Lieferengpässe bei Corona – wer haftet?

Es hängt von der Vertragsgestaltung ab, erläutert Rechtsanwältin Dagmar Laubscher-Tietze

Der Coronavirus ist in Deutschland angekommen und verbreitet sich. Auch in Deutschland sind weite Maßnahmen zur Eindämmung erfolgt. In Europa haben bereits einige Staaten den Notstand ausgerufen und weiträumig Quarantäne verhängt. Mit Lieferschwierigkeiten und Lieferverzögerungen durch Produktionsausfälle ist zu rechnen. Doch wer haftet für die Folgen? Wer zahlt z.B. die Kosten einer Ersatzmaschine für die terminlich genau festgelegte Maisaussaat, die ein Händler seinem Kunden bereitstellt, wenn ein Kunde die bestellte Maschine nicht rechtzeitig geliefert bekommt?

Die Frage kann nicht allgemein beantwortet werden, sondern muss im Einzelfall geprüft werden. Denkbar wäre ein Rücktritt vom Vertrag. Ist ein Rücktritt möglich, bedeutet dies die Rückabwicklung des Vertrags, d.h. der Lieferant oder Händler müsste keine Leistung mehr erbringen und auch keine Ersatzmaschine stellen, hätte jedoch auch keinen Anspruch mehr auf Zahlung des Kaufpreises. Ob ein Rücktritt möglich ist, hängt sowohl vom Vertrag als auch vom konkreten Fall ab.

Im Fall einer Corona-Epidemie wird im Vertrag eine Klausel zum Umgang mit Fällen sogenannter „Höherer Gewalt“ von Interesse sein. Je nachdem, wie eine solche Klausel formuliert ist, kann auch eine Epidemie als „ höhere Gewalt“ einzustufen sein. Meist ist in einer solchen Klausel dann auch geregelt, was Rechtfolge sein soll, wenn ein Fall höherer Gewalt vorliegt. Es kann ein Rücktrittsrecht vereinbart sein oder auch, dass und unter welchen Umständen genau eine verzögerte Lieferung hinzunehmen ist. Ob sich ein Händler jedoch tatsächlich auf einen Fall von höherer Gewalt wird berufen können, wird jedoch auch davon abhängen, wie sich die Epidemie konkret auf die Lieferung auswirkt.

Sieht der Vertrag keine „höhere Gewalt“-Klausel vor, könnte eine Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses auch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage möglich sein. Ein Festhalten an dem Vertrag mit den bisherigen Vereinbarungen darf dann mindestens für eine Vertragspartei nicht zumutbar sein. Für den Kunden könnte dies der Fall sein, wenn der Zeitpunkt der Maisaussaat nicht rechtzeitig eingehalten wird und die Lieferung der Maschine nach Aussaat für ihn wertlos ist und ihm daher die Abnahme nicht zumutbar ist. Ob der Händler vom Vertrag wegen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage zurücktreten kann wird davon abhängen, ob es für diesen vorhersehbar war, dass es zu einem Engpass beim Hersteller kommen kann. Hätte er Maßnahmen ergreifen können, damit rechtzeitig eine Maschine beim Kunden ausgeliefert werden kann? Außerdem stellt sich die Frage, ob es dem Händler überhaupt möglich und falls ja auch zumutbar ist, eine Ersatzmaschine zu beschaffen. Aufwand und Kosten hierfür spielen eine Rolle. Ob und in welchem Umfang der Händler Kosten für die rechtzeitige Bereitstellung einer Ersatzmaschine dann tatsächlich beim Hersteller regressieren wird können, dürfte auch in diesem Fall dann wiederum von der Vertragsgestaltung zwischen Händler und Hersteller abhängen.


Weitere Artikel zum Thema

weitere aktuelle Meldungen lesen