Konzern steht kräftig unter Strom

Nach einem Jahr 2020 mit deutlichen Verlusten gibt man sich bei Wacker Neuson für 2021 wieder verhalten optimistisch. Die Hoffnungen – nicht nur der Anteilseigner – ruhen vor allem auf dem neuen Vorstandschef Karl Tragl.

Wacker Neuson: Konzern steht kräftig unter Strom

Unter dem neuen Konzernchef Karl Tragl wird Wacker Neuson die Elektrifizierung, wie hier beim Hoflader, vorantreiben.

Es wirkt ein wenig wie ein Zeichen in Richtung Zukunft: Der neue Chef von Wacker Neuson hat mit einer Arbeit bei der Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrttechnik promoviert, sein Spezialgebiet war dabei die Elektrotechnik. Doch bis Karl Tragl beim Mutterkonzern von Weidemann-Hoflader richtig abheben kann, muss das Münchner Baumaschinen- und Landtechnik-Unternehmen erst einmal die Folgen der Covid-19-Pandemie verdauen.

Produktionshemmnisse durch fehlende Teilelieferungen und vor allem die Auswirkungen von Corona auf die Nachfrage von Verleihmaschinen in den USA haben den langjährigen Wachstumstrend von Wacker Neuson 2020 gebrochen, beim Umsatz musste ein Minus von 15 Prozent auf 1,62 Milliarden Euro hingenommen werden. Dass es nicht noch schlimmer kam, ist einem relativ stabilen Markt in Europa und damit auch der Landtechniksparte zu verdanken. 80 Prozent vom Gesamtumsatz werden in Europa gemacht, der 2020 sechs Prozent geringer als im Vorjahr ausfiel. Allerdings musste Wacker Neuson auch noch Lieferverzögerungen aus dem Jahr 2019 verarbeiten, die durch stockende Belieferung seitens des Motorenherstellers Deutz bedingt waren.

Den stärksten Einbruch erlebte der Konzern in den USA mit minus 41 Prozent beim Umsatz (270 Millionen Euro), dort wurde vor allem das für die USA so typische Vermietgeschäft beeinträchtigt. Der ungenutzte Maschinenpark schlug auch deutlich auf den Gewinn durch, weshalb die Hauptversammlung im vergangenen Jahr sogar die Dividendenzahlung für die Aktionäre ausgesetzt hatte. In Asien-Pazifik waren es minus zwölf Prozent beim Umsatz, der allerdings bisher kaum drei Prozent vom Gesamtgeschäft ausmacht. Immerhin: Die Nettofinanzverschuldung ist mit 138 Millionen Euro auf dem niedrigsten Niveau seit vielen Jahren, der freie Cashflow drehte von negativen 116 Millionen Euro auf positive 329 Millionen.

Bei der Vorstellung der 2020er-Zahlen gab Kurt Helletzgruber – der seit dem Jahreswechsel aus dem Aufsichtsrat übergangsweise in den Vorstand entsendet ist und dort sowohl als CEO wie auch Finanzchef agiert, bis Tragl am 1. Mai anfängt und bald auch ein neuer Finanzvorstand gefunden ist – auch die Ziele für die Zukunft vor: Eine Dividende für 2020 soll wieder gezahlt werden, das Umsatzziel zwei Milliarden Euro wurde auf 2022 verschoben. Ein anderes Ziel ist die Erweiterung des vollelektrischen Portfolios – vom Stampfer im Bau bis hin zum emissionsfreien E-Lader auf dem Hof. Ein großer Teil der für 2021 geplanten rund 87 Millionen Euro Zukunftsinvestitionen dürften in diese Sparte fließen.

Vom noch andauernden Zwischenspiel Helletzgrubers abgesehen, das nötig geworden war, weil sowohl der Vorstandschef wie der Finanzvorstand zum Jahresende das Handtuch bei Wacker Neuson geworfen hatten, gibt es doch noch so etwas wie Kontinuität bei dem Familienunternehmen (fast 60 Prozent der Aktien sind noch in Familienhand) mit Sitz in München. Wie sein eigentlicher Vorgänger Martin Lehner, der 34 Jahre das Wachstum des Unternehmens begleitet hatte, ist auch Tragl Vater von fünf Kindern. Erfahrung mit Familien als Arbeitgeber hat er auch schon gemacht, bei der Nürnberger Diehl-Stiftung. Das Produktprogramm von Diehl umfasst unterschiedliche Geschäftsfelder in verschiedenen industriellen Branchen, von der Rüstung über die Wasserversorgung bis hin zu Kabinentechnik für große Flugzeuge.

Dass Tragl bei Diehl für 16.400 Mitarbeiter in aller Welt und einen Jahresumsatz von 3,4 Milliarden Euro verantwortlich war – zudem beim Aluminium-Spezialisten Alcoa in den USA zuständig für Produkte der Luftfahrt-, Rüstungs- und Autoindustrie – dürfte seine Position gegenüber dem mächtigen Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Neunteufel stärken, den Brancheninsider für die Abgänge im Vorstand mitverantwortlich machen.

Wohin es technisch mit dem Konzern geht, hat Tragl, der seit vielen Jahren Beiratsmitglied im Fachbereich Elektrische Antriebe des ZVEI ist, schon bei seiner Vorstellung deutlich gemacht: „Die Elektrifizierung und Digitalisierung in der Baumaschinenindustrie bringen Herausforderungen mit sich, bergen aber gleichzeitig enormes Potenzial für die Wacker Neuson Group.“ Die Börse hat Tragls Berufung schon honoriert: Der Aktienkurs von Wacker Neuson stieg seither nach langem Seitwärtstrend um gut 15 Prozent.


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