Chancen für Landtechnikbetriebe: Die neue Rolle von Biogas

Wie geht es weiter mit Biogas? Darüber wird derzeit in der Branche viel diskutiert. Fest steht nur: Nichts wird bleiben wie es ist. Das hat auch Auswirkungen auf die Landtechnikbranche.

Regenerative Energien: Chancen für Landtechnikbetriebe: Die neue Rolle von Biogas

Für die Ernte von Silphie sind spezielle Vorsätze am Feldhäcksler gefragt.

9000 Anlagen, über 1 Mio. ha Energiepflanzen für die Biogasproduktion mit dem Schwerpunkt auf Mais: So stellt sich die Biogasbranche aktuell dar (siehe Grafik zum Energiepflanzenanbau). Doch dieses Bild könnte sich schon bald ändern: Ab dem Jahr 2021 erreichen die ersten der Pionieranlagen in Deutschland das Ende ihres zwanzigjährigen Förderzeitraums nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Außerdem will die Bundesregierung den Einsatz von Mais reduzieren: Im EEG gibt es neuerdings einen „Maisdeckel“, wonach der Anbau für Neuanlagen oder Anlagen, die sich um eine zehnjährige Verlängerung bewerben, auf unter 50 % im Substratmix reduziert werden muss.

Trotzdem ist die Biogasbranche nicht am Ende: Es gibt verschiedene Nischen und Optionen, in denen sie auch künftig ihre Stärken ausspielen kann. Diese stellen wir im Folgenden kurz vor und erläutern dabei, welche Auswirkungen das auf die Landtechnikbranche haben wird:

1. Vermittler zwischen Wind und Solar

2. Insektenförderer

3. Resteverwerter

4. Gülleabnehmer

5. Klimaschützer

6. Produzent von Kraftstoffen oder Wasserstoff

1. Vermittler zwischen Wind und Sonne

Anlagenbetreiber, die die Biogasproduktion fortsetzen wollen, können sich am Ausschreibungsverfahren beteiligen und sich um eine zehnjährige Verlängerung bewerben. Hierfür müssen die Anlagen allerdings flexibel Strom produzieren können. Das bedeutet: Die installierte Leistung wird größer. Auch sind große Gasspeicher auf der Anlage nötig, um das Gas zwischenzuspeichern, während die Blockheizkraftwerke (BHKW) stillstehen. Das ist z.B. dann der Fall, wenn der Strompreis niedrig ist bzw. wenn viel Wind- oder Solarstrom produziert wird. Hierzu steuert der Stromhändler die Anlagen aus der Ferne.

Die Chancen für Landmaschinenhändler: Die Anlagen benötigen eine hohe Verfügbarkeit. Fallen sie aus, entgehen dem Betreiber nicht nur Einnahmen, er muss u.a. auch Strafen oder Ausgleichsenergie zahlen. Darum ist ein schneller Service für Wartung oder Reparatur gefragt. Hier könnte der örtliche Landmaschinenhändler Konzepte liefern.

Auch diese Biogasanlagen benötigen Energiepflanzen. Denn Abfälle oder Reststoffe reichen bei weitem nicht aus, um genügend Biogas produzieren zu können. Da die Anlagen in der Ausschreibung aber zu sehr niedrigen Preisen produzieren müssen, sind vor allem günstige und energiereiche Pflanzen gefragt. Hier wird Energiemais die Hauptrolle spielen. Ergänzend dazu kommen auch Gras, Gülle oder Mist. Klassische Erntetechnik wird demnach genauso gefragt sein wie Technik für den effizienten Biomasse- und Gülletransport.

2. Insektenförderer

Die Landwirtschaft steht aktuell wieder stark unter Druck. Zum Verlust der Artenvielfalt, vor allem bei den Insekten, trage sie eine Mitschuld, so die Kritiker. Monokulturen oder Pflanzenschutzmittel seien die Ursachen dafür. Der Anbau von Blühpflanzen auf dem Acker könnte zwar Abhilfe schaffen, kostet aber Geld und reduziert die Fläche zum Anbau von Lebens- und Futtermitteln weiter. Hier kommt die Biogasbranche ins Spiel: Der Aufwuchs könnte nach der Blüte geerntet, einsiliert und zu Biogas verarbeitet werden. Biogasanlagen sind dabei die einzige Möglichkeit, um den meist feuchten und als Futter nicht geeigneten Aufwuchs verwerten zu können. Beispiele sind hier nicht nur Blühstreifen am Feldrand, sondern auch der Anbau der Dauerkultur „Durchwachsene Silphie“, Mischungen von Blüh- und Energiepflanzen oder Wildpflanzen, die für die Biogasnutzung optimiert werden.

Ein Beispiel ist der Veitshöchheimer Hanfmix, der 25 Pflanzenarten umfasst und das Ergebnis mehrerer Forschungsprojekte ist. Der Hanfmix ist für das Niederwild, für Vögel, Fledermäuse und Insekten attraktiv, hat die bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) festgestellt. Einen anderen Weg verfolgen Wissenschaftler des Julius Kühn-Instituts im 2019 neu gestarteten Forschungsprojekt „LuMi-opt“: Sie erforschen, wie sich die Vorzüge von Lupinen im Energiepflanzenanbau nutzen und u. a. die Stickstoffgaben beim Anbau von Energiemais reduzieren lassen. Dazu säen sie z. B. den Mais zusammen mit Anden-Lupinen in nebeneinander liegenden Reihen aus. Die Anden-Lupine liefert viel Biomasse. Auch soll sie über einen langen Vegetationszeitraum mit ihrem Nahrungsangebot für Hummeln, Wildbienen und weitere Fluginsekten attraktiv sein.

Allerdings verursachen diese Blühpflanzen höhere Kosten für Anbau und Ernte, benötigen wegen des niedrigen Trockenmassegehalts besondere Silierkonzepte und bringen im Fermenter zum Teil nur 50 % der Gasmenge von Mais. Darum gelten sie lediglich als Ergänzung. Damit Landwirte mit ihnen trotzdem wirtschaftlich Biogas erzeugen können, werden aktuell Förderungen, Zuschüsse für den Anbau usw. diskutiert, die die Gesellschaft bzw. der Naturschutz für die zusätzliche Leistung aufbringen müssten.

Die Chancen für Landmaschinenhändler: Zur Ernte von Silphie, Wildpflanzen & Co. sind herkömmliche Maisvorsätze nur bedingt geeignet. Denn die Bestände sind nicht nur hoch, sondern bilden zum Teil auch stark verwobene Matten. Diese lassen sich nur mit speziellen Biomassevorsätzen ernten. Hersteller wie Zürn oder Kemper haben hierzu bereits Lösungen erarbeitet. Der örtliche Handel kann in Kooperation mit den Herstellern für Feldhäcksler attraktive Lösungen anbieten.

Regenerative Energien: Chancen für Landtechnikbetriebe: Die neue Rolle von Biogas

Maisstroh ist ein interessantes Substrat für Biogasanlagen.

3. Resteverwerter

In der Landwirtschaft fallen viele Reststoffe an, die sich fast nur mit Biogasanlagen sinnvoll nutzen lassen. Dazu gehören neben Gülle und Mist auch bislang nicht genutzte Biomassen wie z.B. Stroh von Körnermaisflächen. Das Maisstroh fällt nicht unter den „Maisdeckel“, lässt sich also in beliebiger Menge einsetzen, wenn die Einbring- und Rührtechnik es zulässt. Der Strohertrag von 1 ha Körnermais liefert genauso viel Biogas wie 0,25 ha Silomais. Der Reststoff siliert sehr gut und lässt sich verlustarm lagern. Als Mischungspartner bei der Silierung eignen sich gebröckelte Zuckerrüben sehr gut. Das zeigen Forschungsergebnisse der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL). In Deutschland werden rund 500.000 ha Körnermais angebaut. Damit könnten sich also rund 125.000 ha Silomais ersetzen lassen. Die Landmaschinenindustrie hat sich bereits darauf eingestellt und eine Kombination aus Schwader und Mulcher oder modifizierte Pflückervorsätze für Mähdrescher entwickelt, die das Stroh im Schwad ablegen. Wird die Strohabfuhr mit dem Mulchen der Stoppeln kombiniert, lässt sich gleichzeitig auch der Maiszünsler bekämpfen.

Die Chancen für Landmaschinenhändler: Die Maisstroh-abfuhr bietet große Chancen für Biogasanlagen, die in Körnermaisregionen liegen. Hierzu sind neue Erntetechniken gefragt, die neue Absatzmöglichkeiten an Biogasanlagenbetreiber oder Lohnunternehmer bieten. Attraktiv ist das Verfahren für Biogasanlagenbetreiber als Strohverwerter, aber auch für Körnermaisanbauer bzw. Schweinehalter, die CCM-Mais anbauen. Sollte das Verfahren hier nicht bekannt sein, könnte der örtliche Handel als Informationsdrehscheibe tätig werden und mithilfe von Maschinenvorführungen und Informationsveranstaltungen z.B. zusammen mit Lohnunternehmern und/oder dem Fachverband Biogas und anderen Experten Lösungen vorstellen.

4. Gülleabnehmer

Die Düngeverordnung stellt viele Landwirte vor neue Herausforderungen, vor allem in Nährstoffüberschussregionen wie in Südoldenburg oder dem Westmünsterland. In Niedersachsen oder Westfalen werden zunehmend Verfahren entwickelt, um Gülle aufzubereiten und transportfähig zu machen. Ziel ist es, Nährstoffe möglichst in Ackerbauregionen zu transportieren. Neu ist die Entwicklung, dass Biogasanlagen in Ackerbauregionen abseparierte Güllefeststoffe vergären und dann gezielt als Dünger in die Kulturen ausbringen. Die Feststoffe haben eine Gasausbeute vergleichbar mit Festmist, die bei etwa 70 bis 80 % bei der von Mais liegen kann. Damit diese Konzepte funktionieren, müssen die Anlagen aber ganzjährig kontinuierlich mit dem Material versorgt werden. Auch muss das Material frisch sein, damit die Gasausbeute hoch genug ist.

Die Chancen für Landmaschinenhändler: Bei der Technik sind leistungsfähige Schneckenseparatoren (für Rindergülle oder Gärreste) oder Zentrifugen (für die dünnere Schweinegülle) gefragt. Neben stationären Anlagen gibt es zunehmend mobile Lösungen, mit denen Lohnunternehmer, Güllebörsen usw. auf den Betrieben separieren und sich um den Abtransport der Nährstoffe bzw. Feststoffe kümmern. Für den Transport sind Mulden möglichst mit Abdeckung gefragt.

Regenerative Energien: Chancen für Landtechnikbetriebe: Die neue Rolle von Biogas

Zur Abfuhr von Maisstroh kommen spezielle Maschinen zum Einsatz, z.B. der Merge-Maxx von Kuhn

5. Klimaschützer

Deutschland hat sich im Jahr 2015 zu den Pariser Klimaschutzzielen bekannt und sich das verbindliche Ziel gesetzt, den Ausstoß von CO₂ stark zu senken. Hierzu hat die Bundesregierung den Klimaschutzplan verabschiedet. Darin wird auch die Landwirtschaft verpflichtet, ihren Beitrag dazu zu leisten. Im Klimaschutzplan 2050 ist explizit als Maßnahme für den Sektor Landwirtschaft die verstärkte Vergärung von Wirtschaftsdüngern tierischer Herkunft und landwirtschaftlicher Reststoffe genannt. Denn bei der offenen Lagerung von Gülle und Festmist entstehen Methanemissionen, die sich mit der Vergärung in Biogasanlagen vermeiden lassen.

Die Chancen für Landmaschinenhändler: Für die Güllevergärung sind effiziente Abfüll- und Transportlösungen gefragt.

6. Produzent von Kraftstoffen oder Wasserstoff

Biogasanlagen werden künftig nicht nur für die Strom- und Wärmeproduktion benötigt. Bei dieser sind die Anlagenbetreiber über das EEG an bestimmte Rohstoffe gebunden. Das Gesetz schreibt z.B. Mindestmengen von 30 % Gülle oder Mist für den Güllebonus oder Höchstmengen für den Maiseinsatz vor.

Anders ist es, wenn der Anlagenbetreiber das Rohgas nicht mehr im BHKW verbrennt, sondern es zu Biomethan aufbereitet und ins Gasnetz einspeist. Dort kann es wie Erdgas genutzt werden. Für diese Technik ist eine Gasreinigung nötig, die erhebliche Investitionskosten nach sich zieht. Darum kam sie bislang nur bei größeren Biogasanlagen zum Einsatz. Aktuell gibt es rund 200 Biomethananlagen in Deutschland.

Es gibt aber Ansätze, bei denen bestehende Biogasanlagen ihr Rohgas über eine Sammelleitung zu einer gemeinsamen Gasaufbereitungsanlage schicken und so von diesem Markt profitieren können. Das kommt für einige Anlagen neu ins Spiel, wenn die Anlagen keine EEG-Förderung mehr erhalten.

Ganz neu ist das Verfahren, bei dem der Anlagenbetreiber Wasserstoff zu dem Rohgas gibt. Vereinfacht dargestellt erzeugen spezielle Bakterien dann aus dem CO₂ im Rohgas in Verbindung mit dem Wasserstoff Methan. Auf diese Weise ließe sich biologisch Biomethan herstellen. Erste Firmen bieten dazu Lösungen an. Der Wasserstoff soll aus der Elektrolyse kommen, bei der Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff getrennt wird. Diese Technik kommt bei Power-to-Gas-Anlagen (PtG) zum Einsatz, von denen es in Deutschland aktuell etwa 50 gibt. Die Elektrolyseure der PtG-Anlagen nutzen überschüssigen Windstrom. Auf diese Weise lässt sich aus Windstrom Wasserstoff erzeugen (Strom zu Gas, englisch: „Power to Gas“).

Unabhängig vom Herstellungsverfahren: Biomethan aus Biogasanlagen ist künftig als Kraftstoff oder als Rohstoff für die chemische Industrie gefragt.

Die Chancen für Landmaschinenhändler: Bei Biogasanlagen in diesem Markt kommt es künftig auf regional verfügbare, günstige Rohstoffe an. Das können Reststoffe, Energiepflanzen, Zwischenfrüchte und andere Einsatzstoffe sein. Für Anbau, Ernte und Transport gelten ansonsten alle Aspekte, die bereits genannt wurden.

Unser Fazit: Die Biogasbranche ist keineswegs tot. Auch wenn einige Anlagen nach Auslaufen der EEG-Förderung abgestellt werden: Es gibt genügend Potenzial für den Bestand, um aktuelle Lösungen zu liefern. Dazu zählt der Klimaschutz genauso wie der Artenschutz auf dem Acker oder die Vermeidung von Nitrat im Grundwasser.

Regenerative Energien: Chancen für Landtechnikbetriebe: Die neue Rolle von Biogas

Eine mobile Zentrifuge zur Trennung von Schweinegülle. Über die Schnecke werden Feststoffe direkt auf einen Lkw geladen.


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