Fliegende Detektive unterwegs im Forstrevier

Multispektralkamera, elektronische Nase oder Thermosensor: Um rindenbrütende Schadinsekten im Wald frühzeitig aufzuspüren, werden Drohnen mit verschiedensten Detektoren ausgerüstet. Doch Praktiker sind mit den „Ermittlungserfolgen“ nach den Übeltätern zwischen Baum und Borke noch nicht zufrieden.

Waldhygiene: Fliegende Detektive unterwegs im Forstrevier

Die Multispektralkamera ist mit der Drohne über ein austarierendes Gimbal verbunden.

Waldhygiene: Fliegende Detektive unterwegs im Forstrevier

Mit lautem Surren erhebt sich der „GreenCopter“ des Thüringer Unternehmens Rucon (IBR Ingenieurbüro Ruppe) von einer Waldlichtung des Colditzer Forstes bei Leipzig. Mitarbeiter Martin Faber steuert das viermotorige Fluggerät mit dem Joystick über die Wipfel der umstehenden Bäume. Dann drückt er auf einen Knopf und legt die Bedienkonsole beiseite. „Der Quadro-Copter steigt jetzt selbständig auf etwa 100 Meter und fliegt dann Bahn für Bahn die programmierte Fläche ab“, erläutert der Drohnenpilot. Auf der gesamten Flugroute fertige eine Multispektralkamera Aufnahmen von der überflogenen Waldfläche. Damit die Kamera bei allen Flugbewegungen, etwa einer kurzzeitigen Schräglage durch Windstöße, immer senkrecht nach unten zeigt, ist sie an einem selbständig austarierenden Gimbal befestigt. Nach etwa zehn Minuten surrt die Drohne wieder über der Lichtung. Per Handsteuerung landet sie auf der Waldwiese. „Die Bilddaten der Multispektralkamera senden wir an ein österreichisches Unternehmen“, informiert Faber, während er das Fluggerät abrüstet und im Heck seines Kombis verstaut.

Stressanalyse mit der Multispektralkamera

Das österreichische Start-up Festmeter Wöls GmbH, das die Aufnahmen auswertet, hat es sich zur Aufgabe gemacht, vom Borkenkäfer befallene Bäume bereits im sogenannten Green-attack-Stadium zu identifizieren, also bevor sich die Nadeln sichtbar verfärben. „So können die Stämme noch vor der Rotstreifigkeit des Holzes geschlagen werden“, sagt Festmeter-Vertriebschef Bernd Cresnar.

Um dies zu erreichen, zeichnet die an der Drohne befestigte Multispektralkamera das von den Fichtennadeln reflektierte Sonnenlicht auf. Dies geschieht dank mehrerer Linsen parallel im sichtbaren roten und im für das menschliche Auge nicht sichtbaren nahinfraroten Spektralbereich. Aus dem Vergleich lässt sich der Vegetationsindex (NDVI) und damit der Stresszustand des Baumes errechnen. Vitale Pflanzen mit aktiver Fotosynthese reflektieren nämlich weniger sichtbares Licht, dafür mehr im Infrarotbereich und umgekehrt. Die Auswertung der aus den Einzelaufnahmen zusammengesetzten digitalen Luftbilder erfolgt automatisch mit der dafür von der Firma Festmeter entwickelten Software „Waldfee“. Damit können nach Aussage des Unternehmens vom Borkenkäfer befallene Bäume vier Wochen vor einer sichtbaren Nadelverfärbung erkannt und deren Lagekoordinaten zum Auffinden in einer Karte verzeichnet werden.

Praxistest zur Früherkennung im Bestand

Der Drohneneinsatz im Colditzer Forst war Teil eines mittlerweile abgeschlossenen gemeinsamen Praxistestes forstlicher Forschungseinrichtungen in Baden Württemberg, Sachsen und Thüringen. Im Fokus stand hier der Buchdrucker. „Diese Borkenkäferart ist der biotische Hauptschadfaktor in Fichtenbeständen. Allerdings wird der Schaden erst sichtbar, wenn sich die Insekten bereits vermehrt und ihre Nachkommen längst weitere Bäume angegriffen haben. Dreh- und Angelpunkt bei der Bekämpfung des Buchdruckers wie auch anderer rindenbrütender Insekten ist daher das Erkennen der Hotspots, von denen sich der Befall ausbreitet“, erläutert Lutz-Florian Otto, Referatsleiter Waldbau und Waldschutz beim Staatsbetrieb Sachsenforst. Nur so sei es möglich, die Bäume rechtzeitig, das heißt vor dem Käferschlupf, zu entnehmen. Das Holz ließe sich dann noch verwerten. Zugleich werde der weitere Befall gestoppt und nicht zuletzt der Einsatz von Pestiziden vermieden. Allerdings sei die heute hauptsächlich praktizierte Suche nach befallenen Bäumen durch Kronenbegutachtung oder die Suche nach Harztropfen und dem kaum auffälligen Borkenkäferbohrmehl am Stammfuß anstrengend und teuer.

Hinzu kommt, dass die Käfer alle gleichzeitig schwärmen, wenn es im Frühling warm wird. „Dann müssen große Flächen innerhalb kurzer Zeit abgesucht werden. Das erfordert einen Personalaufwand, der nicht vorhanden ist“, sagt Dr. Marco Heurich vom Nationalpark Bayerischer Wald. So läuft die Forstwirtschaft dem Borkenkäfer ständig hinterher.

Um herauszubekommen, ob hier die Fernerkundung mittels Drohnen praktikabel ist und eine Effizienzsteigerung bringt, wurden für den Test elf Untersuchungsflächen unterschiedlicher Größe eingerichtet. Sie lagen beispielsweise am Ettersberg in Thüringen, im Nationalpark Schwarzwald in Baden Württemberg oder im Tharandter Wald und dem Colditzer Forst in Sachsen. Auf den ausgewählten Fichtenarealen hatten sich die Schadinsekten bereits eingenistet oder es wurde ein Buchdrucker-Befall durch die Ausbringung des Duftstoffes (Pheromon) „Pheroprax“ induziert.

Über den Baumwipfeln fanden im Zeitraum von Mai bis Oktober mehrere Erkundungsflüge von Drohnen mit Multispektralkamera statt. Die daraus abgeleitete Karte wies Hotspots getrennt nach Fichten im Green-attack-Stadium und in der Spätphase, dem Red-attack-Stadium, aus, bei dem die rostrote Verfärbung der welkenden Nadeln schon weithin sichtbar ist. Gleichzeitig beobachteten die Revierleiter die Befallsentwicklung mit klassischen Methoden, um Daten als Referenz für die Versuchsauswertung zu erhalten. Außerdem befanden sich in den Gebieten Messstellen zur Erfassung der Temperatur.

Waldhygiene: Fliegende Detektive unterwegs im Forstrevier

Vor dem Hintergrund eines Luftbildes sind die einprogrammierten Flugbahnen für den Einsatz der Drohne mit Multispektralkamera über einem Fichtenbestand im Colditzer Forst bei Leipzig zu sehen.

Forscherteams tüfteln an weiteren Methoden

Wegen der Bedeutung rindenbrütender Schadinsekten für den Waldbestand und dem starken Anstieg des Befallsdrucks, befördert unter anderem durch den Klimawandel, befassen sich auch andere Forscherteams in Deutschland mit dem frühzeitigen Auffinden von Borkenkäfer-Hotspots im Baumbestand. Sie setzen dabei ebenfalls auf Fernerkundung mittels Drohen, jedoch auf eine andere Sensorik.

So entwickeln Wissenschaftler der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg sowie der Universitäten in Freiburg und Göttingen zusammen mit Drohnenspezialisten der Firma Cadmic im Forschungsprojekt „Protectforest“ ein spezielles Fluggerät, das den Befall mit einem Gassensor erschnüffelt. Dies ist keineswegs zu weit hergeholt. Am Bundesforschungszentrum Wald (BFW) in Wien werden tatsächlich seit 2009 Käferhunde ausgebildet, die mit ihren sensiblen Nasen in der Lage sind, die Geruchsfahne verschiedener Forstschädlinge aufzunehmen. Um eine höhere Flächenleistung zu erzielen und die Erfassung zu automatisieren, machen sich die Entwickler des elektronischen Flugspürhundes den Umstand zu nutze, dass die Buchdrucker nach dem Anflug zunächst die Rinde durchbohren. Die Fichte wehrt sich gegen diesen Angriff durch verstärkten Harzfluss. Der dabei entstehende markante Geruch, der sich über den Baumkronen ausbreitet, dient der elektronischen Nase an der Drohne als Fährte zum Lokalisieren befallener Bäume. Die Daten zur Geruchsintensität (Monoterpenkonzentration) werden unmittelbar in eine Internet-Cloud gesendet und daraus sogenannte HeatMaps zur aktuellen Befallssituation erstellt. Nach Aussage von Dr. Sebastian Paczkowski von der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg ermögliche diese Spürmethode eine Detektion unmittelbar nach dem Einnisten der Borkenkäfer und somit forstliche Gegenmaßnahmen, um eine explosive Zunahme der Käferpopulation und die daraus resultierenden Folgeschäden zu verhindern.

Mit einer Art Fiebermessung wollen Forscher am Technologie Campus Freyung der Technischen Hochschule Deggendorf dem Borkenkäfer bereits in der Green-Attack-Phase auf die Spur kommen. „Unser Ausgangspunkt ist, dass sich die Temperatur des Baumes erhöht, wenn er sich gegen die Käferangriffe zur Wehr setzt. Dies erfassen wir mit einer Hightech-Kamera, die Licht in viele Wellenlängen zerlegt und so feinste Temperaturunterschiede in den Baumkronen sichtbar macht“, beschreibt Dr. Peter Hofmann den Ansatz der Forscher.

Systeme durchweg noch nicht praxisreif

Auf praxisreife Verfahren für ein umfassendes Borkenkäfermonitoring müssen Forstleute und Waldbesitzer aber wohl noch einige Zeit warten. Wann das fliegende Fieberthermometer für den Wald einsatzbereit ist, lässt sich nach Auskunft der Entwickler noch nicht abschätzen. Ebenso gehen die Akteure beim Projekt „Protectforest“ davon aus, dass es mindestens noch ein Jahr dauert, bis die „Schnüffeldrohne“ verlässliche Daten liefert. Die Ursache dafür liegt in beiden Fällen weniger bei der mittlerweile recht zuverlässigen Hardware, als vielmehr beim aufwändigen Erstellen von Algorithmen für die Auswertung der Messdaten im Computer, bei denen vielfältige Umweltparameter und die unterschiedlichen Messbedingungen im Wald zu berücksichtigen sind.

Auch die Ergebnisse der Tests mit der Multispektralkamera waren für die Forstpraktiker ernüchternd. „Eine wirkliche Basis für forstsanitäre Maßnahmen ist das noch nicht“, meint Otto. Der Waldschutzexperte nennt zwei Hauptgründe, warum die derzeitige verfügbare Technologie kein aussagefähiges Borkenkäfer-Monitoring ermöglicht. Zum einen hapere es an der Verlässlichkeit der Angaben. So seien auf einer 10 ha großen Versuchsfläche im Harz vier Wochen nach Befallsbeginn terrestrisch, also bei Sichtkontrollen durch das Forstpersonal, 150 Fichten als befallen eingestuft worden. Das Programm „Waldfee“ habe dagegen auf Grundlage der Multispektralaufnahmen nur zwei Treffer geliefert. Nach über vier Monaten waren es terrestrisch 208 Bäume gegenüber 120 bei der Bilddatenauswertung. Die erste Buchdruckergeneration war zu diesem Zeitpunkt längst ausgeflogen und hatte weitere Fichten befallen.

Auf einer 22 ha großen Versuchsfläche im Schwarzwald entpuppten sich elektronisch identifizierte Spätphasen-Bäume als schon vor Jahren abgestorbene Fichten, die zum Teil auf dem Boden lagen. Andererseits ließen sich an Hotspots, die sich laut Bildauswertung im Green-attack-Stadium befanden, bei der Begutachtung vor Ort keinerlei Auffälligkeiten feststellen oder die Fichten hatten Kronenbrüche bzw. Nadelverfärbung durch Spätfrost bzw. Manganmangel. Insgesamt identifizierte die Drohne in diesem Waldgebiet 258 Hotspots. Tatsächlich fand sich der Buchdrucker aber nur an 37 Fichten und diese waren wiederum nur teilweise als Hotspot gelistet. „In der Forstpraxis wäre extrem viel Zeit in die Überprüfung dieser falsch ausgewiesenen Befallsbäume investiert worden, die andernorts an tatsächlichen Befallsbereichen gefehlt hätte“, gibt Otto zu bedenken.

Ein weiteres Manko resultiere aus der Unzulänglichkeit der üblicherweise eingesetzten Ortungssysteme. Beim Auffinden der ausgewiesenen Befallsbäume in den Beständen kämen meist einfache GPS-Tracker zum Einsatz. Abhängig vom Antennenempfang führen sie zu Positionsabweichungen von zehn Metern und manchmal mehr. Diese Ungenauigkeit summiere sich mit den ohnehin methodisch bedingten Lagefehlern von einigen Metern in den Luftbildern. Somit könne die drohnenbasierte Analyse den Forstpraktiker allenfalls in den richtigen Bestandesteil führen. Vor Ort müsse er dann weiterhin nach Befallsspuren suchen.

Waldhygiene: Fliegende Detektive unterwegs im Forstrevier

Eine drohnenbasierte Früherkennung des Borkenkäferbefalls an Fichten ist mittels Temperaturmessung mit Infrarot-Sensoren (li.), durch die Auswertung der Bilder von Multispektralkameras (Mitte) oder die Detektierung des Harzgeruchs durch Gas-Sensoren (re.) möglich. Alle Methoden sind bislang noch nicht praxistauglich.

Forstleute hoffen auf verbesserten „Borkenindex“

Dennoch betrachtet Otto die luftbildbasierte Früherkennung von Borkenkäferbefall nicht generell als gescheitert. Jüngste Forschungsarbeiten hätten gezeigt, dass sich die Ergebnisqualität der automatischen Analyse bedeutend steigern ließe, etwa durch die Kombination mit Satellitendaten, eine verbesserte Baumartenerkennung oder die weitere Spezifizierung des „Borkenindex“, der eine verlässliche Zuordnung typischer Erscheinungen von Borkenkäferattacken in den Aufnahmen der Multispektralkamera erst gewährleistet. Zudem sei zu erwarten, dass leistungsstärkere GPS-Technik in naher Zukunft das Ausweisen als auch das Auffinden befallener Bäume erleichtert. „Wir werden die Entwicklung aufmerksam verfolgen“, versichert Otto.

Die Zeit drängt. Gemäß des sächsischen Waldzustandsberichtes stieg 2019 die Schadholzmenge um 1,1 Mio. m³ auf insgesamt 2,6 Mio. m³. Zum Vergleich: Bis 2017 lag der jährliche Zuwachs an Schadholz im Schnitt in Sachsen bei 30.000 m³. Deutschlandweit hat der Borkenkäfer in den vergangenen zwei Jahren fast 70 Mio. m³ Fichtenholz zerstört. Und jeder tote Baum fällt als CO2-Speicher aus.

Fichte – „Brotbaum“ mit wachsendem Risiko

Zahlreiche Insekten und Pilze können Schäden an der Fichte verursachen, sie ist die Baumart mit dem höchsten Waldschutzrisiko in unseren Breiten. Gleichzeitig ist sie die wirtschaftlich bedeutendste Baumart in deutschen Mittelgebirgen. Infolge des Klimawandels könnten sich durch prognostizierte steigende Temperaturen und zunehmende sommerliche Trockenperioden die Wuchsbedingungen der Fichte maßgeblich verschlechtern. Zusätzlich werden ihre bedeutendsten potenziellen biotischen Schädlinge, die Borkenkäfer, durch diese Klimaveränderungen weitgehend begünstigt. Rund 40 Borkenkäferarten nutzen als Rinden-, Holz- oder Wurzelbrüter die Fichte als Wirtspflanze. Sie sind grundsätzlich Sekundärschädlinge, benötigen in der Regel also eine Vorschädigung oder Schwächung ihrer Wirtspflanze. Der große Buchdrucker und der kleine Kupferstecher sind jedoch bei ausreichend hoher Populations- und daher hoher Angriffsdichte in der Lage, auch vitale Bäume erfolgreich zu befallen.

Quelle: Dr. Reinhold John, Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA)


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