Milchleistung wird oft verschenkt

Gutes Grundfutter für die Kuh – Schmackhafte und energiereiche Silagen vorlegen – Technik richtig einstellen und einsetzen – Fehler kosten Energie, Zeit und Geld – Spektrum an Stellschrauben ist breit

Silagen: Milchleistung wird oft verschenkt

Damit eine Dienstleistung tatsächlich überzeugt, muss ihre Qualität stimmen. 

Schlechtes Futter macht krank

Eine gute Grundfutterleistung dank energiereicher Silagen ist die Voraussetzung für eine kostengünstige Fütterung. „Gute Betriebe schaffen es in normalen Jahren, 5.500 Liter Milch aus dem Grundfutter zu erzeugen“, sagt Tierarzt André Hüting. Grundfutterleistungen die darunter liegen, lassen aus seiner Sicht auf Verbesserungspotenzial im Futterbau und Fütterungsmanagement schließen. Der 43-Jährige ist einer von fünf Teilhabern der „Tierarztpraxis an der Güterstraße“ im niederrheinischen Hamminkeln. Zur Praxis gehört ein insgesamt 38-köpfiges Team mit 20 spezialisierten Tierärzten, die in einem Einzugsgebiet von knapp 100 Kilometern Radius Rinderhalter sowie Schweine- und Geflügelbetriebe betreuen.

Bei der Bestandsbetreuung hat André Hüting, selbst auch Landwirt, der auf dem eigenen Betrieb Färsenaufzucht betreibt, vor allem die Optimierung der Fütterung im Blick: „Erkrankungen im Rinderbereich sind zu 80 Prozent fütterungsbedingt!“ Minderwertige Silagen sind demnach häufig die Ursache für Klauenprobleme, Euterentzündungen sowie Fruchtbarkeitsstörungen und reduzieren Milch- und Lebensleistung der Tiere. Damit verursachen sie nicht nur zusätzliche Arbeit, sondern erhöhen zudem die Kosten der Milchproduktion.

Laut Hüting schaffen es gute Betriebe, bis zu 90 Prozent der Energie eines Futterhaufens in die Kühe hineinzubekommen. Er kennt aber auch Betriebe, die lediglich 40 Prozent der ursprünglichen Energie verwerten können. Bei seiner täglichen Arbeit wird er immer wieder mit Silagen konfrontiert, bei denen einiges hätte besser gemacht werden können. Hüting weiß: „Wenn wir Gesundheit im Trog haben wollen, müssen wir uns auch um die Futterernte kümmern. Sie ist eine wichtige Stellschraube für die Futterqualität, an der man allerdings nachträglich nicht mehr drehen kann.“

Silagen: Milchleistung wird oft verschenkt

André Hüting nimmt die Gesamtration genauestens unter die Lupe.

Silagen: Milchleistung wird oft verschenkt

Selektives Fressen: Die Kuh schiebt die Ration hin und her. Futterlöcher entstehen.

Dreck macht nicht fett

„Allerdings ist jedes Jahr anders! 2016 hatten die Landwirte mit Regen und Überflutungen zu kämpfen, 2017 brachten Stürme den Mais zu Fall und 2018 sorgten Hitze und Dürre für Ertragsausfälle.“ Zwar habe der Landwirt an den vermeintlich richtigen Mähterminen keinen Einfluss auf die Witterung. Dennoch gibt es für den Tierarzt bei der Futterernte verschiedene Stellschrauben, an denen gedreht werden kann, um gute Silagequalitäten einfahren zu können. So hat bei der Grasernte die Einstellung der Erntetechnik einen maßgeblichen Einfluss auf die Verschmutzung des Ernteguts. Eine unsachgemäße Handhabung und falsche Einstellung der Futtererntemaschinen können die Grundfutterqualität negativ beeinflussen. Zum Beispiel wird bei zu niedriger Mähhöhe verstärkt Erde in das Gras mit eingebracht. Genauso sollte beim Wenden und Schwaden auf eine gute Bodenanpassung der Technik geachtet werden. Hüting: „Hohe Sandanteile – also Rohasche – verringern die Energiedichte im Futter, führen zu Versandung des Verdauungstraktes und auch zu Resorptionsstörungen!“

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Bei hohen TS-Gehalten ist mit einem intensiven Eindringen von Sauerstoff zu rechnen. Hefen und Schimmelpilze sind dann schnell die Folge.

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Mit zunehmender Länge geht auch die Aufnahme des Strohs zurück und zugleich erhöht sich die Selektion von Einzelkomponenten.

Den Tunnel verlassen

„Drei von vier Grassilagen sind zu trocken“, kritisiert der Tierarzt. Bereits wenn das Mähwerk zum Schnitt angesetzt wird, beginne ein Wettlauf gegen die Zeit. Daher ist aus Hütings Sicht gute Kommunikation gefragt. „Es müssen klare Absprachen mit dem Lohnunternehmer getroffen werden, damit möglichst kurze Feldliegezeiten, die hohe Hektarenergieerträge überhaupt erst möglich machen, erreicht werden können.“ Allerdings werde in der Praxis häufig zu viel Fläche auf einmal gemäht, so dass 24-Stunden-Silagen oft nicht zu bewerkstelligen seien. Statt der optimalen 35 Prozent habe das Gras dann einen viel zu hohen TS-Gehalt.

Der Tierarzt empfiehlt daher, den Aufwuchs der jeweiligen Feldblöcke und somit Trocknungsvermögen beziehungsweise -geschwindigkeit vor der Ernte regelmäßig und rechtzeitig zu überprüfen. Diese Forderung richtet er aber nicht nur an die Landwirte, sondern gleichermaßen an die Lohnunternehmen. Überhaupt sollten die landwirtschaftlichen Dienstleister die Feldblöcke ihrer Kunden und deren Aufwuchs in der Saison gut im Blick haben und den Landwirt gegebenenfalls auf den richtigen Erntezeitpunkt hinweisen. „Natürlich ist es ein Mehraufwand für den Lohnunternehmer, aber es ist auch ein Alleinstellungsmerkmal“, gibt Hüting zu bedenken.

Kritisch hinterfragt er in diesem Zusammenhang den hohen Eigenmechanisierungsgrad vieler Milchviehbetriebe. Dadurch seien sie während der kurzen Ernteperioden häufig unter Dauerfeuer und quasi in einem Tunnel gefangen – also ausschließlich auf die Verrichtung der Arbeiten konzentriert. Dementsprechend hätten sie kaum Zeit für die sorgfältige Kontrolle der zukünftigen Silage. Und das, obwohl energetische Verluste empfindlich ins Geld gehen können.

Hüting findet daher, dass der Landwirt Arbeitsschritte wie Mähen, Wenden und Häckseln beziehungsweise Abfahren möglichst der schlagkräftigen Technik eines Lohnunternehmers überlassen sollte. Dagegen ist es aus seiner Sicht sinnvoll, wenn der Landwirt selbst lediglich das Schwaden durchführt, da er den Status des Aufwuchses auf den Flächen am besten kennt und dementsprechend die Häckselkette optimal steuern kann.

Hüting sieht es als seine Aufgabe an, die landwirtschaftlichen Kunden für die Bedeutung hoher Häckselqualität zu sensibilisieren. „Der Milcherzeuger muss dem Lohnunternehmer entsprechende Vorgaben machen und zum Beispiel die Häcksellänge vorgeben.“ Aber auch den Lohnunternehmern schreibt Hüting die Forderung nach Top-Qualitäten ins Stammbuch. So sollte sich die Schlagkraft an den betrieblichen Gegebenheiten orientieren; trotz enger Zeitfenster müsse das Fahrsilo richtig befüllt und ausreichend verdichtet werden. In diesem Zusammenhang macht der Tierarzt auch klar, dass der Aus- und Weiterbildung der Fahrer ein höherer Stellenwert zugemessen werden sollte, damit sie die Technik richtig einsetzen und einstellen können.

Silagen: Milchleistung wird oft verschenkt

Landwirte sollten den Austausch von Verschleißteilen nicht auf die lange Bank schieben.

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Körner kontrollieren

„Basis für eine gute Verdichtung, eine intensive Gärung und eine hohe Futteraufnahme ist eine homogene und optimale Häcksellänge. Das gilt für Gras-, aber auch genauso für Maissilage. Blätter und Stängel sollten möglichst auf gleichmäßige Partikellängen geschnitten werden. Und damit die Stärke aus der Maissilage nicht ungenutzt in der Gülle landet, müssen die Maiskörner gut zerkleinert werden.“ Aus Sicht des Rinderexperten kommt es hier vor allem auf die Einstellung des Corncrackers an. „Ziel sollte es sein, die Körner nahezu vermahlen zu haben, damit sie optimal vergären und von den Pansenmikroben genutzt werden können.“

Ein ideales Hilfsmittel zum Check der Häckselqualität ist für Hüting die Schüttelbox, weil sie die Variation der Partikellängen sehr gut abbildet und gleichzeitig ermöglicht, die Aufbereitung der Pflanzenfasern und Körner zu beurteilen.

Sein Tipp an den Lohnunternehmer: „Eine solche Schüttelbox an Bord des Feldhäckslers ist ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem man beim Kunden punkten kann.“ Er empfiehlt den Lohnunternehmen, ihre Kunden mit dem Mehrwert „hohe Futterqualität“ zu überzeugen. So können sie sich nach seiner Überzeugung von der Konkurrenz abheben.

Stimme die Leistung, seien die Kunden auch sicher bereit, mehr für gute Arbeit zu zahlen. „Schließlich hat der Mais bis zur Erntereife schon eine Menge Geld gekostet“, sagt Hüting und zählt Ausgaben für Bestellung, Aussaat, Düngung und Pacht auf. „Daher ist es nicht sinnvoll, an den letzten 15 Euro pro Hektar bei der Erntekette sparen zu wollen. Denn wenn es an Häckselqualität mangelt, können schnell weitaus höhere Hektarverluste resultieren“, mahnt der Tierarzt.

Der trockene Sommer 2018 hat zu deutlich geringeren Grassilageernten geführt. Einige Betriebe entgegnen der knappen Grundfutterversorgung mit höheren Strohanteilen in den Futterrationen.

Silagen: Milchleistung wird oft verschenkt

Mit Hilfe einer Schüttelbox kann die Qualität einer Ration zügig am Trog überprüft werden.

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Tunnelfraß vorbeugen

Auch hier kommt es laut Hüting vor allem auf homogene Längen von zwei bis drei Zentimetern an, weil die Tiere längeres Stroh am Futtertisch aussortieren. Bei Kurzstroh aus der Presse stellt er aber häufig unzureichende Homogenität fest. Außerdem seien die Kosten fürs Pressen im Vergleich zum ungeschnittenem Stroh vergleichsweise hoch, zudem leide die Schlagkraft. Gute Erfahrungen hat der Rinderspezialist dagegen mit Strohmühlen gemacht, die die Rund- oder Quaderballen auf den Betrieben in gleichmäßig kurze Strohspäne zerkleinern. In seiner Region gäbe es bereits mehrere Lohnunternehmen, die diese Dienstleistung anbieten und in festen Wochenrhythmen die Betriebe anfahren.

Mischen, nicht häckseln

Überhaupt sei Homogenität das alles Entscheidende. Besucht er einen Betrieb, so führt ihn sein erster Gang zunächst zu den Futterstöcken und dann zum Mischwagen. Zwar sind die modernen Futtermischwagen laut Hüting grundsätzlich in der Lage, homogen zu mischen und die Ration gleichmäßig vorzulegen. Allerdings sieht er auch hier immer wieder Anwendungsfehler auf den Milchviehbetrieben: Zu klein dimensionierte Futtermischwagen würden zu hoch beladen und könnten dann nicht homogen mischen. Ein großes Problem seien in diesem Jahr nach dem trockenen Sommer 2018 aber auch Maissilagen mit über 45 Prozent TS-Gehalt, bei denen man aufgrund riesiger Volumina nicht das erforderliche Gewicht in den Behälter hineinbekomme. Mitunter werde bei der Befüllung zu wenig Wert auf die Reihenfolge gelegt und teilweise seien auch die Mischzeiten viel zu kurz. Überhaupt sollten unabhängig vom Mischsystem eine regelmäßige Wartung, die richtige Einstellung und Bedienung des Futtermischwagens selbstverständlich sein. Bereits schwankende Trockensubstanzgehalte oder unterschiedliche Vorgehensweisen von wechselndem Personal beim Mischen könnten eine nicht zu unterschätzende Fehlerquelle sein. „Ist das Futter nicht gleichmäßig gemischt, fördert das Selektion und Tunnelfraß.“

Häufig kommt es daher vor, dass Hüting auf den Betrieben den tatsächlichen Futterverbrauch ermittelt. Dazu wiegt er das Restfutter zurück. Hüting: „Der tatsächliche Verbrauch entspricht der Differenz aus vorgelegtem Futter und der Rückwaage.“ Am Futtertisch zerlegt der Tierarzt auch die Restfutterproben mit Hilfe der Schüttelbox in einzelne Fraktionen. Oft findet er dabei Restfutter mit hohem Faseranteil und niedrigem Energiegehalt. „Ein gängiges Problem in der Praxis!“

Roboter arbeiten exakt

Eine Hochleistungskuh muss jedoch rund um die Uhr mit qualitativ hochwertigem Futter versorgt sein. Hüting: „Nur bei reichlicher Futtervorlage – und dazu gehört das täglich mehrmalige Anschieben der Ration – wird eine maximale Futteraufnahme der Kühe erreicht.“

Der Markt bietet verschiedene Lösungen für den Schlepperanbau, wie Schiebeschilder, Radialbesen und Kehrreifen, die diese wichtige Arbeit erleichtern können. Allerdings ist dafür stets eine Arbeitskraft erforderlich, die mehrmals täglich diese Aufgabe erledigen muss – und das an 365 Tagen im Jahr und am besten rund um die Uhr. Dass das in der Praxis gar nicht so leicht zu gewährleisten ist, hat Hüting bereits mit Hilfe einer Wildkamera in den Ställen seiner Kunden feststellen können: „Bei den meisten Betrieben ohne Automatisierung haben die Tiere in der Nacht zwischen 1.00 und 5.00 Uhr kein homogenes Futter vor sich liegen, das sie erreichen können. Und das ist besonders für die rangniederen Kühe und Erstkalbinnen ein Problem, da sie pro Besuch nur eine geringere Menge aufnehmen können und daher für die gewünschte Futteraufnahme eine deutlich höhere Besuchsfrequenz benötigen.“ Allein durch die Erhöhung der Futterschiebefrequenz könnten zahlreiche Betriebe noch weiteres Potenzial heben, ist Hüting überzeugt. Denn durch eine höhere Futteraufnahme könnten sie die Fruchtbarkeit und die Milchleistung der Kühe steigern – und damit auch ihre finanziellen Ergebnisse.

Gute Erfahrungen hat der Tierarzt bereits mit automatischen Futterschiebern gemacht. Diese Roboter schieben das Futter vollautomatisiert und zuverlässig an die Fressgitter. „Das spart Arbeitsaufwand und sorgt für stets ausreichend Futter am Tier, sofern auch eine adäquate Menge vorgelegt wird.“

Überhaupt steht der Tierarzt aus Hamminkeln der Robotertechnik im Kuhstall aufgeschlossen gegenüber. Seiner Meinung nach kann die Automatisierung der verschiedenen Verfahrens- prozesse wie Melken, Füttern, Entmisten und Einstreuen zahlreiche Vorteile haben und sich mitunter schnell rechnen. Sie sorge für Arbeitserleichterung und ermögliche, die Arbeitszeit flexibler zu gestalten. Ganz wichtige Pluspunkte sind für ihn aber die Möglichkeit der Effizienzsteigerung und die hohe Genauigkeit, mit der sie ihre Arbeiten verrichten.

Denn: „Eine Kuh will immer das Gleiche!“ Damit aber die Ration stimmt und die Kuh im Trog stets hochwertige Qualität vorfindet, muss der Gesamtprozess stimmen. Hütings Credo lautet daher: „Alle Beteiligten müssen im Dialog stehen, sorgfältig arbeiten und die verfügbare Technik optimal einsetzen. Nur dann kann der Landwirt den bestmöglichen Ertrag und vor allem auch Gewinne einfahren!“

Silagen: Milchleistung wird oft verschenkt

Um Erkrankungen vorzubeugen, legt Tierarzt André Hüting großen Wert auf Diagnostik.

Hochwertiges Grundfutter ist der Schlüssel zum Erfolg in der Rinderhaltung. Von der Pflege der Pflanzenbestände über die Bereitung der Gras- und Maissilagen bis hin zur Rationsvorlage greifen viele Arbeitsschritte ineinander. Für alle Bereiche steht leistungsfähige Technik zur Verfügung. Damit diese jedoch auch gute Arbeit abliefern kann, muss sie korrekt eingestellt sein und sachgemäß eingesetzt werden.


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