„Hightech geht auch bedienerfreundlich und intuitiv“

Niederländisches Familienunternehmen setzt auf innovative und praxistaugliche Maschinen – Bodenschonende und schlagkräftige Rübenvollernter und Gülleselbstfahrer

Vervaet: „Hightech geht auch bedienerfreundlich und intuitiv“

Hydro Trike: Spuren neben- statt hintereinander.

Vervaet: „Hightech geht auch bedienerfreundlich und intuitiv“

Einfachüberrollung und Hangstabilität: Beim neunreihigen Beet Eater 925 kann die erste von zwei Vorderachsen nach außen teleskopiert werden.

Die Zuckerrüben gedeihen hier prächtig. Dafür sorgen das milde Seeklima und vor allem die fruchtbaren Marschböden der Provinz Zeeland im Südwesten der Niederlande. Viele Orte liegen unter dem Meeresspiegel. Hier sind zahlreiche Acker- und Gemüsebauern zuhause. Sie setzen auf bodenschonende Techniken, die ihre ertragreichen, aber auch druckempfindlichen Böden vor unerwünschten, tiefergehenden Verdichtungen schützen.

Genau solche Bedürfnisse der Kunden haben das Familienunternehmen Vervaet von Anfang an inspiriert. Beheimatet ist es in Biervliet, einem kleinen Örtchen an der Westerschelde, dem südlichsten Meeresarm der Niederlande und damit im niederländischen Teil Flanderns, das zur Provinz Zeeland gehört.

Roder seit 45 Jahren

Bereits 1974 entwickelten die Brüder Frans und Richard Vervaet ihre ersten einphasigen Zuckerrübenroder mit Bunker. Seither hat das Unternehmen über 40 Jahre Erfahrung gesammelt und kontinuierlich in Forschung und Entwicklung investiert. Seine roten „Rübenfresser“ (englisch: Beet Eater) erfreuen sich in den verschiedensten Ländern der Erde großer Beliebtheit. – Mit Recht, denn die wendigen, leistungsstarken Maschinen bieten hohen Komfort, bestechen aber gleichzeitig durch ihre einfache Konstruktion. Eigenschaften, die Robin Vervaet in dem griffigen Slogan „Simple but high-tech“, zusammenfasst. „Wir streben höchste Qualität an und liefern innovative Hightech-Maschinen, die intuitiv zu bedienen und leicht zu warten sind. Mit großer Leidenschaft führt der 50-Jährige zusammen mit seinem Bruder Edwin das Familienunternehmen in der zweiten Generation. „Wir haben stets die Bedürfnisse und Anforderungen der Kunden im Blick. Nur so können wir – und das ist unser Anspruch – individuell passende Lösungen anbieten. Bereits bei der Entwicklung achten wir darauf, die gewünschten Maschineneigenschaften mit so wenigen Bauteilen wie möglich zu erreichen. Jedes Teil, das eingebaut wird, muss eine Aufgabe haben!“

Vervaet: „Hightech geht auch bedienerfreundlich und intuitiv“

Spurversetztes Fahren: Bodenschonung hat oberste Priorität.

Vervaet: „Hightech geht auch bedienerfreundlich und intuitiv“

Vervaet bietet mit der Q-Serie einen leichten, wendigen Roder an.

Ausschiebbare Räder

Flaggschiff der Vervaet Rodetechnik ist der neunreihige Beet Eater 925 mit 25-Tonnen-Bunker, der sich auf drei Achsen stützt.

Seit Herbst letzten Jahres wird der Gigant in verändertem Look unter der Bezeichnung EVO – das Kürzel steht für Evolution – ausgeliefert. Angetrieben wird das Facelift von einem Mercedes-MTU-Motor mit sechs Zylindern und 653 PS, die auch bei geringer Motordrehzahl anliegen. Außerdem wurden unter anderem die Tiefenregulierung des Rodeaggregats und die Sensoren für das automatische Lenksystem überarbeitet und verbessert.

Der Clou sind aber die sechs zueinander versetzten Niederdruckreifen an drei Achsen, mit denen der imposante rote Selbstfahrer den Boden auf der kompletten Arbeitsbreite von 4,50 Metern überrollt. Dabei laufen die beiden Hinterräder des Dreiachsers direkt nebeneinander; die Räder der ersten Vorderachse werden während der Arbeit beidseitig nach außen geschoben. Das spurversetzte Fahren schont nicht nur den Boden, sondern sorgt auch für mehr Standsicherheit auf dem Acker.

Dank Allradlenkung hat der Roder einen inneren Wenderadius von nur 8,5 Metern, so dass er auch enge Kurven spielend schafft.

Vervaet: „Hightech geht auch bedienerfreundlich und intuitiv“

Robin Vervaet und Harm Enting (r.) wollen in Deutschland die Zusammenarbeit mit dem Handel weiter ausbauen.

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In den Monaten Oktober bis Januar werden in Biervliet Hydro Trikes gebaut.

Kleiner Bruder mit sechs Reihen

„Was aber die Beliebtheit angeht, so liegt der sechsreihige Beet Eater 625 bei den Kunden vorne“, berichtet Harm Enting, der die Vervaet Kunden in Deutschland und im nördlichen Bereich der Niederlanden betreut. Abgesehen vom kleineren Rodeaggregat und einer starren Vorderachse unterscheidet sich der kleine aber kaum von seinem großen Bruder. Zum Entblättern der Rüben bietet Vervaet jeweils drei verschiedene Möglichkeiten an. Neben den unabhängig voneinander angetriebenen Polderscharen, die die Rüben aus dem Boden heben, können die Rodeaggregate alternativ auch mit Radscharen (Oppelscharen) ausgestattet werden. In der geräumigen Kabine hat der Fahrer einen guten Blick auf die Köpf- und Rodearbeit, aber auch auf die gebunkerten Rüben.

Vervaet: „Hightech geht auch bedienerfreundlich und intuitiv“
Vervaet: „Hightech geht auch bedienerfreundlich und intuitiv“

Harm Enting: „Eine schlechte Steckverbindung kann jahrelang Probleme verursachen. Daher bestücken wir die Kabelbäume im eigenen Werk.“

Modular gerüstet

Leicht, wendig und modular aufgebaut sind die beiden Typen Q616 und Q621 aus der Q-Serie, die der niederländische Hersteller 2017 neu auf den Markt gebracht hat. Das Q steht laut Vervaet für Qualität, aber vor allem für Quad. Denn beide Roder kommen mit vier Rädern aus, die den Boden breitflächig in vier versetzten Spuren überrollen. Dank moderner Reifentechnologie soll das ein effizientes, bodenschonendes Ernten ermöglichen und „Luft“ im Einsatz bei Schlechtwetterperioden schaffen.

Mit hinterem Drehkranz und gelenkten Vorderrädern misst der innere Wendekreis lediglich 1,60 Meter, so dass der Fahrer am Vorgewende in einem Zug wenden kann. Dank ihres modularen Aufbaus kann Vervaet die vierrädrigen Maschinen mit 16 oder 21 Tonnen Bunkervolumen in sage und schreibe 288 Varianten anbieten.

Vervaet: „Hightech geht auch bedienerfreundlich und intuitiv“

In Zahlung genommene Selbstfahrer werden komplett demontiert, um ihnen im Rahmen des Rebuild-Programms ein zweites Leben einzuhauchen.

Roderbau ab Februar

Vervaet verkauft seine Rübenvollernter in alle Welt. Hauptmärkte sind neben den Niederlanden vor allem Großbritannien, Belgien, Frankreich und Deutschland; aber auch in Amerika laufen einige der neunreihigen Roder. Dabei arbeitet der Hersteller eng mit Importeuren und Händlern zusammen, die die Bedürfnisse der Kunden kennen und sie in ihrer Muttersprache beraten können. So auch in Deutschland, wo Vervaet aber nach eigenen Angaben die Zusammenarbeit mit zusätzlichen Fachhändlern ausbauen will.

Dafür, dass die Kunden in aller Welt ihre bestellten Vollernter fristgerecht zur Rübenkampagne erhalten, sorgen in den Monaten Februar bis September etwa 110 Mitarbeiter. Direkt im Anschluss daran nehmen sie zügig die Produktion von Hydro Trikes auf. Das sind dreirädrige Systemfahrzeuge zur bodenschonenden Ausbringung von flüssigem Wirtschaftsdünger, die alljährlich in den Monaten Oktober bis Ende Januar in Biervliet gebaut werden.

Den ersten Selbstfahrer dieser Art hatte Vervaet 1990 zusammen mit Lohnunternehmern entwickelt. Hintergrund waren die damals verschärften Auflagen der niederländischen Gülleverordnung mit der Pflicht zur bodennahen Ausbringung oder direkten Einarbeitung der Gülle. Rasch erfreute sich das innovative dreirädrige Konzept reger Nachfrage. – Schon drei Jahre später war es in den Niederlanden das meist verkaufte Fahrzeug in diesem Segment. „Und das hat sich bis heute nicht geändert“, berichtet Robin Vervaet nicht ohne Stolz.

Beim Konzept ist Vervaet sich in all den Jahren treu geblieben, denn: „Was gut ist, sollte man nicht ändern“, erklärt Harm Enting. „Das schließt natürlich Weiterentwicklungen nicht aus. Vervaet investiert fast zehn Prozent seines Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Unsere Maschinen sind das direkte Ergebnis praktischer Erfahrungen. Dennoch wollen wir die Leistungsfähigkeit und Qualität der Selbstfahrer weiter steigern.“ Großer Vorteil des Dreirad-(Trike-)Konzepts ist nach seinen Angaben, dass das Maschinengewicht spurversetzt und bodenschonend gleichmäßig über die gesamte Breite verteilt wird. Schließlich fassen die Tanks bis zu 16 Kubikmeter.

Für noch mehr Schlagkraft bietet Vervaet seit 2010 das Hydro Trike in einer XL-Version mit fünf Rädern und einem 20-Kubikmeter-Tank an. Neben einem breiten Reifen vorne und zwei auf der Hinterachse ist eine zusätzliche Achse montiert, die je Seite um bis zu 75 Zentimeter austeleskopieren kann. Angetrieben wird der rote Selbstfahrer von einem Dieselmotor des Herstellers DAF Trucks aus Eindhoven mit 530 PS Höchstleistung. Serienmäßig sind Drehkolbenpumpen von Börger verbaut, die beim XL-Trike bis zu 9.000 Liter in der Minute fördern. „Grundsätzlich achten wir sehr darauf, Qualitätskomponenten zu verbauen“, sagt Harm Enting beim Rundgang durch die Produktion und deutet auf die Kabinen der wendigen Gülleselbstfahrer. Sie stammen von Claas.

Außerdem setzt Vervaet bei der Konstruktion von Rahmen, Getriebe und Gülleeinheit auf höchstmögliche Modularität. Nicht nur, weil das den Produktionsprozess im Werk vereinfacht, sondern dadurch so auch die einzelnen Bauteile gut zugänglich sind.

Natürlich sind die Gülleselbstfahrer bereits für die teilflächenspezifische Düngung gerüstet. Dazu hat Vervaet mit John Deere einen Nahinfrarot-Sensor für das Hydro Trike entwickelt. Der NIR-Sensor erfasst während der Ausbringung die Nährstoffe und den TS-Gehalt der Gülle, woraufhin die Elektronik die Ausbringmenge an die vorgegebenen Sollwerte anpasst und der Bordcomputer die punktspezifische Ausbringung dokumentiert.

Auf Wunsch liefert Vervaet die Maschinen auch mit einem bis zu 18 Tonnen fassenden Universalstreueraufsatz aus. Möglich ist aber auch ein 21-Meter-Edelstahlgestänge zur Ausbringung von organischen Flüssigdüngern oder Technik zur besonders bodenschonenden Gülleverschlauchung.

Laut Harm Enting verlassen jährlich etwa 45 Hydro Trikes die Werkshallen, jeweils zur Hälfte mit drei bzw. fünf Rädern. „Insgesamt befinden sich bereits etwa 800 dieser Systemfahrzeuge im Markt, der auch im Ausland weiter wächst. Auch auf den fruchtbaren langgestreckten Feldern der italienischen Po-Ebene sind bereits Hydro Trikes im Einsatz.“

Zweites Leben

Ein weiteres Standbein von Vervaet ist die Rebuild-Abteilung im Werk, wo in Zahlung genommene Selbstfahrer von Grund auf überholt werden. Nach anschließender Neulackierung und -etikettierung befinden sich die so genannten Rebuild-Maschinen wieder in einem Topzustand.

Sobald eine gebrauchte Vervaet Maschine in der Fabrik eintrifft, wird ein festes Team zusammengestellt, das für ihre Aufbereitung verantwortlich ist. Nach einer intensiven Reinigung werden zunächst die größten Teile demontiert und anschließend die Maschine komplett auseinandergenommen. Übrig bleibt nur das stählerne Fahrgestell. Harm Enting: „Bis in den Motor hinein wird jedes Element demontiert, zerlegt und kontrolliert, dann ausgetauscht, erneuert oder modifiziert. Wenn nötig, werden zudem Drehmomentkurven oder Leistungsdiagramme angepasst, damit die Maschine eine noch bessere Leistung erbringen kann.“

Wie er weiter ausführt, wird – wo möglich – aktuelle Neutechnik in die überholten Maschinen eingebaut. Das kann zum Beispiel eine neue Hubvorrichtung, eine hydraulische Schnellkupplung oder ein leistungsstärkerer Saugarm beim Hydro Trike sein. Dagegen kann ein Beet Eater durch ein neues Rodesystem oder eine modernere Tiefenregelung aufgewertet werden. „Auf diese Weise wird nicht nur die ursprüngliche Leistungsfähigkeit einer Maschine wiederhergestellt, sondern sie wird auch fit für aktuelle Anforderungen und Anwendungen gemacht. Laut Enting bietet eine überholte Vervaet Maschine auch finanzielle Vorteile für den Endkunden: „Für etwa zwei Drittel des Neupreises können die Kunden eine Rebuild-Maschine erwerben, die nicht nur technisch auf dem aktuellen Stand ist, sondern auch wie neu aussieht und vor allem auch so arbeitet.“ Wie er weiter ausführt, verkauft Vervaet die überholten Maschinen mit vollständiger Garantie und werksseitiger Unterstützung. „Dadurch haben die Rebuild-Maschinen einen ausgezeichneten Ruf. Daher sind die Restwerte der Vervaet Maschinen vergleichsweise hoch, was die Gesamtbetriebskosten natürlich positiv beeinflusst.“

Vervaet – Organisch gewachsen

45 Jahre Rübenvollernter aus der Provinz Zeeland – Dreirädrige Gülle-Trikes seit 1990

1957 legten Frans und Richard Vervaet den Grundstein für das Familienunternehmen. Zunächst reparierten und warteten die beiden Brüder alles, was einen Motor hat – vom Mofa übers Auto bis hin zum Traktor. In den Folgejahren erwarben sie mehrere Kfz- und Landtechnik-Handelsunternehmen und bauten diese aus.

1974 entwickelten sie in Zusammenarbeit mit landwirtschaftlichen Lohnunternehmen ihre erste selbstfahrende, einphasige Zuckerrübenerntemaschine mit Bunker. – Das war der Start in die Selbstfahrer-Produktion.

1987 teilten sie das Unternehmen auf: Frans Vervaet führte am Standort Biervliet die Produktion von Rübenvollerntern und den Landtechnikhandel mit John Deere Vertretung als weiteres wichtiges Unternehmensstandbein weiter. Letzteres ist auf einem zwei Hektar großen Areal auf der gegenüberliegenden Straßenseite des heutigen Werksgeländes angesiedelt und in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen. Mittlerweile zählt der Vervaet Fachbetrieb mit fünf Standorten, 50 Mitarbeitern und jährlich mehr als 100 vermarkteten Traktoren zu den größten John Deere Händlern in den Niederlanden.

Die Geschäftsführung des Familienunternehmens Vervaet, das zuletzt 50 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftete, teilen sich heute Edwin und Robin, die Söhne von Frans Vervaet. Sie sind seit Ende der 1980er Jahre im Unternehmen aktiv und entwickelten 1990 das erste dreirädrige Hydro Trike zur emissionsarmen und bodenschonenden Gülleapplikation. Angesichts des Erfolges wurde schon bald eine neue Fabrik am Ortsrand von Biervliet gebaut und die Produktion der Hydro Trikes und Rübenroder stetig ausgeweitet. Basis des Wachstums waren neue Exportmärkte in England, Belgien, Frankreich, Schweden und Dänemark.

Mittlerweile arbeiten gut 110 Mitarbeiter im Maschinenbau und fertigen jährlich rund 50 Hydro Trikes und 30 Vollernter.

In den vergangenen Jahren musste das Werk immer wieder erweitert werden; erst kürzlich bezogen die Mitarbeiter die neu gebaute Unternehmenszentrale mit Büros und Meeting-Räumen. – Und das wird wohl nicht der letzte Entwicklungsschritt sein, schließlich bietet das fünf Hektar große Firmengelände, von dem 13.500 Quadratmeter überbaut sind, noch reichlich Platz für Expansion. Eine weitere 6.000 Quadratmeter große Lagerhalle steht bereits auf der To-do-Liste von Robin und Edwin Vervaet.


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