„Ohne schnelles Internet läuft im Kuhstall nichts“

Mitglieder des Milchforums besuchten Milchviehbetrieb in Sachsen-Anhalt

VDMA Milchforum: „Ohne schnelles Internet läuft im Kuhstall nichts“

Der Kuhstall ist heute digital vernetzt.

In nur wenigen Branchen sind digital vernetzte Arbeitsprozesse bereits so ausgereift wie in der Milchviehhaltung. Alle wichtigen Vitaldaten der Tiere, vom Herzschlag über das Fressverhalten bis hin zur Trächtigkeit, können mittlerweile sensorisch erfasst, analysiert und punktgenau gesteuert werden.

„Die gläserne Kuh ist im Milchviehbetrieb längst ein Qualitätsmerkmal – aus betriebswirtschaftlicher Sicht, aber auch mit Blick auf das Tierwohl“, sagt VDMA-Geschäftsführer Dr. Bernd Scherer. Dies wird auch das Thema auf vielen Ausstellungsständen der agra in Leipzig sein.

Lückenlose Versorgung

Die digitale Zukunft im Kuhstall könnte fast perfekt sein, wäre da nicht ein gravierendes Infrastrukturproblem: Glasfaser und Mobilfunkmasten sind auf dem Land nach wie vor Mangelware. Vielerorts gehören Funklöcher zum Alltag, innovative Digitallösungen stoßen damit naturgemäß an ihre Grenzen.

Die Landtechnikindustrie warnt daher vor einem schleppenden und lückenhaften Ausbau der 4- und 5G-Kapazitäten in Deutschland. „Wer das Digitalpotential des ländlichen Raums ernsthaft ausschöpfen will, muss in der Peripherie eine Infrastruktur schaffen, die dem Versorgungsniveau von Metropolregionen in nichts nachsteht. Wir können jetzt keine Verzögerungen gebrauchen, aber auch keine qualitativen Abstriche“, erläutert Scherer. Im Rahmen des traditionellen Milchforums des Verbandes diskutierten Ende März Technikproduzenten, die entlang der Milchprozesskette aktiv sind, über Chancen und Herausforderungen des digitalen Umbruchs in der Branche.

Intelligente Melkkonzepte

„Im Kuhstall, der ja im Vergleich zum Acker ein weithin geschlossenes Aktionsfeld bietet, schreitet die Entwicklung besonders schnell voran“, sagt Scherer. Ställe mit 500 Kühen und mehr, in denen es so ruhig und entspannt zugeht, dass man darin eine Stecknadel fallen hören könnte, sind keine Seltenheit mehr. Der Ansatz: ein klug durchdachtes Melkkonzept, das mit der richtigen, an die Bestandsgröße und -struktur angepassten Technik aufgeht.

Im sachsen-anhaltischen Blönsdorf überzeugten sich die Industrieexperten von einem spannenden Robotikkonzept: Über einen runden Wartehof gelangen die Milchrinder im Betrieb von Bernd Thiele zu den sternförmig angeordneten Melkrobotern. „Unsere Kühe werden mit einer Durchschnittsleistung von 9.300 Kilogramm pro Jahr gehalten und vollautomatisch gemolken“, sagt der Betriebsleiter. Was das System besonders macht: Alles läuft autonom und zu festgelegten Melkzeiten ab. Sobald einer der Melkroboter frei wird, rückt eine Kuh nach. Tierindividuelle Daten zur Milchmenge, zu den Inhaltsstoffen und zur Eutergesundheit werden in Echtzeit sensorisch erfasst und im betriebseigenen Herdenmanagementsystem verarbeitet. Für fast 500 Tiere genügt daher ein Mitarbeiter zur Prozessüberwachung. Robotisch läuft auch die Fütterung ab, wobei präzise vorbereitete Futtermischungen punktgenau verteilt werden. Nicht zuletzt nutzt der Betrieb auch computergesteuerte Einstreuroboter, die über ein an der Decke installiertes Schienensystem bewegt werden und jedes Tier mit frischem Stroh versorgen.

Messbare Effizienzgewinne

„Jeder einzelne Digitalisierungsschritt im Stall und auf dem Feld birgt in sich einen messbaren Effizienzgewinn. Das volle Potential lässt sich aber erst im Verbund ausschöpfen. Und dafür brauchen wir schnelle Netze“, erläutert Bernd Scherer. Das Letzte, was die Branche jetzt gebrauchen kann, ist ein beschränkter Ausbau mit angezogener Handbremse. „Wenn wir den ländlichen Raum, der immerhin für 58 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung steht, ernst nehmen, müssen leistungsfähige Mobilfunkverbindungen zügig und überall zur Verfügung stehen, auch an jeder Milchkanne“, sagt Scherer. Den Landwirten sei es nicht zuzumuten, die seit Jahren unzureichende Infrastrukturpolitik von Bund und Ländern auszubaden.

Mehrere Ansätze kombinieren

Insofern begrüßen die Landmaschinen- und Traktorenhersteller den in Berlin bereits intensiv diskutierten Ansatz, lokales Roaming, also die Leitungs-Mitnutzung durch Drittanbieter, gerade in unterversorgten Regionen verpflichtend zu machen. „Wenn wir zeitnah zu tragfähigen Lösungen gelangen wollen, müssen wir mehrere Ansätze kombinieren. Auch das jüngst in die Diskussion eingebrachte Instrument der Negativauktion, mit dem die Bereitschaft zur Vollversorgung von Randlagen finanziell kompensiert würde, ließe sich für die weißen Flecken auf der digitalen Landkarte fruchtbar machen“, resümiert Bernd Scherer.


Weitere Artikel zum Thema

weitere aktuelle Meldungen lesen