Was muss der Traktor der Zukunft können?

Kommunizierende Schaltzentrale mit elektrischem Antrieb – Ergebnis einer Umfrage bei Experten: Autonom oder automatisiert fahrende Traktoren denkbar – Herstellerübergreifende Datenkommunikation gefordert – Neue elektrische Antriebskonzepte in der Entwicklung – E-Motoren laufen kostengünstig mit relativ hohen Drehzahlen

VDI-MEG: Was muss der Traktor der Zukunft können?

Sie diskutierten auf der Pressekonferenz des VDI-MEG in Hannover (v. l.): Dr. Andreas Hermann, Philipp Schulze Esking, Prof. Karl T. Renius, Walter Haefeker und Prof. Peter Pickel.

Der Traktor steht seit über 100 Jahren als universale Zug- und Antriebsmaschine im Zentrum der landwirtschaftlichen Mechanisierung. Gegenwärtig entwickelt er sich zur digitalen Schaltzentrale im technologischen System. Wie geht die Entwicklung mit der Schlüsselmaschine der Landwirtschaft weiter? Das wollte der VDI-Fachbereich Max-Eyth-Gesellschaft Agrartechnik (MEG) von seinen Mitgliedern im Rahmen der LAND.TECHNIK – AgEng 2019 wissen. Aufgrund des vorherrschenden Trends zu größeren Arbeitsbreiten gehen über ein Drittel der Befragten (35 Prozent) davon aus, dass Traktoren zukünftig noch leistungsstärker und damit noch größer und schwerer werden.

Fast 40 Prozent der Befragten können sich vorstellen, dass autonom fahrende Traktoren in Zukunft unsere Felder bewirtschaften. Weniger optimistisch sind die Befragten hinsichtlich des perspektivischen Einsatzes kleiner autonomer Feldroboter und sogenannter Feldschwärme als Ersatz für Traktor-Geräte-Kombinationen bei Dünge- und Pflegearbeiten auf dem Feld (18 Prozent). „Der diesel-elektrische Antrieb von Traktoren, inklusive elektrischem Antrieb der Geräte scheint über einem Drittel der Befragten vorstellbar (32 Prozent). Die mit Abstand größte Zustimmung (über 90 Prozent) gibt es darüber hinaus bei der Forderung nach verstärkter herstellerübergreifender Kooperation, um in Zukunft eine reibungslose Datenkommunikation zu gewährleisten“, sagt Prof. Dr. Peter Pickel, Vorsitzender der VDI-MEG.

Die Datenkommunikation hat auch nach Ansicht von Philipp Schulze Esking, Vizepräsident und Vorsitzender des DLG-Fachzentrums Landwirtschaft, einen hohen Stellenwert.

Übergreifende Datenkommunikation wichtig, Warnung vor zu viel Digitalisierung

„Es ist und bleibt eine wichtige Aufgabe, die Konnektivität und Funktionalität von Bedienterminals zu verbessern. Ziel muss es sein, dass der Landwirt wenige und übersichtliche Installationen in der Fahrerkabine unterbringen und bedienen kann. Eine solche Funktionalität und Konnektivität kann die wachsenden Herausforderungen in der Dokumentation unterstützen. Dokumentierte Daten über pflanzenbauliche Maßnahmen sollten anbieterunabhängig in solchen Formaten übermittelt werden können“, fordert Schulze Esking.

Der Landwirt warnt aber auch vor zu vielen technologischen Neuerungen: „Die Elektrifizierung im Traktor wird durch die großen Entwicklungen in der Digitalisierung stark vorangetrieben“, sagt Schulze Esking. „Dabei entstehen teils abstrakte Ansammlungen von mehreren Bedienterminals in einer Schlepperkabine, die weder den Fahrkomfort, noch die Übersichtlichkeit und Bedienbarkeit fördern. Dies kann auch zu einem Sicherheitsproblem werden.“

E-Motoren statt hydraulischer Getriebe

Neben technischen Neuerungen in der Fahrerkabine entwickelt sich auch der Antrieb des Traktors weiter. Eine zukunftsweisende Innovation eines Landmaschinenherstellers gab es aus Sicht von Prof. Karl T. Renius von der TU München in diesem Jahr bereits auf der Agri- technica: „Anstelle des Hydrostaten wird in dem Modell „eAutoPowr“ in einer leistungsverzweigten Getriebestruktur erstmalig bei Traktoren ein elektrischer Wandler eingesetzt. Die E-Motoren laufen kostengünstig mit relativ hohen Drehzahlen“, prognostiziert Renius. Er vermutet im Vergleich zur Hydrostatik etwas höhere Gesamtkosten. Das Getriebe bietet aus Renius Sicht jedoch einen interessanten Zusatznutzen, da aus dem elektrischen Zwischenkreis Leistungen bis zu 100 kW für Bordaggregate und Geräte abgezweigt werden können. Dadurch entfielen Kosten für einen Extra-Generator und Inverter. „Die Struktur lässt ferner eine bessere Effizienz erwarten, weil ein elektrischer Variator noch etwas besser ist, als ein hydraulischer.“

PS-Gigant versus Schwarmroboter

„Ob in Zukunft letztendlich noch auf jedem Traktor ein Fahrer sitzen wird, ist eine interessante Frage“, meint Schulze Esking. Schließlich gäbe es einige Ansätze von autonomen Maschinen. Zum einen könne schlicht der Fahrer ersetzt werden und der Traktor weiter seine üblichen Aufgaben übernehmen. Zum anderen könnten Kleinmaschinen in Schwärmen Feldarbeiten übernehmen, prognostiziert der Landwirt. Diesen Ansatz unterstützt Imker Walter Haefeker. Er ist Präsident der European Professional Beekeepers Association. Haefeker kritisiert die immer größeren und schlagkräftigeren Maschinen, die die Biodiversität der Agrarökosysteme extrem gefährden. Seiner Meinung nach eröffnen intelligente Systeme die Möglichkeit, die Anbausysteme der Natur anzupassen und nicht, wie in der Vergangenheit, die Natur in eine industrielle Produktionsanlage zu verwandeln.


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