Wie vermarkten sich die Harten?

Lohnt der Mehrpreis für verschleißarme Werkstücke? Wie bewerten Hersteller, Händler und Landwirte ihren Einsatz. Der eilbote hat nachgefragt.

Verschleißteile: Wie vermarkten sich die Harten?

Hartmetallplättchen aus Wolframcarbid werden auf das Werkzeug gelötet.

Verschleißteile: Wie vermarkten sich die Harten?

Gänsefuß-Schar aus Stahl (vorn) nach einer Saison, Schar aus Guss mit einer linienförmigen Struktur auf der Unterseite (links) nach dreifacher und Schar mit Verstärkung aufgelöteter Hartmetall-Plättchen nach ca. zwölffacher Leistung des Stahlschares.

Auf den Messen rund um die Landtechnik werden verschleißarme Werkstücke inzwischen in allen Variationen als Alternative zur Standardversion gepriesen. Mit Carbid-Aufschweißungen, Hartmetall-Plättchen gepanzert, gesondert gehärtet oder gleich aus härterem Material, es bietet sich ein breites Spektrum in unterschiedlichen Preisklassen. Den Preis kann man sofort erkennen, die Materialqualität nicht. Die Landtechnikhersteller und auch die Marken-Hersteller von Verschleißteilen testen in aufwändigen Versuchsreihen unterschiedliche Metall-Legierungen. Dabei kommt auch der Form und Verarbeitung des Werkzeugs eine wichtige Bedeutung zu.

Material-Tests von der Küste bis ins Erzgebirge

An der der Fachhochschule Kiel im Fachbereich Agrarwirtschaft laufen solche Versuche unter der Aufsicht von Prof. Dr. Yves Reckleben, Professur für Landtechnik/Außenwirtschaft. Die Versuchsreihen sind verhältnismäßig aufwendig und lang andauernd, da die Werkstücke direkt am Arbeitsgerät im Feld unter den jeweiligen Bedingungen, Bodenarten, Bodenfeuchte und Klimabedingungen getestet werden. In einem so angelegten Versuch wurden Pflugkörper in unterschiedlicher Stahlhärte miteinander verglichen. Die Pflugkörper hatten einen Härtegrad von 62 HRC und 57 HRC (HRC Härteprüfung nach Rockwell Scala). Wie zu erwarten, zeigte sich am Ende, dass der Materialverlust der Werkzeuge mit höherem Härtegrad geringer ist. Während der nur fünf Punkte auf der HRC niedrigere Stahl verschlissen ist, hat der härtere Stahl gerade ein Drittel des Materials eingebüßt. Insgesamt ergab sich für den härteren Stahl eine 2,5-fache verlängerte Standzeit. Offensichtlich wurde: je härter die ursprüngliche Verschleißstelle, desto mehr wandert der Verschleiß in bisher weniger verschleißauffällige Bereiche bzw. sind dann oft Halterungen und Befestigungen betroffen. Dieses Ergebnis bestätigt auch Fritz Brockmöller, Produktentwickler beim Industriehof Scherenbostel.

In einem nach eigenen Plänen gebauten „Test-Kessel“ werden Werkstücke in unterschiedlichen Legierungen getestet. (s. eilbote 34/2019). Gelassen steht Fritz Brockmöller neben dem „Kessel“, in dem die Werkstücke unaufhörlich, kontrolliert im Splitt kreisen. „Hier drin testen wir sie alle.“ Über die Laufzeit im Kessel lässt sich ziemlich gut die Standzeit der Werkstücke im Feld abschätzen. Fritz Brockmöller: „Ist die verschleißintensive Partie besonders gehärtet, wird eine andere Partie des Werkstückes zur Schwachstelle. Zum Teil hängt das mit einem durch die Verstärkung geänderten Abriebverhalten des Baukörpers zusammen. Zum anderen wird dann auch erst offensichtlich, wie ,schwach‘ der ,rückwertige Bereich‘, also zum Beispiel die Halterung und Befestigung sind. Nachteilige Geometrien von Werkstücken zeigen sich also sehr schnell.“ In dem „Kessel“ können auch Einstellungsfehler simuliert werden, die ein typisches Verschleißbild darstellen.

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Hier sind die Hartmetallplättchen in das Arbeitswerkzeug eingelötet.

Mit Guss-Stahl zur Bodenbearbeitung

Auch an der TU Dresden werden kontinuierlich verschiedene Werkstoffe bzw. Stahllegierungen getestet. Dabei auch Gussstahle aus einem am IFW Dresden entwickelten Herstellungsverfahren, bei dem der Stahl bereits im Gusszustand ein Gefüge besitzt, das in seiner Karbidmorphologie dem herkömmlichen Stahl überlegen ist. Die Herstellung dieser speziell entwickelten Eisenbasislegierungen beruht auf dem Einsatz reiner Ausgangselemente und relativ hoher Abkühlungsgeschwindigkeiten. Bei den getesteten Legierungen Fe93C1Cr4V2 konnte eine Druckfestigkeit von 3.800 MPa (Megapascal :1 MPa = 1 Million Pa = 1 N/mm2) festgestellt werden, bei der Legierung Fe85C1Cr4Mo1V1W8 eine Druckfestigkeit von 5.200 MPa. Die Legierung Fe85Cr4Mo1V1W8C1 bringt es sogar auf eine Bruchfestigkeit von 5.500 MPa bei einer Stauchung von 23 % und Härten von 61 HRC – also so „stahlhart“ wie der in Kiel getestete Stahl. Darüber hinaus wurde die Beständigkeit der Legierung Fe93C1Cr4V2 gegenüber dem abrasiven Verschleiß geprüft. Gegenüber einem kommerziellen 100Cr6-Wälzlagerstahl liegt die Verschleißbeständigkeit dieses Gussstahles dreimal so hoch.

Mit dem bainitischen Gussstahl ADI, mit ähnlichen Eigenschaften in Bezug auf den Verschleiß wie der Fe93C1Cr4V2, arbeitet der Industriehof Scherenbostel. Der Gussstahl ADI ist ein verzugsarm isothermisch vergütetes Gusseisen mit Kugelgraphit und zeichnet sich durch Kombination von Festigkeit und Bruchdehnung sowie hoher Wechselfestigkeit und günstigem Verschleißverhalten aus. Das bainitähnliche Gefüge bildet die Grundmasse des ADI. Der Vorteil der Gusswerkstoffe liegt besonders auch in der Formflexibilität, da sie schon in der Herstellung nahezu jeder gewünschten Form entsprechen können.

Hartmetall-Plättchen als Maßstab

In den Versuchen an der TU Dresden zum Verschleißverhalten des Gussstahls wurden mit Hartmetall-Plättchen versehene Werkzeuge als Vergleichswerkstücke eingesetzt.

Diese hatten die Forscher-Teams der TU Dresden am Institut Agrarsystemtechnik/ Maschinenwesen bereits in vorherigen Versuchen getestet. In Bezug auf den Verschleiß sind die mit Hartmetallplättchen bestückten Werkzeuge, insbesondere in der Bodenbearbeitung, als extrem verschleißarm eingestuft. Ein anderes Ergebnis dieser Versuche war, dass die Trägerstücke für Hartmetall-Plättchen eine gewisse Materialstärke nicht unterschreiten dürfen, um nicht durch die geringere Steifigkeit des Trägers abzuplatzen, zu brechen oder sich zu lösen. Neben der Materialstärke, einer optimalen Lötverbindung, hat auch die Form des Trägers Einfluss auf die tatsächliche Lebensdauer der Werkstücke.

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Bodenbearbeitungstechnik und die verschiedenen Verfahren sind immer aktuell. Die Qualität der Arbeit wird mit den jeweiligen Arbeitswerkzeugen erreicht.

Erfahrungen in der Praxis

Das allein eine Aufpanzerung noch kein verschleißarmes Werkzeug macht, hat Heinrich Heitmüller aus Moisselbritz auf Rügen erfahren. Der Ackerbaubetrieb umfasst 800 Hektar. Hier sind überwiegend sandige Böden, entsprechend hoch ist der Verschleiß an den Bodenbearbeitungswerkzeugen. Vor gut acht Jahren hat der engagierte Ackerbau-Profi hier mit den Standard-Ausstattungen der Hersteller der Bodenbearbeitungsgeräte gearbeitet. Solide Qualität, die unter den Bodenbedingungen hier an die Grenzen kommt. „Wir Landwirte in der Region sind daher allen Innovationen rund um Verschleißminderung sehr aufgeschlossen“, so Heinrich Heitmüller. Standard-Werkzeuge fanden unter den gegebenen Bedingungen ein schnelles Ende. Um das möglichst weit hinauszuzögern, wurden die Werkstücke am Gerät in den Positionen gewechselt. „Das Umsetzten der Werkzeuge ermöglichte eine längere Nutzung bei annähernd gleicher Arbeitsqualität.“ Augenzwinkernd ergänzt er: „Nicht immer so ganz befriedigend.“ Inzwischen setzen alle Landwirte Hartmetall-gepanzerte Werkzeuge ein und sparen sich das mehrfache Schrauben. Überzeugt hat schon bei der ersten Generation die Standzeit. „Eingeschränkt überzeugend“, so Heinrich Heitmüller. Offensichtlich wurde, was sich auch bei Fritz Brockmöller im Splitt-Kessel zeigt: der Verschleiß verschiebt sich vom gehärteten in den nicht gehärteten Bereich. Während die Arbeitsqualität dieser ersten Hart-Metall gepanzerten Generation noch befriedigend war, konnte nun aber ein ganzer Zinken verloren gehen. Heinrich Heitmüller: „Hier haben die Hersteller ziemlich schnell reagiert und die Konstruktion der Körper modifiziert. Auflageflächen für die Hartmetallplättchen, wie auch teilweise die Halterungen der Werkzeuge, sind verstärkt. Oder die Plättchen sind sogar in das Werkstück eingelassen.“ Nun stellt sich eine neue Herausforderung: der Durchfluss. Heitmüller: „Die Verstärkungen, Schweiß- oder Lötnähte, können, wenn sie nicht optimal der eigentlichen Geometrie des Werkzeuges entsprechen, den Materialdurchfluss verändern oder gar hindern und verändern so das Arbeitsbild.“ Insgesamt gesehen, ist Heitmüller mit der Weiterentwicklung der Arbeitswerkzeuge sehr zufrieden: „Wir sparen sehr viel Zeit durch erheblich weniger Schraubarbeiten. Und auf dem Feld haben wir eine über einen langen Zeitraum zuverlässige Arbeitsqualität.“

Der Preis macht die Musik. Und da hören die meisten Kunden auf ein eher günstiges Orchester. Fragt man beim Handel nach, wie groß das Interesse an gehärteten Werkstücken ist, bedarf es je nach Region noch echter Überzeugungsarbeit für diese Werkzeuge bei den Landwirten.

Wie vermarkten sich die Harten?

Am internationalen Markt sieht das etwas anders aus. Kredo der Anbieter von Verschleißteilen für Bodenbearbeitungsgeräte: Es ist der Preis pro Arbeitswerkzeug, der Landwirte und Lohnunternehmer zögern lässt.

Wie sich der Kunde entscheidet, hängt eher von den zu bearbeitenden Böden ab, als von der Branche. Im schleswig-holsteinischen Westen mit überwiegenden Geestböden setzt kaum ein Landwirt auf besonders gehärtete Werkzeuge. Ganz ähnlich ist es noch weiter im Wes-ten der Republik in Kranenburg, westlich von Kleve, nicht nur bei Landwirten, sondern auch in der Baumaschinen-Branche. Mario Janßen, Baumaschinen- und Fahrzeugservice: „Klar, gehärtete Verschleißteile sind in der Baubranche nicht unbekannt. Regional arbeitende Unternehmen fragen nicht danach, anders die Unternehmen, die mit ihren Baumaschinen auch unter härteren Bodenbedingungen arbeiten.“

In Ost-Holstein sieht es dagegen, mit eher variablen Böden, schon anders aus, eher wie auf Rügen. Sebastian Schmidt, Möller Landtechnik in Haby: „Originale Ersatzteile der Hersteller sind voll akzeptiert, gehärtet oder durchgehärtet. Der Preis für die gehärteten Werkstücke bleibt ein Thema, auch wenn die Standzeiten ein Vielfaches über der Standard-Version liegen. „Klar, die müssen auch erheblich länger halten, kosten auch viel mehr“, so ein Kundenstatement. Sebastian Schmidt bleibt gelassen: „Kunden, die die Werkstücke selbst auswechseln müssen, rechnen sich dann schnell mal den Zeitaufwand aus, und wieviel der unter Umständen kostet.“

Ein Lohnunternehmer setzt bereits seit einigen Jahren auf die mit Hartmetall-Auflage versehenen Zinken am Gülle-Grubber. Hier überzeugte der Mitarbeiter des Lohnunternehmers den Chef. Er rechnete die Standzeit zum Wechseln der Grubberzinken des gesamten Gespannes vor.

In der Region Oberlausitz sind die Bodenqualitäten sehr variabel, entsprechend die Anforderungen an die Werkzeuge. Peter Schneider, Geschäftsführer Landtechnik Oberlausitz GmbH in Kittlitz: „Zu unseren Kunden gehören mittlere und sehr große landwirtschaftliche Betriebe. Wenn der Betriebsleiter die Werkzeuge selbst auswechselt, werden die „harten“-Werkzeuge bevorzugt. Dort, wo Mitarbeiter die Montagearbeiten vornehmen, sind die Betriebsleiter bei der Wahl eher sparsamer. Da ist der Fachmann herausgefordert. „Wir raten dann zum Selbstversuch. Ein Schar der „harten“ Klasse und die übrigen in gewohnter Qualität. Dann sind die Argumente geradezu begreifbar.“

Fazit

Allein mit dem Preis als Kriterium bei der Werkzeug-Wahl zu argumentieren greift zu kurz. Sich nur auf die Angabe „besonders verschleißarm“ zu verlassen, greift nicht viel weiter. Bei der Angabe, in welcher Qualität die Legierung ist, muss man den Angaben der Hersteller vertrauen und das auch können. Aufgepanzerte Hartmetall-Plättchen sind sichtbar. Sichtbar ist aber auch die Qualität der Verarbeitung, bzw. wie gut die Panzerung der Geometrie des Werkzeuges eingefügt ist. Fakt ist, die „Verschleißarmen“ halten drei- bis zwölfmal länger als die Standard-Version bei gleichbleibender Arbeitsqualität. Ein zwischenzeitlicher Wechsel der Werkzeuge am Gerät, um die Arbeitsqualität noch zu erhalten, fällt ebenso weg wie der schnelle Komplettaustausch.


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