Bergspezialist springt auch ins Wasser

Schreitbagger sind eine Nische, die nur von drei Herstellern versorgt wird, und ihre Gemeinsamkeit sind die Berge. Inzwischen hat sich daraus ein multifunktionales Trägergerät für unwegsames Gelände entwickelt. Die Einsätze werden immer vielfältiger – auch in flachen Gegenden.

Schreitbagger: Bergspezialist springt auch ins Wasser

Wenn es doch zu steil wird, hilft eine Winde zur Sicherung.

Bei Hangsicherungsmaßnahmen oder dem Seilbahnbau in den Alpen kletterten die Gefährte zu Beginn ihrer Karriere in den 70er- und 80er-Jahren wie Spinnen zwischen Felsen und Abhängen umher und konnten sich auch in extrem unebenem Gelände festen Stand verschaffen. Heute arbeiten sie auch in Gewässern, das Übersteigen von großen Hindernissen ermöglicht Aufträge in Gebieten und Regionen, wo andere Maschinen gar nicht erst hinkommen. Verantwortlich sind dafür lediglich drei Hersteller: Menzi Muck aus der Schweiz, Kaiser aus Liechtenstein sowie Euromach aus Norditalien. Letzterer tritt in Deutschland aber nicht auf. „Hierzulande werden Schreitbagger verstärkt auch in der Landschaftspflege eingesetzt, weil die Maschinen in der Lage sind, bis 2,30 Meter ins Wasser zu gehen – nach unseren Angaben. Die Bundeswehr hat auch schon 2,52 Meter gemacht“, sagt Jürgen Schürlein, zuständig für den Menzi-Muck-Vertrieb in Deutschland und den Benelux-Staaten. Als er vor gut 20 Jahren mit dem Verkauf von Menzi Muck gestartet ist, saßen die meisten Kunden im süddeutschen Raum, bergigeres Gebiet eben. Heute habe er auf seiner Landkarte die meisten Markierungen um Berlin, Hamburg und im Ruhrpott. Alles Gegenden, die mit viel Wasser gesegnet sind. Aber auch in Dänemark oder Holland kaufen laut Schürlein immer mehr Firmen und Kommunen einen Schreitbagger, etwa für das Räumen von Gräben.

Unorthodoxe Wege

Als Paradebeispiel für immer neue Einsatzideen nennt Schürlein ein Städtchen im Harzer Vorland mit vielen kleinen Flussläufen: Ein Hochwasser hinterließ viel Gehölz an den Ufern, für dessen Räumung man dann ein Dreivierteljahr nach einer Lösung gesucht hat. „Ich bin auf Anfrage eines Forstunternehmers hingefahren und musste fast lachen, denn so würde ich mir den perfekten Arbeitseinsatz malen: Viele kleine Brücken und Straßen, das Ufer kaum zugänglich, da oft auf hunderten Metern begrenzt von Zaun, Gebäuden oder Garten. Das war für uns aber überhaupt kein Problem, denn wir hüpften quasi einfach über die Brücke ins Wasser und arbeiteten mit einer Greifsäge, die Bäume bis 70 Zentimeter sicher schneiden und halten kann.“ So schaffte man das Treibholz an eine Brücke, von der es von einem Lkw mit Kran direkt übernommen wurde.

Auch an der Autobahn kommt man problemlos über bis zu 1,7 Meter hohe Leitplanken oder Zäune, ohne diese zu berühren. Bis zu 4,8 Meter hohe Hindernisse kann man zudem einfach hinaufschreiten, vorausgesetzt, diese sind stabil genug, um den Bagger zu tragen. Ist eine Böschung empfindlich, können die Beine hinten wie vorne auf unterschiedliche Spurbreiten gestellt werden und schonen so die Grasnarbe. Zudem sind die Bagger auch für generelle Bauarbeiten geeignet, die einfach nur schwer zugänglich sind: Ein Menzi Muck erklomm beispielsweise direkt vom Tieflader aus einen hohen Lärmschutzwall, um in den dahinter liegenden Garten zu gelangen. Die dort anfallenden Erdarbeiten hätte auch jeder andere Bagger erledigen können, keiner aber schaffte es aufs Gelände.

Schreitbagger: Bergspezialist springt auch ins Wasser

Wer ins Wasser muss, braucht dafür nicht zwangsläufig eine Rampe, dafür aber etwas fahrerisches Geschick.

Das Konzept beinhaltet dafür auch, möglichst viel Leistung auf wenig Gewicht zu installieren: Der große und aktuell meistverkaufte Menzi Muck M545x wiegt circa 14 Tonnen, verfügt über 160 PS und kann hydraulische Anbaugeräte bis etwa 2,2 Tonnen bespielen. „Ein normaler Bagger ist ja eine reine Kraftmaschine, wir dagegen bieten eine Leistungsmaschine“, sagt Schürlein. Die Arbeitspumpe leistet 290 l/min bei 300 bar, die Fahrpumpe 210 l/min bei 400 bar. Optional sind weitere 220 l/min zu haben. Herkömmliche Radbagger sind hier schwächer unterwegs, bei höherer Tonnage. Denn die Schreitbagger sparen sich das normal im Heck verbaute Gegengewicht: Daher muss der Fahrer hier mehr darauf achten, welches Rad gerade entlastet wird, was man sich aber auch zunutze machen könne: „Wie bei einem Schemel mit drei Beinen stehen wir dann viel satter als ein vierbeiniger Stuhl. Dafür muss man natürlich ein wenig fahrerisches Können aufbauen“, sagt Schürlein.

Schreitbagger: Bergspezialist springt auch ins Wasser

Forstunternehmer setzen ebenfalls zunehmend auf die Multitalente von Menzi Muck.

Schreitbagger: Bergspezialist springt auch ins Wasser

Zusätzlich zu den Rädern sorgen Krallen an den Beinen für Halt. Das erfordert fahrerisches Können.

Auch bei Kaiser sind die Einsätze dem Gebirge längst entwachsen: „Die Maschinen können auch spezielle Geräte wie große Mulcher oder Bohrlafetten tragen. Erdbewegung in den Bergen erledigen inzwischen nur noch etwa die Hälfte unsere Maschinen“, erklärt Matthias Mungenast, Leiter der Sparte Baumaschinen bei Kaiser. In den USA etwa arbeitet eine Spezialvariante „Gator“ mit nochmals verlängerten Beinen: Sie mulcht große Strecken in den Wasserstraßen der Florida Keys, um diese frei zu halten. Aber auch in Deutschland kommen laut Mungenast immer mehr Schreitbagger bei Wasserwirtschaftsämtern für Pflege und Ausbau von Gewässern zum Einsatz. Daher kann zum Beispiel der Unterwagen rein hydraulisch ausgelegt sein, sämtliche Elektrik wird dann weiter oben angebracht. So erreichen die Kaiser Schreitbagger eine Wat-Tiefe von 2,5 Metern.

Schreitbagger: Bergspezialist springt auch ins Wasser

Erdarbeiten am Berg sind inzwischen nicht mehr das Haupteinsatzfeld der Schreitbagger.

Zudem kann ein Schreitbagger durch seine Flexibilität auch mehrere Standardmaschinen ersetzen: „Manchmal braucht es einen 3,5 t Kettenbagger, dann wieder einen 15 t Radbagger. Wir decken in diesem Bereich alles ab, weshalb immer mehr kleine und mittlere Betriebe zu uns kommen, die so nur noch eine Maschine für alles nutzen“, sagt Mungenast. Voraussetzung ist natürlich, dass die eingesparten Maschinen nicht alle zu 100 Prozent ausgelastet waren. Gerade bei kleinen Betrieben aber steht ein Bagger schon mal ein paar Tage ungenutzt in der Halle. Auch Lohnunternehmer Patrick Oberle war begeistert von den Möglichkeiten, er ist auf die Härtefälle in Forst- und Landschaftspflege spezialisiert. Für zwei Monate testete er das Flaggschiff S12 Allroad von Kaiser, welches mit bis zu 190 PS und 570 l/min Hydraulikleistung zu haben ist, auf Wunsch sind ebenfalls weitere 220 l/min möglich: „Meine Mitarbeiter und ich mussten jeden Morgen ausknobeln, wer damit loslegen darf.“ Hemmungen gab es also keine, schlussendlich reichten bei Oberle aber die Spezialeinsätze nicht. „Damit sich ein Schreitbagger rechnet, sollten die Aufträge, bei denen die Maschine ihr volles Potenzial ausspielen kann, 60 bis 65 Prozent ausmachen“, sagt Kaiser-Experte Mungenast. Insgesamt sollten jährlich etwa 800 bis 1.000 Stunden auf den Zähler laufen. Im Vergleich zu ähnlich dimensionierten Kettenbaggern könne man für den Schreitbagger einen bis zu 70 Prozent höheren Stundensatz verlangen.

Solide Mittelständler

Das Konzept ist nach wie vor ein Nischenmarkt, der aber größer wird. Immer wieder interessierten sich daher auch bekannte Baumaschinenhersteller für die innovative Technik der Mittelständler. Schlussendlich sei das Geschäft laut Mungenast aber für einen Großkonzern nicht interessant: Kaiser etwa fertige zwischen 80 und 100 Maschinen im Jahr. Menzi Muck spielt in einer ähnlichen Liga, man feierte nach fast 50-jähriger Firmenhistorie im Jahr 2015 die 6.000ste Maschine. Der Aufwand, so geringe Stückzahlen in einen Konzern zu integrieren, der sonst in tausenden Baggern pro Jahr denkt, habe laut Mungenast auch bei Kooperationen in der Vergangenheit einfach nicht funktioniert.

Der Vertrieb von Kaiser erfolgt direkt aus Liechtenstein, den Service übernehmen in Deutschland vier Partner, die derzeit vor allem in Süddeutschland angesiedelt sind, da dort nach wie vor die meisten Maschinen laufen. „Das sind eher kleine Betriebe, die sich mit den exotischen Maschinen auch identifizieren können, den größeren Händlern sind ebenfalls die Stückzahlen zu gering“, erklärt Kaiser-Experte Mungenast. Menzi Muck hat mit Jürgen Schürlein einen selbständigen Verkäufer in Deutschland. Fünf Servicestellen mit je ein bis drei Monteuren sind in Deutschland für Menzi Muck geschult. Vier weitere Mitarbeiter betreuen Bayern und Baden-Württemberg direkt aus dem Standort in Österreich. „Alle Servicepartner arbeiten auch zusammen und helfen sich untereinander. Die Koordinierung übernimmt dabei die Zentrale“, so Schürlein.

Schreitbagger: Bergspezialist springt auch ins Wasser

Auch in auf den ersten Blick unmöglichen Positionen können Schreitbagger noch arbeiten.

Schreitbagger: Bergspezialist springt auch ins Wasser

Mit einer Wattiefe von bis zu 2,5 Metern können die Schreitbagger auch dauerhaft weit im Wasser arbeiten.

Komplexe Bedienung, schnell gelernt

Der Schreitbagger gilt fahrtechnisch als die Königsklasse und wird häufig mit dem Hubschrauberfliegen verglichen: drei Pedale, zwei Joysticks und gefühlt hunderte gleichzeitig ausführbare Funktionen. Daher braucht es neben dem Unternehmer, der die Maschine für seine Firma als sinnvoll erachtet, auch einen Mitarbeiter, der den Schreitbagger fahren will. „Am Fahrer hängt wirklich sehr viel, da die möglichen Lösungen oft kreatives Geschick erfordern. Das kann nur jemand ausschöpfen, der mit Freude und Leidenschaft auf so einer Maschine sitzt“, weiß Kaiser-Experte Mungenast. Häufig haben etwa Behördenchefs Vorbehalte, dass die Maschine schlussendlich keiner fahren kann. Menzi-Muck-Vertreter Schürlein erwidert dann immer: „Schicken sie mir ihre Sekretärin und geben sie ihr zwei Stunden, dann lädt sie den Bagger von einem Tieflader ab – ohne Rampe.“ Am zweiten Einweisungstag kommen seiner Erfahrung nach die meisten bereits gut klar mit der komplexen Steuerung. „Spätestens am dritten Tag schicken sie mich dann nach Hause.“ Nach etwa 50 bis 100 Arbeitsstunden besucht er Kunden nochmals und kann dann meist bereits auf Augenhöhe sprechen. Je nachdem, wie der Fahrer etwas löst, gibt er weitere Tipps, da viele aus Gewohnheit zum normalen Bagger noch nicht alle Möglichkeiten überblicken. „Hier kommen dann nochmal viele Aha-Momente“, sagt Schürlein. Auch Kaiser bietet regelmäßig Fahrkurse, durch die auch erfahrene Bediener noch etwas dazulernen.

Völlig grenzenlos sind die Möglichkeiten des Schreitbaggers aber auch nicht, man dürfe da laut Schürlein nichts verklären: „Im Vorfeld muss genau erörtert werden, welche Probleme es zu lösen gilt und ob ein Schreitbagger das richtige ist. Wir schaffen viel – auch mehr als andere – aber eben auch nicht alles.“


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