Reizende Raupe auf dem Vormarsch

Der Eichenprozessionsspinner wird in immer größeren Teilen Deutschlands heimisch. Seine winzigen, reizend wirkenden Brennhaare können auch für den Menschen gefährlich sein. Immer mehr Technik-Firmen entwickeln daher Equipment zur Beseitigung der Raupen. Dabei ist das Pestizid nur die allerletzte Lösung, häufig geht es auch schonender. Wir stellen verschiedene Verfahren vor.

Schädlingsbekämpfung: Reizende Raupe auf dem Vormarsch
Schädlingsbekämpfung: Reizende Raupe auf dem Vormarsch

Die Härchen der Raupe können Brennen auf der Haut verursachen.

Der Eichenprozessionsspinner stand noch bis in die 1980er auf der Roten Liste der gefährdeten Arten, in Sachsen ging man noch im Jahr 2002 von „komplett ausgestorben“ aus. Durch den Klimawandel findet der Nachtfalter aber nun immer mehr passenden Lebensraum und ist von der iberischen Halbinsel bis nach Russland und Südschweden vertreten. Er bekam seinen inzwischen weitläufig bekannten Namen, da seine Raupen häufig hintereinander in einer mehrere Meter langen Reihe auf Nahrungssuche gehen, ähnlich einer Prozession. Zudem bevorzugen sie Eichen und bauen dort gespinstartige Nester, in sehr seltenen Fällen werden aber auch andere Baumarten befallen. Wälder, Flussläufe, Alleen sowie auch Stadtbäume und Parks sind gleichermaßen betroffen. Der Schlupf beginnt im Frühjahr, im Frühsommer entstehen dann die ersten Nester in den Bäumen, hier halten sich die Raupen tagsüber in großen Gruppen auf.

Wer frühmorgens in der Gemeinde Zirndorf in Franken unterwegs ist, begegnet nicht selten einer Prozession der nächtlichen Heimkehrer, etwa auf Radwegen, die von Eichen gesäumt sind. Ein brennender Ausschlag, Atemwegserkrankungen oder gar ein lebensbedrohlicher Schock können die Folge sein, wenn man mit den Brennhaaren der Raupen in Kontakt kommt. Da die Art in Franken schon seit einigen Jahren heimisch ist, hat die Kommune die Maßnahmen bereits fest eingeplant: „Die aus dem Vorjahr bekannten Bäume lassen wir von einem Dienstleister bereits frühzeitig mit einem biologischen Mittel behandeln. Dort haben wir dann keine Probleme mehr. Neue Fälle werden, sobald es möglich ist, behandelt, indem die Nester und Raupen abgesaugt werden“, so der stellvertretende Leiter der Stadtgärtnerei, Martin Amon.

Schädlingsbekämpfung: Reizende Raupe auf dem Vormarsch

Das Dücker-System erreicht dank einem Arm aus der Mähtechnik auch hohe Kronen.

Schädlingsbekämpfung: Reizende Raupe auf dem Vormarsch

Die Raupen des Eichenprozessionsspinners sind gefährlich für Mensch und Tier. Daher müssen sie von vielen Bäumen entfernt werden. Ihre Nester können so groß wie eine pralle Einkaufstasche werden. Da die Tiere auch von Baum zu Baum ziehen, hängen die Nester oft auch in geringer Höhe am Stamm.

Entsprechende Technik dafür hat seit kurzem beispielsweise die Firma Vogt im Programm: Da man im Bereich Mulcher bereits langjährige Beziehungen zum italienischen Hersteller Dragone pflegt, konnte man hier auch einen fähigen Partner für Gebläsespritzen finden. Man wolle zwar nicht komplett in dieses Segment einsteigen, die Nachfrage nach Technik speziell den Eichenprozessionsspinner betreffend stieg laut Vogt in den letzten Jahren aber rasant an, weshalb man in dieser Nische aktiv werde. Die Dragone AZ 2 kommt eigentlich in großflächigen Kulturen wie Obst, Wein oder Weihnachtsbäumen zum Einsatz. Die Ingenieure von Vogt modifizierten die Luftführung – erkennbar am Namen „AZ 2 Plus“ – wodurch die Spritze nun zielgerichtet gegen den Eichenprozessionsspinner vorgehen kann. Auch Problemstellen in bis zu 15 m Höhe werden so erreicht. Dabei versprüht das Gerät neben klassischen Insektiziden auch Wasser mit biologischen Mikroorganismen, wie Nematoden (Fadenwürmer). Diese kommen etwa von E-Nema in Schwentinental, wo man bereits seit über 20 Jahren Nematodenarten produziert. Die Firma entstand aus einem Forschungsprojekt der Universität Kiel. Dort war es erstmalig gelungen, schädlingsbekämpfende Fadenwürmer zu kultivieren. Diese leben normalerweise im Erdboden und werden zur biologischen Schädlingsbekämfung in einer wässerigen Lösung versprüht. Sie wirken aber nur wenige Stunden, daher müssen sie nachts ausgebracht werden, wenn die Raupen am aktivsten sind. Außerdem trocknet die Lösung dann weniger schnell, wodurch die Wirksamkeit nicht zu schnell sinkt. Da die Bäume besprüht werden noch bevor sie Blätter bekommen, dringt der Nebel leicht durch die ganze Krone. Nematoden sind zwar weniger radikal als die klassische chemische Keule: Sie greifen dennoch alle Schmetterlingslarven an – nicht nur die des Eichenprozessionsspinners. Andere, erhaltenswerte Schmetterlingslarven können laut E-Nema ebenfalls getroffen werden. Diese halten sich jedoch meist in niedrigerer Vegetation auf und sind daher praktisch kaum betroffen, wenn eine Eiche behandelt wird. Zudem würden andere Schmetterlingsarten erst später auftreten. Die Behandlung des Eichenprozessionsspinners ist dann meist schon abgeschlossen.

Schädlingsbekämpfung: Reizende Raupe auf dem Vormarsch

Nematoden: Die Fadenwürmer kommen in der Natur nur im Boden vor und sind daher ökologisch gut verträglich.

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Die Bäume werden präventiv noch vor dem ersten Laub besprüht. Das System von Vogt und Dragone passt auch auf einen Unimog.

Mit dem Sprühkopf bis in die Baumkrone

Speziell auf Nachfrage von E-Nema hat Kommunaltechnik-Spezialist Dücker ein System entwickelt, um die Nematoden auf die Eichen zu den Raupen zu bringen. Da im vergangenen Jahr vermehrt auch Schulhöfe und Spielplätze betroffen waren, gingen auch hier viele Anfragen zu der präventiven Technik ein. Mit bereits im Haus verfügbaren Komponenten ließ sich schnell ein passendes Konzept entwickeln: Neu ist lediglich ein Sprühkopf, der die Brühe über ein Gebläse vernebelt und so zielgenau bis in die Baumkrone bringt. Alle anderen erforderlichen Elemente kommen aus dem Standard-Programm: Auslegerarme im Frontanbau, hydraulische und elektronische Steuerung am Fahrerplatz, Schläuche, Pumpen, Ventile sowie Wasserfässer. Ein Vorteil der biologischen Bekämpfung gegenüber den Insektiziden ist zudem, dass für entsprechende Maßnahmen kein Sachkundenachweis erforderlich ist.

Sollte sich der Befall in Grenzen halten und müssen daher nur wenige Bäume behandelt werden, kann das auch mit tragbaren Geräten erfolgen. Der Schweizer Hersteller Birchmeier hat dafür das neue Akku-Sprühgebläse AS 1200 im Programm. Es arbeitet zusammen mit einem Sprühgerät aus der „Accu-Power“-Linie und kombiniert den Vorteil konventioneller Düsen-Sprühtechnik mit einem gesteuerten Luftstrom. Die Gebläseleistung ist entsprechend der Anwendung wählbar, die Sprühweite erreicht Befall in bis zu 13 m Höhe. Im Gegensatz zu den herkömmlichen, mit Verbrennungsmotoren funktionierenden Nebelbläsern ist der Anwender durch das Birchmeier-Gerät keinen Abgasen ausgesetzt und er kann vergleichsweise leise arbeiten. Zudem werde der negative Aspekt der Abdrift nahezu eingestellt. Die Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners kann damit sowohl vom Boden aus erfolgen als auch mit Hubsteigern. Aufgrund des geringen Gewichts ist es sogar möglich, das Sprühgebläse im Rahmen der Seilklettertechnik in den Baum mitzunehmen. Auf der Demopark 2019 erhielt das Gerät eine Neuheiten-Silbermedaille.

Schädlingsbekämpfung: Reizende Raupe auf dem Vormarsch

Der AS 1200 von Birchmeier kann per Hand geführt werden und dennoch hohen Befall erreichen.

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Für höhere Regionen nutzt man den Hubkorb.

Bauentstauber im Einsatz

Haben sich die Raupen aber bereits in einem Bestand etabliert, reicht es nicht, sie nur abzutöten. Denn in den Nestern bleiben die gefährlichen Brennhaare teilweise noch über Jahre erhalten. Daher müssen auch die Nester entfernt werden. Dafür kommen meist Industriesauger zum Einsatz, empfohlen wird hier die Staubklasse „H“, die auch im Bereich der Asbestsanierung Anwendung findet. Kärcher bietet hier beispielsweise die Serie NT mit vier verschiedenen Geräten. Nilfisk hat ähnliches zu bieten, der Sicherheitssauger ATTIX 965-0H/M SD XC ist als sogenannter „Bauentstauber“ weit verbreitet. Ein vollautomatisches Filterabreinigungssystem stellt sicher, dass beim Absaugen der Nester nichts verstopft. Wurden alle Raupen und Nester eingesaugt, können diese mit den Sicherheitsfiltersäcken berührungsfrei entsorgt werden. Spezielles Zubehör wie Absaugrohre aus Aluminium in Verbindung mit langen Saugschläuchen sorgen dafür, dass flexibel gearbeitet werden kann und der nötige Sicherheitsabstand jederzeit gewahrt bleibt. Die Nass-Trocken-Sauger können natürlich auch für andere Aufgaben eingesetzt werden, weshalb bei der Neuanschaffung eines Saugers eventuell darauf geachtet werden sollte, ob es in der nächsten Saison eventuell Bedarf für ein entsprechendes Gerät gibt, auch wenn aktuell noch kein Befall vorliegt. Allerdings kann es beim Absaugen passieren, dass Raupenhaare wegfliegen und in der Umgebung gefährlich bleiben, was etwa auf Spielplätzen und im städtischen Raum problematisch sein kann. Darüber hinaus müssen die abgesaugten – immer noch lebenden – Insekten als Sondermüll in der entsprechenden Verbrennung entsorgt werden.

Schädlingsbekämpfung: Reizende Raupe auf dem Vormarsch
Schädlingsbekämpfung: Reizende Raupe auf dem Vormarsch
Schädlingsbekämpfung: Reizende Raupe auf dem Vormarsch

Der EPS-Killer arbeitet mit heißem Schaum aus Mais und Kokos, wodurch die Raupe abgetötet wird und gleichzeitig die gefährlichen Härchen in der Umgebung gebunden werden.

Schaumcocktail auf 97 °C

Hier setzt ein weiteres Verfahren an: Die Firma Hensing aus der Nähe von Münster hat den „EPS Killer“ entwickelt. Dabei handelt es sich um ein Heißwasser-/Heißschaumverfahren, das bereits im öffentlichen Raum bei der Bekämpfung von Unkraut, Brennnesseln und Disteln erfolgreich eingesetzt wird. Dabei wird Wasser mit 97 °C über eine Lanze zur befallenen Stelle gebracht und im selben Arbeitsgang ein organischer Schaum zugeführt. Dieser setzt sich aus Mais- und Kartoffelstärke, Palmkernöl und Kokosnusssaft zusammen. Der entstehende Schaumteppich verlangsamt das Abkühlen, wodurch die Hitze länger und intensiver wirkt und so die Eiweißstrukturen der Raupen zerstört werden. Durch das Abfließen des Schaums werden auch umliegende Brennhaare und Häutungsreste mitgenommen und somit vom Baum entfernt. Die abgekochten Brennhaare verlieren ihr Gefahrenpotential und sind daher für Mensch und Tier nicht mehr gesundheitsschädlich. Im letzten Schritt müssen lediglich die toten ungefährlichen Raupen entfernt werden. Laut Hersteller werde der Baum selbst durch die Hitze nicht geschädigt. Zwei Geräte unterschiedlicher Größe sowie Schlauchaufroller mit variablen Verlängerungen (von 20 bis 50 m) machen eine Beseitigung des Eichenprozessionsspinners selbst auf großen Flächen und Distanzen möglich. Da aber bereits das kleine Gerät 60 kW Heizleistung mitbringt, kommt es auf ein Gewicht von 150 kg. Zudem benötigt es neben dem Strom- auch einen Wasseranschluss, es kann jedoch auch Oberflächenwasser genutzt werden.

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Eichenprozessionsspinner im Raupenstadium.

Auch der holländische Hersteller Empas wirbt damit, dass seine bisher zur Unkrautbekämpfung eingesetzten Heißwasser-Geräte auch gegen den Eichenprozessionsspinner eingesetzt werden können. Hier kommen Temperaturen von etwa 85 °C zustande, jedoch kein Schaum. Das Wasser alleine sei aber ebenfalls mehr als ausreichend, da die Eiweiße der Raupen bereits bei über 50 °C erstarren. Später im Jahr könne mit der Heißwasser-Technik zudem auch den dann bereits in den Eichen abgelegten Eiern direkt zu Leibe gerückt werden. So wird direkt für das nächste Jahr vorgebeugt. Der Händler Martin Maschinenvertrieb GmbH aus Bad Zwischenahn wurde beim Einsatz der Empas-Geräte immer wieder gefragt, ob das nicht schädlich für den Baum sei, weshalb man mit dem Thermometer eine Messung an einem gefällten Eichenstamm vorgenommen hat: Während das heiße Wasser über die Rinde lief, stieg die Temperatur etwa einen Zentimeter im Inneren der dicken Eichenborke kaum an.

Was natürlich ebenfalls nicht vergessen werden darf, ist die persönliche Schutzausrüstung (PSA), die bei Einsätzen gegen den Eichenprozessionsspinner sehr wichtig ist. Die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) rät, die Beseitigung von Nestern und Raupen nur von Experten mit entsprechender Technik vornehmen zu lassen. Dazu gehört mindestens eine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 mit Ausatemventil. In warmen Sommermonaten kann das aber körperlich belastend sein. Eine durch ein Gebläse unterstützte Halb- oder Vollmaske mit Partikelfilter TM2P erleichtert hier die Atmung wesentlich. Möglich ist etwa die PowerCap Infinity von JSP, die als voll integriertes Atemschutzgerät (bis TH3) gilt. Das Gerät fungiert als Kopf-, Atem-, Augen- und Gehörschutz. Seit dem 01.05.2020 unterstützt die SVLFG ihre Mitglieder bei der Anschaffung entsprechender PSA mit bis zu 30 %, max. können 300 Euro gefördert werden. Noch mehr Unterstützung gibt es für Mitglieder der BG Bau: Hier sind bis zu 50 % bzw. 500 Euro drin. Daneben sollte auch ein Chemikalienschutzanzug mit Kapuze (DIN EN 14605 Typ 4b) sowie geschlossene Schuhe getragen werden. Laut SVLFG habe es sich bewährt, die Stoffübergänge mit Klebeband zu schließen. Nach dem Einsatz müssen alle Geräte sowie die PSA gereinigt werden, wobei ebenfalls große Vorsicht geboten ist – das Ausblasen mit Druckluft ist etwa eine denkbar schlechte Idee: Es bringt schließlich nichts, wenn der Spielplatz sauber ist, anschließend aber die Bauhof-Halle mit hereingetragenen Brennhaaren kontaminiert wird.


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