Der hohe Fahrkomfort einer modernen Landmaschine entkoppelt den Fahrer förmlich von seiner Umwelt. Vor 50 Jahren saß der Bediener in einer „Blechschale“ in direkter Verbindung mit dem Getriebe im Führerstand und konnte auf akustische Signale wie Klappern, Quietschen und Rattern sofort Einfluss nehmen und entsprechend reagieren.
Heute „wohnen“ die Fahrer in einer Hightech-Kabine, umgeben von unzähligen Monitoren, Schaltern und Leuchtdioden. Eine gefederte Vorderachse, ein hochfrequenzgesteuerter Fahrersitz, eine schalldichte Kabine, Radio, Klimaanlage und hydrostatischer Fahrantrieb gehören heute zur Standardausstattung.
Durch diese vielen Annehmlichkeiten verliert der Fahrer oft den „Bodenkontakt“. Er verlässt sich auf die technischen Systeme und Anzeigen auf den Monitoren der digitalen Signale 0 und 1 der Überwachungssensorik. Dauerhaft wird der Fahrer mit Telemetriedaten von Motor, Reifen und Gerät geflutet. Die Verbindungseinrichtung hingegen bekommt ihre Aufmerksamkeit „vielleicht“ einmal bei der Abfahrtskontrolle, also nur kurz vor dem Einsteigen.
Hat der Fahrer beim Ankuppeln einen Fehler gemacht, zum Beispiel kollidiert die Kalotte der Deichsel mit dem Niederhalter der Kugelkupplung, kann es zu einer mechanischen Verformung kommen, die der Anwender in der Hektik im ersten Moment nicht wahrnimmt. Ohne Kamera ist es oft gar nicht möglich, dass man vom Fahrersitz aus beim Ankuppeln die Kugel 80 einsehen kann; wer klappt im Winter in einer geheizten Kabine schon das Heckfenster auf und nutzt den dafür angebrachten Heckspiegel, weil Steuerventile, Hydraulikleitungen, Oberlenker und Zugmaul die Sicht versperren? Der Fahrer kuppelt dann auf „Kontakt“.
Was bei automatischen Bolzensystemen gewollt ist, kann bei Kugelsystemen zu Schäden an der Niederhaltereinrichtung führen. Diese kann Haarrisse bekommen, welche dann aufgrund der Belastungen im Einsatz zum Ausfall des Systems führen. Eine Überwachungssensorik gibt es für diese Schnittstelle bis dato nicht.
Weitere Situationen, die Verbindungseinrichtungen überlasten, sind Überschreitungen der vorgeschriebenen Bewegungswinkel. Landwirtschaftliche Kupplungen sind für einen horizontalen Bewegungswinkel von mindestens 60 Grad geeignet. In der Regel ist dies ausreichend, da Zugdeichseln oder Lenkstangen oft schon deutlich früher (also vor Erreichen der 60 Grad) mit den Hinterreifen kollidieren. Dabei wirken große Hebelkräfte auf die Verbindungseinrichtung, was zu Beschädigungen bis hin zum Bruch führen kann. Sichtbar wird diese Überschreitung durch metallisch blanke Stellen an der Deichsel.
Vertikale Bewegungswinkel treten auf, wenn man Böschungen hoch- oder runterfährt oder auf steil ansteigende Silos fährt. Die Mindestanforderung für vertikale Bewegungswinkel sind 20 Grad nach oben und unten. Walterscheid erreicht hier bei Kugelsystemen aufgrund eines besonderen Designs bis zu 36 Grad, was einen enormen Vorteil für den Anwender darstellt. Häufig werden horizontale Bewegungswinkel beim Rangieren in der Rückwärtsfahrt überschritten, welche wegen der „hermetischen“ Isolation des Fahrers kaum wahrgenommen werden.
All diese täglich auftretenden Situationen werden durch die Verbindungseinrichtungen absorbiert und führen zum Verschleiß bis hin zum plötzlichen Ausfall des kompletten Systems.
Der wichtigste „Sensor“ ist und bleibt der Mensch. Der Fahrer einer Zugmaschine kann durch korrektes Ankuppeln die Lebensdauer der Verbindungseinrichtung und nicht zuletzt die Sicherheit für Leib und Leben beeinflussen.
Im nächsten Beitrag gehen wir auf Symptome und Auswirkungen vom „Bolzenfieber“ ein. Hier erfahren Sie, warum Kuppelbolzen von automatischen Kupplungen an dieser „Krankheit“ chronisch leiden.