältig prüfen, um finanzielle Risiken zu vermeiden.

■ Wahl des Gerichtsstands einschränken

Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (sog. fliegender Gerichtsstand) ermöglicht dem Kläger bei nicht ortsgebundenen Rechtsverletzungen, sich das für ihn passende Gericht auszusuchen. In Zukunft gilt bei Rechtsverletzungen im Internet und im elektronischen Geschäftsverkehr einheitlich der allgemeine Gerichtsstand des Beklagten (des zuvor Abgemahnten).

■ Designgesetz

Im Gesetz enthalten ist darüber hinaus eine Ergänzung des Designgesetzes um eine sogenannte Reparaturklausel, die den Markt für sichtbare Ersatzteile für den Wettbewerb öffnet. Nach dem bisher geltenden Designrecht können Hersteller von komplexen Erzeugnissen, die aus mehreren auseinander- und wieder zusammenbaubaren Bauelementen bestehen (z. B. Fahrzeuge oder Maschinen), auch für einzelne Bauelemente (z. B. Kotflügel) Designschutz in Anspruch nehmen, sofern das Design neu ist und Eigenart hat. Dies gilt aber nur für solche Bauelemente, die in ein komplexes Erzeugnis eingefügt sind und die bei ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung sichtbar bleiben. Dadurch konnten „freie“ Ersatzteilhändler daran gehindert werden, die entsprechenden Teile ebenfalls – und unter Umständen billiger – zu vermarkten. Die nun beschlossene Neuregelung wird auf alle nach Inkrafttreten des Gesetzes angemeldeten Designs anwendbar sein und voraussichtlich zu einer Preisreduzierung bei sichtbaren Fahrzeugersatzteilen wie Karosserieteilen, Scheinwerfern und Verglasungen führen.


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