„Die Ernte 2022 ist noch lange nicht im Sack“

Prof. Reiner Mohr von Hanse Agro: Die Vermarktung unbedingt an den Düngerkauf koppeln

Volatile Märkte: „Die Ernte 2022 ist noch lange nicht im Sack“

Landwirte sollten schon für 2023/24 Weizen- sowie Rapsverkäufe mit Düngereinkäufen koppeln.

Vorverkäufe von Getreide und Raps aus der Ernte 2023 sollten unbedingt mit dem Düngerkauf synchronisiert werden. Prof. Reimer Mohr von der Hanse Agro Unternehmensberatungs GmbH begründet diese Empfehlung mit den extrem volatilen Preisen bei Betriebsmitteln und Agrarrohstoffen. „Wer sich mit Blick auf brüchige Lieferketten sicherheitshalber Stickstoffdünger auf den Hof legen will, sollte jetzt auch erste Vorverträge für die Ernte 2023 machen“, riet Mohr bei einer Düngefachtagung der SKW Piesteritz, die jetzt mit mehr als 200 Teilnehmern digital durchgeführt wurde.

Nur wer den aktuell teuren Düngereinkauf durch eine entsprechende Weizen- oder Rapsmenge gesichert habe, sei „auf der sicheren Seite“. Angesichts stark schwankender Märkte sei es ratsam, durch eine solche Kopplung bereits heute einen Teil der Marge für 2023/24 abzusichern.

Die von der Hanse Agro betreuten Ackerbaubetriebe hätten bereits relativ viel Ware aus der Ernte 2023 verkauft, berichtete der Unternehmensberater. Teils sei eine halbe bis eine Tonne Raps pro Hektar vorverkauft und im Gegenzug Dünger eingekauft worden. Mohr erinnerte daran, dass eine Zeitlang „für einen Lkw Dünger ein Lkw Raps weggegeben werden musste“. Solche Extreme zeigten, wie wichtig die Kopplung des Einkaufs an die Vermarktung sei. Beim Weizen seien einige Betriebe bei 280 Euro/t bis 300 Euro/t für die Ernte 2023 in den Verkauf gegangen – ebenfalls in Verbindung mit Düngerkäufen.

Was die Vermarktung der Ernte 2022 angeht, rät Mohr Betrieben mit bereits hoher Vorvertragsquote aktuell zum Aussetzen der Vermarktung. Betriebe mit geringerem Anteil sollten diesen vor dem Drusch beim Getreide allenfalls auf 25 % bis 40 % erhöhen, beim Raps auf bis zu 50 %. Er begründete diese Empfehlung mit der anhaltenden Trockenheit in Teilen Europas, die einen weiteren Preisanstieg nach dem Drusch wahrscheinlich mache. „Die Ernte 2022 ist noch lange nicht im Sack“, stellte Mohr bei der SKW-Düngefachtagung klar. Wer dann zu viel vorverkauft habe, müsse zu gegebenenfalls später höheren Preisen Deckungskäufe vornehmen. Der kontinuierliche Verkauf kleinerer Partien habe sich im Durchschnitt der Jahre als liquiditätssichernde Strategie bewährt. „Wer jetzt 40 % vorverkauft hat, sollte die restlichen 60 % bis in den März, April hinein vermarkten“, erklärte Mohr. So würden jeden Monat 8 % bis 10 % der eingelagerten Menge verkauft und man sei „immer mal mit einer Partie preislich gut dabei“.

Was das Vermarktungsinstrument angeht, tendiert Mohr aktuell zum klassischen Vorkontrakt mit dem Landhandel. Börsengehandelte Optionen zur Absicherung eines Mindestpreises seien aktuell einfach zu teuer, während die Landwirte bei Vorverkäufen per Matif-Terminkontrakt mit hohen Nachschussforderungen rechnen müssten, sollten die Preise nach dem Vorverkauf an der Börse durch die Decke gehen. „Deshalb bin ich mit Vorverkäufen über die Matif aktuell etwas vorsichtig“, lautet das Fazit des Agrarmarktexperten.


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