Auf Acker und Straße den passenden Druck

Mit immer größerer, schwererer und schlagkräftigerer Landtechnik gewinnen Reifendruckregelanlagen zunehmend an Bedeutung. Dabei handelt es sich bei den aktuellen Systemen meist „nur“ um Reifendruckverstellanlagen. Eine automatische Regelung der Reifendrücke, beispielsweise aufgrund der Achslasten oder der gefahrenen Geschwindigkeit, findet bis jetzt kaum statt. Wie Reifendruckverstellanlagen funktionieren und welche Systeme momentan auf dem Markt erhältlich sind lesen Sie in diesem Beitrag.

Reifendruckregelanlagen: Auf Acker und Straße den passenden Druck

Während Reifendruckverstellanlagen zwar immer mehr zum Einsatz kommen, findet die automatische Regelung der Reifendrücke noch kaum statt.

1. Warum eine Reifendruckregelanlage?

Auch wenn die automatische Reifendruckregelung noch kaum angewendet wird, bringen bereits Reifendruckverstellanlagen große Vorteile. Dies gilt insbesondere bei Arbeiten mit häufigen Straßen-Feldwechsel, zum Beispiel beim Gülleausbringen. Ohne eine Reifendruckverstellanlage müssten Kompromissreifendrücke gewählt werden. Mit einer Anlage können die Reifendrücke während der Fahrt angepasst werden.

Auf der Straße wird ein hoher Reifendruck gewählt, was den Reifenverschleiß sowie den Treibstoffverbrauch verringert. Beim Feld angekommen, können die Reifendrücke auf ein Minimum abgesenkt werden. Dafür besonders gut geeignet sind moderne IF (increased flexion) und VF (very high flexion) Reifen. Diese besitzen gegenüber den herkömmlichen Reifen mit Standardtechnologie ein höheres Druckabsenkungspotenzial, was zur Folge hat, dass die Reifendrücke bei gleicher Radlast um 20 Prozent (IF) respektive 40 Prozent (VF) tiefer gewählt werden können.

Durch tiefe Drücke flachen die Reifen mehr ab, die Kontaktfläche zum Boden vergrößert sich. Dadurch verringern sich nicht nur die Bodendrücke und dementsprechend die Gefahr von Bodenverdichtungen, sondern bei einer bestimmten Zugkraft auch der Schlupf. Gleichermaßen wie der geringere Rollwiderstand auf der Straße, minimiert auch weniger Schlupf im Feld den Treibstoffverbrauch. Mit einer Reifendruckverstellanlage können die Treibstoffkosten erfahrungsgemäß um bis zu zehn Prozent reduziert und die Lebensdauer der Reifen verlängert werden.

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Die fünf Leitungen beim System „CTIC“ von Claas können abgekoppelt und ...

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... auf dem Kotflügel „geparkt“ werden.

2. Verschiedene Systeme

Die meisten zurzeit verfügbaren Reifendruckverstellanlagen können zwei Funktionskonzepten zugeordnet werden: 1- oder 2-Leiter-Anlagen. Für beide Varianten sind sowohl innen- wie auch außenliegende Drehdurchführungen auf dem Markt erhältlich.

Zum Erhöhen der Reifendrücke benötigt eine Reifendruckverstellanlage Druckluft. Die einfachste und kostengünstigste Variante ist der auf dem Traktor verbaute Kompressor. Dieser wird primär für die Druckluftbremsanlage verwendet und meistens über einen Keilriemen direkt vom Motor angetrieben. Eine andere, aufwändigere Variante ist es, die Luft durch einen externen Kompressor (Kolben-, Schrauben- oder Flügelzellenverdichter) zu komprimieren. Diese sind zwar aufwändiger und teurer, dafür auch leistungsfähiger. Sie werden in der Regel hydraulisch angetrieben und können entweder an der Fronthydraulik des Traktors mitgeführt oder direkt auf dem Zug- beziehungsweise Anhängefahrzeug installiert werden. Die komprimierte Luft gelangt über die Druckbehälter zum Ventilblock der Reifendruckverstellanlage. Soll der Reifendruck erhöht werden, gelangt diese über Leitungen, Schläuche und letzten Endes die Drehdurchführung vom Ventilblock zu den Rädern. Beim Ablassen zirkuliert die Luft üblicherweise in entgegengesetzter Richtung bis zum Ventilblock.

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Mit „VarioGrip“ bietet Fendt eine eigene 2-Leiter-Reifendruckverstellanlage ab Werk an.

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Das „EasyGrip“-System stellt McCormick für die Serie „X7“ ab Werk zur Verfügung.

1-Leiter-Reifendruckverstellanlagen verfügen lediglich über eine Versorgungsleitung. Die Leitungen, Schläuche und Drehdurchführungen stehen bei herkömmlichen 1-Leiter-Systemen ständig unter Druck. Um bei längeren Standzeiten oder Straßentransportarbeiten die Felge von der Reifendruckverstellanlage zu trennen, werden in der Regel manuelle Kugelventile verbaut. Es gibt allerdings auch aufwändigere 1-Leiter-Anlagen, welche über Radventile mit Druck- oder Pulsansteuerung verfügen. Sie lassen sich durch ein bestimmtes Druckniveau oder einen gezielten Druckimpuls öffnen und verhindern gleichermaßen wie die Kugelventile ein unerwünschtes Austreten von Luft.

2-Leiter-Reifendruckverstellanlagen verfügen über eine Versorgungs- und eine Steuerleitung. An der Radnabe oder direkt an der Felge ist immer ein Radventil verbaut, welches durch den Steuerdruck betätigt wird. Die Drehdurchführung steht somit nur in der Verstellphase während des Änderns der Reifendrücke unter Druck. Bei 1-Leiter-Systemen, welche über druck- oder pulsgesteuerte Ventile verfügen, ist diese Funktion auch möglich. Es soll den Verschleiß der Dichtungen vermindern. Außerdem verhindert das Radventil systembedingt ein unerwünschtes Austreten von Luft. Somit müssen keine Kugelventile an der Felge montiert werden.

3. Hersteller

Mittlerweile sind mehrere Hersteller von Reifendruckverstellanlagen auf dem Landtechnikmarkt vertreten. Vermehrt bieten auch Traktorenhersteller eigene oder zugekaufte Reifendruckverstellanlagen ab Werk an. Dazu gehören Claas, Fendt, John Deere und McCormick. Die Reifendruckverstellanlagen lassen sich durch das traktorinterne Terminal bedienen.

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Claas: Claas Tire Inflation Control (CTIC) nennt sich die Reifendruckverstellanlage von Claas. Ab Werk kann sie auf die Modellbaureihe Axion 900 aufgebaut werden. CTIC kann zudem auf den Baureihen Arion 500 / 600 und Axion 800 nachgerüstet werden. Die Reifendruckverstellanlage arbeitet mit fünf Leitungen. Das Radventil ist mit der außenliegenden Drehdurchführung kombiniert. Die Luft strömt beim Ablassen direkt am Radventil aus und muss nicht über die gesamte Zuleitung abgeführt werden. Außerdem wird der Reifendruck direkt am Radventil gemessen. Dies führt zu einem schnellen Ablassen des Reifendrucks. Im leistungsfähigsten Modell CTIC 2800 arbeitet ein hydraulisch angetriebener Zusatzkompressor (Schraubenverdichter) mit 2.800 l/min Luftfördermenge, welcher eine schnelle Reifendruckerhöhung ermöglicht. Die Anlage lässt sich auch auf Fremdmarken nachrüsten.

Fendt: Mit VarioGrip bietet Fendt für die Baureihen 800, 900 und 1000 eine eigene 2-Leiter-Reifendruckverstellanlage ab Werk an. Die Anlage wird durch den traktoreigenen Doppelkolbenkompressor, welcher ebenfalls für die Druckluftbremsanlage verwendet wird, gespeist. Die Luft gelangt durch innenliegende, in beiden Achsen integrierte Drehdurchführungen zu den Reifen.

John Deere: Mit der neuesten Generation der 8R Modelle bietet auch John Deere eine eigene Reifendruckverstellanlage ab Werk an. Das Central Tire Inflation System (CETIS) arbeitet nach dem 1-Leiter-Prinzip. Die Räder werden über innenliegende Drehdurchführungen, welche in der Vorder- sowie Hinterachse integriert sind, mit Luft versorgt. Damit die Drehdurchführungen nur während des Verstellvorganges unter Druck stehen, wird ein pulsgesteuertes Radventil verbaut. Die Luft wird von einem Doppelkolbenkompressor bereitgestellt.

McCormick: McCormick stellte auf der Agritechnica 2019 seine neue Modellbaureihe X7 inklusive Reifendruckverstellanlage vor. Für diese Modellbaureihe ist der Aufbau ab Werk möglich. Das 2-Leiter-System wird EasyGrip genannt und stammt vom deutschen Hersteller PTG.

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Die Reifendruckverstellanlage von John Deere für die Serie „8R“ arbeitet nach dem 1-Leiter-Prinzip.

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John Deere: Ein pulsgesteuertes Reifenventil verhindert, dass die Drehdurchführungen permanent unter Druck stehen.

Nachrüstlösungen

Eine große Auswahl an Reifendruckverstellanlagen besteht unter den „Nachrüstlösungen“. Es sind sowohl 1-Leiter- wie auch 2-Leiter-Anlagen erhältlich. Die in der nachfolgenden Tabelle aufgeführten Hersteller (Auszug) bieten Systeme für Zug- und Anhängefahrzeuge an, die meisten auch Zusatzkompressoren. Insbesondere, wenn sowohl Traktor als auch Anhänger mit einer Reifendruckverstellanlage ausgerüstet sind, empfiehlt es sich, einen solchen zu verbauen. Nur so kann der Reifendruck in angemessener Zeit erhöht werden. Falls die Anlage mit einem Zusatzkompressor betrieben werden soll, ist darauf zu achten, dass Leitungen, Schläuche sowie Drehdurchführungen über einen genügend großen Querschnitt verfügen. Auch Reifendruckregelanlagen von Herstellern, welche keine eigenen Zusatzkompressoren anbieten, können durch diese ergänzt und betrieben werden.

Reifendruckregelanlagen: Auf Acker und Straße den passenden Druck

Besondere Ausführungen bei Nachrüstlösungen

Einige Hersteller von Nachrüstanlagen bieten zudem interessante Ausführungen an. Sie verbessern die Funktionalität der Reifendruckregelanlage oder integrieren diese besser in den Traktor.

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System mit außenliegender Drehdurchführung: 1-Leiter-Anlage von STG.

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Die 2-Leiter-Anlage von PTG an einem MF 8S, bei der die Schläuche nicht angekoppelt sind.

Innenliegende Drehdurchführung von PTG und TerraCare

Für Stummelhinterachsen, auch Steckachsen genannt, bieten PTG und Terracare innenliegende Drehdurchführungen an. Diese haben den Vorteil, dass an der Hinterachse keine Schläuche und Leitungen außerhalb des Rades vorstehen. Für Vorder- sowie Standard-Hinterachsen sind bis jetzt noch keine nachrüstbaren Drehdurchführungen auf dem Markt verfügbar.

Die Drehdurchführung von PTG ist für eine 2-Leiter-Anlage ausgelegt, die von TerraCare für ein 1-Leiter-System, welches ständig unter Druck steht.

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Bei der 1-Leiter Reifendruckverstellanlage von Téléflow ist die Drehdurchführung mit einem speziellen Radventil kombiniert.

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Innenliegende Drehdurchführung der 2-Leiter-Anlage von PTG am MF 8S.

Druckgesteuertes Radventil von AgriBrink

Die Firma AgriBrink aus Kanada verwendet für ihre Reifendruckverstellanlage ein Radventil, welches nach dem Funktionsprinzip einer Druckwaage arbeitet. Beim Erhöhen des Reifendruckes funktioniert die Anlage wie herkömmliche 1-Leiter-Systeme. Auch außerhalb des Verstellvorgangs herrscht in der Zuleitung und der Drehdurchführung der gleiche Druck wie im Reifen. Soll der Reifendruck gesenkt werden, wird der Druck in der Zuleitung auf das gewünschte Reifendruckniveau eingestellt. Über die Druckwaage wird direkt am Ventil Luft aus dem Reifen abgelassen. So lange, bis sich zwischen Reifeninnendruck und Zuleitungsdruck ein Gleichgewicht eingestellt hat. Dies führt zu einer kurzen Ablasszeit. Zudem verfügt das Radventil über ein mechanisches Sicherheitsventil, mit welchem ein Minimaldruck eingestellt werden kann. Der Reifen kann sich bei einer Leckage in der Zuleitung nicht komplett entleeren.

Spezielle Drehdurchführung von Téléflow

Bei der 1-Leiter-Reifendruckverstellanlage von Téléflow ist die Drehdurchführung mit einem speziellen Radventil kombiniert. Die Leitungen und Schläuche sind außerhalb der Verstellphase drucklos. Außerdem kann die Luft während des Ablassvorgangs direkt an der Drehdurchführung ausströmen. Ob das Radventil über Druck oder Impulse angesteuert wird, ist leider nicht bekannt.

GeoCare und HaAut von TerraCare

TerraCare bietet mit GeoCare und HaAut erste Systeme in Richtung einer Regelung für Reifendruckverstellanlagen.

GeoCare kann eine Position, zum Beispiel am Feldrand, über GPS speichern. Wird dieser Punkt mit dem Fahrzeug passiert, schaltet das System automatisch in den Feldmodus um. Der Reifendruck wird reduziert.

HaAut ist nur für Anhängefahrzeuge verfügbar. Mithilfe eines Sensors (Gyroskop) wird die Neigung des Anhängers erfasst. In Hanglagen passt das System die Reifendrücke auf der linken und rechten Achsseite individuell an. Bei den talseitigen Reifen wird der Druck erhöht, respektiv bei den bergseitigen reduziert. So wird die Hangstabilität verbessert, allerdings auch der Boden unter den talseitigen Reifen stärker belastet.

Auf rechtliche Vorgaben, die bei Montage und Betrieb von Reifendruckregelanlagen zu berücksichtigen sind, gehen wir in einer späteren Ausgabe des eilboten gesondert ein.


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