„Herausforderungen in Chancen verwandeln!“

Umsatz wächst trotz Lieferschwierigkeiten – Marktumfeld bleibt weiter angespannt – Heribert Benteler berichtet im Jahresgespräch – Stihl Deutschlandchef sieht neue Chancen für qualifizierten Fachhandel

Stihl Deutschland: „Herausforderungen in Chancen verwandeln!“

Die neue MSA 300 ist nach Stihl-Angaben die zurzeit leistungsstärkste Akku-Motorsäge im Markt.

Stihl Deutschland: „Herausforderungen in Chancen verwandeln!“

Heribert Benteler, Chef der Stihl Vertriebszentrale in Dieburg.

Der Stihl Konzern hat im Geschäftsjahr 2021 erstmals die Umsatzmarke von fünf Milliarden Euro übersprungen. Auch im deutschen Markt konnte der Garten- und Forstgerätehersteller von einer hohen Nachfrage profitieren und die Erlöse im zweiten Corona-Jahr auf rund 470 Millionen Euro steigern. Wachstumstreiber war vor allem der weiter anhaltende Gartenboom, der durch die Pandemie angeheizt wurde. Aber nicht nur im Privatkundenbereich konnte man sich über eine gute Nachfrage freuen, auch die Profis aus der Forstwirtschaft, dem Baugewerbe und dem Galabau investierten kräftig. Dennoch hatte auch der Motorgerätespezialist aus Waiblingen mit Rohstoffknappheiten und Störungen in den globalen Lieferketten zu kämpfen, die sich durch den Ukraine-Krieg weiter verschärften.

„Viel Last und Müh“

Und trotz eigener Produktionsrekorde mussten die Fachhandelspartner nicht selten auf bestellte Produkte warten. – Eine schwierige Situation, die noch immer anhält und die Beziehungen zueinander mitunter auf eine harte Probe stellt.

Heribert Benteler, Geschäftsführer der deutschen Stihl Vertriebszentrale in Dieburg, weiß genau um die enorme Belastung der Vertriebspartner in diesen außergewöhnlichen Zeiten. „Die teilweise starken negativen emotionalen Reaktionen der Kundinnen und Kunden haben den Fachhandel und auch die Stihl Mitarbeiter in den letzten Monaten stark gefordert und Unzufriedenheit erzeugt“, betont er im Gespräch mit dem eilboten. Leider überdecke die „tägliche Last und Müh“ – auch in Form von Zeit- und Personalmangel – oft die strategischen Chancen und Herausforderungen des Motorgeräte-Fachhandels. Benteler fürchtet, dass sich nur wenige Händler im Tagesgeschäft die Zeit nehmen können, um neue Strategien für die Zukunft zu entwickeln.

Nach vorn schauen

Doch neue Trends wie Akku-Technologie, Digitalisierung und E-Commerce seien ebenso wie das Neudenken von Serviceangeboten nicht erst zukünftig für die Branche relevant, sondern bereits heute. „Der Handel muss sich vorwärtsgerichtet mit all diesen Themen beschäftigen.“ Doch blende er diese angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen oftmals einfach aus. Das sei verständlich, müsse sich jedoch ändern. „Wir halten die Zeit nicht an, haben aber zwei Jahre geschenkt bekommen, in denen der ‚Cocooning-Effekt‘ für zusätzliche Verkäufe und höhere Umsätze gesorgt hat“, mahnt Benteler und erinnert an den seit Beginn der Pandemie anhaltenden Trend, vermehrt Zeit im eigenen Garten zu verbringen und freie Mittel darin zu investieren.

Der Vertriebsmanager sieht für die Fachhändler zahlreiche neue Chancen am Markt. Mit digitalen Lösungen und Serviceleistungen könnten sie ihre Wettbewerbsfähigkeit auch zukünftig sichern. So seien Robotermäher, die installiert und gewartet werden müssen, schon heute ein fester Bestandteil des Geschäftsmodells. Hinzu kommen aus Bentelers Sicht völlig neue Möglichkeiten durch das Themenfeld „Connectivity“, also die digitale Vernetzung. Er skizziert, wie Fachhändler im Rahmen des Flottenmanagements ihre Leistungen wie Service, Wartung und Pflege oder sogar Neuverkäufe noch zielgenauer anbieten können.

Biodiversität als Chance

Neue Chancen sieht Heribert Benteler auch aus dem European Green Deal erwachsen. Bekanntlich hat sich Europa mit dem EU-Klimapaket vorgenommen, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden. „Der Green Deal beinhaltet unwahrscheinlich viele Facetten“, so der Vertriebschef, der für die Zukunft mit schärferen Gesetzen von Seiten der Politik rechnet, die in vielen Bereichen mehr Nachhaltigkeit und den sorgfältigeren Umgang mit natürlichen Ressourcen fordern werden. „Das passt oft perfekt zu unserer Branche“, zeigt sich Benteler zuversichtlich. Denn schon seit jeher trügen Stihl Produkte durch ihre Langlebigkeit und Reparierbarkeit sowie mit vielen über lange Zeit einzeln erhältlichen Ersatzteilen zur Ressourcenschonung bei.

Doch wie kann der Motorgeräte-Fachhandel das Thema Nachhaltigkeit bespielen? Dazu Benteler: „Er sollte es als eine strategische Chance wahrnehmen – nicht als Bedrohung. Die Fachhändler haben schließlich hohe Kompetenz in der Werkstatt und mitunter sogar im Recyclen.“ Für ihn ist die Reparaturfähigkeit der Geräte aber nur ein Beispiel von vielen. Ein weiteres ist die ressourcenschonende Arbeitsweise von Akkugeräten. Außerdem könnten sich neue Chancen aus den Forderungen zur biodiversen Flächenbewirtschaftung ergeben, „was unter Umständen einen anderen Geräteeinsatz erforderlich macht.“ Daher werde Stihl die Produktpalette auch im Sinne der Biodiversität weiterentwickeln. Und passend zum Slogan „Nutzen statt besitzen“ sind für den Vertriebsexperten auch Miet- und Leasingmodelle denkbar, mit denen Fachhändler ihren Umsatz erhöhen oder auch neue Kunden erreichen könnten. Benteler: „Es gibt keine fertigen Rezepte. Man muss offen sein, ausprobieren und Erfahrungen sammeln.“

E-Commerce pusht Marke

Wie Benteler im weiteren Gesprächsverlauf berichtet, hat sich auch der Onlineshop, der im Frühjahr 2020 gelauncht wurde, im letzten Jahr positiv entwickelt. Das E-Commerce-Geschäft erschließe neue Kundengruppen, daher wachse es sogar deutlich stärker als das Händlergeschäft, aber natürlich sei das Niveau nicht vergleichbar. Laut Benteler wird auf der digitalen Plattform vor allem im Akku-Einstiegssegment geordert. Aber auch niedrigpreisige Produkte im Zubehörbereich landen überdurchschnittlich oft im Warenkorb. „Daran erkennen wir, dass es sich um Neukunden handelt“, erklärt er.

„Aber ebenso wie im stationären Fachhandel hängt natürlich die Entwicklung des Onlineshops von der Warenverfügbarkeit ab. Und die war auch hier eingeschränkt“, sagt Benteler und widerspricht im Weiteren vehement einer von Fachhändlern mitunter monierten Schieflage zwischen dem stationären Handel und des Onlineshops bei der Warenversorgung: Der Distanzhandel habe durch die anhaltenden Verfügbarkeitsprobleme und die Corona-Pandemie eine hohe Dynamik erfahren, „und das überlagert den Erfolg des Webshops bei der Neukundengewinnung und den gesteigerten Absatz von Akku-Produkten“, erklärt Benteler. Für ihn ist die E-Commerce-Strategie essenziell für den zukünftigen Erfolg. Der Onlineshop wecke bei potenziellen Kunden eine stärkere Aufmerksamkeit für die Marke Stihl und auch für die lokalen Fachhandelspartner.

In Qualität investieren

Zu Beginn dieses Jahres hat Stihl sein Konditionssystem für die Vertriebspartner angepasst. Hintergrund ist unter anderem das Auslaufen der Stihl-Dienst Zusatzvereinbarungen zum Ende letzten Jahres. „Unser Vertrags- und Konditionssystem richtet sich nun stärker nach Qualität sowie Sortimentsbreite und -tiefe aus. Für den servicegebenden Fachhändler, der in Qualität investiert, um seine Kundinnen und Kunden besonders zufrieden zu stellen, ist das eine Riesenchance“, glaubt Benteler. Seinen Worten zufolge setzt Stihl auch in Zukunft auf einen qualifizierten Fachhandel und unterstützt im Rahmen der Händlernetzentwicklung die Vertriebspartner auch finanziell dabei, in ihre Geschäfte zu investieren. „Allein dafür wendet Stihl jährlich einen siebenstelligen Betrag auf.“ Darüber hinaus würden auch die Serviceangebote für die Fachhandelspartner weiterentwickelt. Als Beispiel führt Benteler modifizierte Schulungs- und Trainingskonzepte an. „Wir haben während der Pandemie gelernt, dass auch digitale Formate gut funktionieren.“ Daher kombiniere man nun die Vorteile von E-Learning und Präsenzveranstaltungen im Rahmen des „Blended Learning“.

Ebenso wie viele andere Hersteller hat auch die deutsche Stihl Vertriebsorganisation auf die allgemeinen Kostensteigerungen reagiert und die Preise für das gesamte Sortiment erhöht. „Die Preisanpassungen gelten für Neubestellungen, die ab dem 1. Mai eingegangen sind.“ Bei den Nachlieferungen seien Preiserhöhungen außen vor, betont Benteler angesichts anhaltender Lieferschwierigkeiten und teilweise noch offener Aufträge. Schmunzelnd fügt er hinzu: „Wenn der Handel Ware zum alten Preis bestellt hat und diese endlich ausgeliefert wird, kann er sie natürlich jetzt zu höheren Preisen verkaufen.“ Vor dem Hintergrund langer Lieferzeiten unterstütze das Unternehmen die Fachhändler unter anderem durch die Verlängerung von Zahlungszielen oder die Anpassung von Liefertranchen bei saisonalen Produkten. Benteler betont: „Wir sind ständig auf der Suche nach passenden Lösungskonzepten und versuchen, unsere Fachhandelspartner in vielfältiger Weise zu unterstützen.“

Wetter entscheidet

Für die nächsten Monate und auch die kommenden beiden Kalenderjahre rechnet Benteler nicht mit einem wesentlichen Umsatzknick. Zwar drückten Unsicherheiten durch Inflation und Ukraine-Krieg die Konsumstimmung. „Endkunden halten ihr Geld zusammen und investieren vorsichtiger. Doch diese Kaufzurückhaltung wird vollständig von der massiven Rückstandssituation überlagert“, weiß Benteler und geht davon aus, dass die Jahre 2023 und 2024 davon geprägt sein werden, Lagerbestände aufzustocken. Das gelte auch für Stihl. – „Verfügbarkeit ist King!“, betont er und hält sich bei längerfristigen Prognosen zum Geschäftsverlauf zurück. Schließlich weiß der langjährige Chef der deutschen Stihl Vertriebsgesellschaft nur zu genau, dass die Witterung einen stärkeren Einfluss auf das Geschäft hat als volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen.


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