Umsatz trotz Dürre in Deutschland leicht gesteigert

Vertriebschef Heribert Benteler im Jahresgespräch – Trend zum Akku kompensiert schwierige Marktsituation in 2019 – Witterung hat stärkere Wirkung auf das Geschäft als Corona – Webshop erfolgreich gestartet

Stihl Deutschland: Umsatz trotz Dürre in Deutschland leicht gesteigert

Hat einen guten Lauf: Die MS 500i kommt ohne Vergaser und mit weniger Gewicht aus.

Stihl Deutschland: Umsatz trotz Dürre in Deutschland leicht gesteigert

Heribert Benteler stand dem eilboten im Videointerview Rede und Antwort.

Stihl Deutschland Vertriebschef Heribert Benteler stand dem eilboten kürzlich Rede und Antwort. Doch wie sonst üblich, fand das traditionelle Jahresgespräch in Zeiten von Corona nicht in Dieburg statt. Stattdessen berichtete der Geschäftsführer der deutschen Stihl Vertriebszentrale aus dem Homeoffice.

eilbote: Zwei dürre Jahre im Garten, nun das Coronavirus mit Trockenheit im Gefolge. Macht Ihnen der Job noch Spaß?

Heribert Benteler: Die Trockenheit der vergangenen beiden Jahre hat die Freude sicherlich etwas getrübt. 2018 hat die massive Trockenheit die Branche kalt erwischt, so dass der Handel Bestände aufgebaut und entsprechend vorsichtig für 2019 disponiert hat. Ab dem Sommer wurde klar, dass auch 2019 kein leichtes Jahr werden würde, und der Handel wieder nur auf Sicht Ware bezog.

Aber letztlich konnten wir 2019 gegenüber 2018 sogar leicht zulegen. Der Trend zum Akku hat die schwierige Marktsituation etwas kompensiert.

Was bedeutet das in Zahlen für Ihr Verantwortungsgebiet?

Der Umsatz der deutschen Vertriebsgesellschaft ist in 2019 leicht um etwa ein Prozent auf 378 Millionen Euro gewachsen. Gleichzeitig hat sich der Absatz um über vier Prozent erhöht. Diese unterschiedliche Entwicklung ist auf den Wandel im Absatzgefüge hin zu Akkuprodukten zurückzuführen.

Sägt nun das Coronavirus am Umsatz?

In den ersten vier Monaten des laufenden Jahres liegt der Umsatz in Deutschland deutlich über dem Vorjahr und damit absolut im Plan. Wir sind quasi ganz normal unterwegs.

Für uns in Dieburg ist die Corona-Situation derzeit transparent und steuerbar; die Vertriebszentrale läuft auf Hochtouren. Die Mitarbeiter, die nicht am Standort sein müssen, arbeiten seit Beginn der Corona-Krise im Homeoffice.

Wie ist das Jahr 2020 bisher gelaufen?

Bereits im Frühbezug war eher ein vorsichtiges Agieren des Handels zu spüren. Dass es kein besonders guter Start ins Jahr war, lassen auch unsere Zahlen erkennen. Sie waren zwar besser als im Vorjahr, aber dennoch nicht so, wie wir uns das vorgestellt hatten. Anfang März kam das Coronavirus und es war nicht klar, ob die Vertriebszentrale von den internationalen Werken weiter beliefert werden kann. Daraufhin haben wir dem Handel empfohlen, einen Bestandspuffer zu schaffen, damit der Verkauf auf jeden Fall weitergehen kann. Unter anderem haben wir den Zeitraum für die Frühjahrsverkaufsaktionen und auch Zahlungsziele verlängert. Daraufhin hat der Handel im März proaktiv zusätzlich Ware bestellt. Dank Werkstattbetrieb konnte der weitaus größte Teil der Händler entgegen anfänglicher Sorge weiter verkaufen. Bei herrlichem Wetter und angesichts der Corona-Beschränkungen fanden im April viele Endkunden offensichtlich den idealen Ausgleich in Haus, Hof und Garten. Dadurch haben wir eine Sonderkonjunktur erfahren und konnten den April deutlich über Vorjahr und über Plan abschließen. Gleiches gilt bisher auch für den Mai.

Trend zum Akku

Der Akkuanteil am Stihl-Gesamtabsatzvolumen ist inzwischen bei 15 Prozent. Wie hoch ist er auf dem deutschen Markt?

Deutschland ist ein typischer Leadmarkt für Akkuprodukte. Daher liegt der Akkuanteil im deutschen Vertriebsgebiet deutlich höher bei ca. 40 Prozent. Hier ist die Disruption durch den Akku in vollem Gange.

Welche Produktgruppen oder -segmente sind das besonders?

Letztendlich alle. Insbesondere der Privatkunde hat fast über alle Segmente die Akkutechnik entdeckt und ersetzt kabelgebundene Elektrogeräte durch Akkugeräte. Zum Beispiel waren in der Saison 2018/19 insbesondere Akku-Rasenmäher en vogue.

Mittlerweile können wir ab einem Einstiegspreis von 129 Euro ein umfassendes Sortiment für den privaten Garten bieten, was überproportional zum Mengenwachstum beiträgt.

Aber auch im Profibereich ist die disruptive Situation schon länger erkennbar – wenn auch mit Unterschieden in den verschiedenen Segmenten. Schließlich haben die Akkus in den letzten Jahren erheblich an Leistung gewonnen und neue Akku-Konzepte ermöglichen mehr Flexibilität für den Anwender. Hinzukommen neu entwickelte Systeme, wie rückentragbare Akkus, die Stihl mittlerweile selbst produziert, oder das erfolgreiche 36-Volt-System, das für die kompaktere Baureihe AK entwickelt wurde. Im Akku-Bereich haben wir die Chance, zusätzlich zu wachsen. Und die nutzen wir.

Werden die Akkugeräte auch in Baumärkten verkauft?

Ob jemand Stihl-Produkte auf 200 oder 2000 Quadratmetern verkauft, ist für uns unerheblich. Entscheidend ist, dass die Fachhandelvereinbarungen unseres selektiven Vertriebssystems erfüllt werden. Beratung, Einweisung, Service – das ist seit jeher die Basis unseres Geschäfts. Und die wird sich auch nicht ändern. Allerdings verändert sich das Werkstattgeschäft durch die Akkutechnologie, weil hier Reparatur und Wartung in anderer Weise vonstattengehen. Zum Beispiel müssen dabei keine Vergaser repariert oder Kolbenfresser behoben werden. Daher haben wir vor drei Jahren unser Vertriebskonzept um die Kategorie „Elektro- und Akku-Partner“ (EAP) ergänzt. Bei diesen Händlern beschränkt sich das Sortiment auf die elektrischen Produkte. Sie müssen keinen Service für Benzinprodukte leisten. So kommen hier etwa Gartencenter als Vertriebspartner infrage, die Zielgruppen ansprechen, die wir auf unserem traditionellen Vertriebsweg nicht erreichen würden.

Anders als unsere klassischen Fachhandelspartner verfügen die EAP-Händler nicht zwingend über eine eigene Werkstatt. Für sie haben wir vor zwei Jahren einen zentralen Reparaturservice in Dieburg eingerichtet. Aber auch unsere Fachhändler nutzen die Möglichkeit, Akku-Produkte bei uns in Dieburg reparieren zu lassen, um so zum Beispiel in der Hochsaison Kapazitätsspitzen in ihrer Werkstatt besser zu bewältigen. Stihl agiert dabei im Hintergrund als Dienstleister für die Händler, die stets alleinige Ansprechpartner ihrer Kunden bleiben.

Webshop erfolgreich gelauncht

Seit dem 20. März gibt es den Stihl eigenen Online-Shop für Endkunden. Wie läuft der Webstore?

Ursprünglich sollte der Launch am 31. März erfolgen. Aufgrund der Corona-Pandemie haben wir uns entschlossen, den Start vorzuziehen und schnellstmöglich eine Minimallösung bereits am 20. März auszurollen. Die Option Click & Collect wurde zum 15. April freigeschaltet, ebenso wie das Dealer-Portal Stihl lokal und damit die prozessuale Einbindung der Händler.

Gab es Schwierigkeiten aufgrund von Corona-Beschränkungen?

Das E-Commerce-Geschäft mit den Elektro- und Akku-Produkten wird logistisch im Wesentlichen von Straßburg in Frankreich aus bedient. Aus Sorge vor einem Corona-bedingten Schließen des Zentrallagers haben wir uns mit den wichtigsten Produkten in Dieburg bevorratet, um lieferfähig zu bleiben.

Wie ist die Resonanz bei den Händlern?

Viele Händler hatten sich bereits in den Wintermonaten für die Teilnahme an „Stihl direct“ angemeldet. Natürlich hat die Corona-Pandemie zusätzlichen Drive gebracht, so dass mittlerweile 80 Prozent des Händlernetzwerkes mitmachen.

www.stihl.de ist eine zentrale E-Commerce-Plattform, die keine händlerindividuellen Webshops vorsieht. Sieht der Handel das kritisch?

Wir haben jahrelange Erfahrung mit Webshops, die wir den Händlern zur Verfügung stellen. Sie pflegen die Webshops selbst und können auch die Preise festlegen. Davon gibt es auch einige hundert. Wir stellen aber fest, dass viele dieser Händler das Stihl direct-Konzept inzwischen für attraktiv halten. Die Händler haben durch die Teilnahme an Stihl direct keinen eigenen Aufwand, den Webshop zu pflegen. Zudem besteht für die Händler die Chance, von Neukunden zu profitieren, da der Kunde bei der Bestellung zum Fachhändler seiner Wahl geführt wird.

Welche Vergütung erhält der Händler?

Unsere Überzeugung ist, dass ein ernsthaftes Shopsystem in einem Konditionssystem abgebildet werden muss; und dieses muss berücksichtigen, dass der stationäre Handel der wichtigste Bestandteil des Vertriebs ist und bleibt. Der Händler erhält seine Konditionen in Abhängigkeit von seiner Qualifikation. Dementsprechend werden einem Stihl-Dienst, der besondere Qualitätskriterien erfüllt, oder Händlern, welche ein breites Sortiment vermarkten, höhere Leistungskonditionen eingeräumt.

Ebenso wird die persönliche Leistung der Händler honoriert, die den einzelnen Verkauf mit Einweisung und einer betriebsfertigen Übergabe begleiten. Das heißt, sie bekommen für jedes registrierte Produkt, das mit Beratung und Einweisung verkauft wurde, eine nachträgliche Vergütung von fünf Prozent.

Produkte mit USP

Nun zu den Produkten. Mittlerweile kommen auch die Hochdruckreiniger größtenteils aus eigener Fertigung. Wie ist die Resonanz im Markt?

Insbesondere die Geräte aus unserer Kompaktklasse RE 90 bis RE 130 erweisen sich als Wachstumstreiber im HD-Reinigersegment und ziehen die leistungsfähigeren Geräte im Handel mit. Anders als manch ein Wettbewerber haben wir unsere Vertriebskonzepte von HD-Reinigern auf die Kernzielgruppe der servicegebenden Fachhändler ausgerichtet.

Seit März 2019 ist die Motorsäge MS 500i mit elektronischer Kraftstoffeinspritzung auf dem deutschen Markt verfügbar. Wie schlägt sie sich im Verkauf?

Die MS 500i läuft hervorragend und hat zwischenzeitlich einen Kultstatus erreicht. Ich hätte nichts dagegen, wenn das Werk noch mehr davon produzieren würde. Durch die Beliebtheit dieses Produkts, auch außerhalb der Profi-Zielgruppe, sind wir momentan nicht in einer souveränen Verfügbarkeit (lacht).

Letztlich steigt unsere relative Wettbewerbsfähigkeit mit jedem technischen Feature, das dem Kunden Nutzen bringt. Deshalb versucht Stihl, immer neue Grenzen beim Thema Leichtbau auszuloten. Jüngstes Beispiel dafür ist die MS 400 C-M, die weltweit erste Motorsäge mit einem Magnesiumkolben. Sie hat einen ähnlichen Nutzen für den Kunden: Sie ist bei weniger Kraftstoffverbrauch leichter und stärker.

Ab wann ist sie erhältlich?

Wir planen die Markteinführung in Deutschland für den September. In kleineren Märkten wie Schweiz, Österreich und Benelux, die wir nach dem Produktionsstart schneller versorgen können, ist sie bereits erhältlich.

Eine Besonderheit im Sortiment ist die Miniatur-Kettensäge GTA 26. Wie kommt sie im Markt an?

Der Akku-Gehölzschneider GTA 26 ist ganz was Neues in der Stihl-Einstiegspreisklasse und eröffnet damit ein völlig anderes Segment.

Das Produkt an sich ist ein Alleinstellungsmerkmal. Mit einer Stihl-Sägekette, die speziell für unsere Akkumotorsägen entwickelt wurde, ermöglicht es präzise Schnitte bei der Pflege von Bäumen und Sträuchern oder Holzarbeiten. Wir haben zwar großzügig geplant, werden aber dennoch von der Nachfrage überrannt und befinden uns quasi in einer konstanten Rückstandssituation (lacht).

Das Interview führte Annette Schulze Ising


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