Regenerative- und Bio-Landwirtschaft nähern sich an

Wer im Mittleren Westen der USA pfluglos arbeitet, Zwischenfruchtmischungen nutzt, lange Fruchtfolgen plant und neben der Erntemenge pro Hektar sofort auch den Prozentsatz bodenorganischer Substanzen parat hat, für den gibt es nur ein Ziel: die ‚No-Till on the Plains‘ Konferenz, die in diesem Jahr in Wichita im Süden des Bundesstaates Kansas stattfand. Dort lernten wir erfolgreiche Farmprofis kennen, die neue Anbauformen, wie z.B. Streifensaat, ausprobieren. Dafür rüsten sie auch ihre bestehende Landtechnik um oder entwickeln selbst passende Technik.

Pfluglose Landwirtschaft in den USA: Regenerative- und Bio-Landwirtschaft nähern sich an

Für Michael Thompson aus Kansas ist die ’No-Till’ Konferenz Fortbildung und Chance zum Erfahrungsaustausch mit anderen regenerativ wirtschaftenden Farmern.

Pfluglose Landwirtschaft in den USA: Regenerative- und Bio-Landwirtschaft nähern sich an

Jason Mauck baut Soja und Weizen in schmalen Streifen an. Im Bild Hund Bogey.

In weiten Teilen des Mittleren Westens werden fast ausschließlich gentechnisch veränderter Mais und Soja in riesigen Monokulturen angebaut, die Felder werden mit immer größeren, schwereren Maschinen bearbeitet, der Klimawandel lässt die Zeitfenster, in denen der Boden für solche Maschineneinsätze genügend abgetrocknet ist, immer weiter schrumpfen, Aussaat und Ernte müssen schnell erfolgen. Pestizid- und Düngemitteleinsatz steigen, die Bodenqualität hingegen nimmt ab. Wer stattdessen wie die No-Till Farmer auf Verbesserung der Bodenqualität setzt und die Pflugschare Rost ansetzen lässt, der braucht Mitstreiter und Weggefährten.

Biolandwirte führen in den USA ein ähnliches Nischendasein wie ihre No-Till Kollegen. Aber über lange Zeit waren die beiden Lager tief gespalten: „Niemals und unter keinen Umständen pflügen“ war das Motto der einen, und „niemals und unter keinen Umständen Herbizide, Fungizide, Pestizide und Kunstdünger anwenden“ das der anderen.

Auf der diesjährigen Konferenz waren diese Diskrepanzen jedoch kaum noch wahrnehmbar. Übergeordnetes und von Allen akzeptiertes Ziel ist inzwischen die Bodenverbesserung und ein gut funktionierendes Boden-Ökosystem. Denn: Biodiversität über und in der Erde fördert die Gesundheit der Pflanzen und damit deren Abwehrkräfte gegen Krankheiten und Schädlinge und erhöht damit die Ernteerträge. Gleichzeitig steigt die Wasserinfiltrationsrate und Speicherfähigkeit der Böden, was besonders wegen der sich durch den Klimawandel stark verändernden Wetterverhältnisse wichtig ist: Gesunde Böden sind sowohl gegen Überflutungen als auch gegen Dürre besser gewappnet.

Die Konferenz begann mit den Vorträgen zweier Referenten aus dem „Bio-Lager“ zu Mykorrhizen und Pflanzenernährung, die nur eine Schlussfolgerung zuließen: der Einsatz insbesondere von Fungiziden, aber auch Pestiziden oder mineralischen Düngers, macht einen Großteil der Maßnahmen zur Bodenverbesserung zunichte. Einsichten, die sich mit den Erfahrungen der No-Till praktizierenden Farmer deckten. Im Trend liegen deshalb jetzt Zwischen- und Mischkulturen sowie „Staffelaussaaten“.

Soja und Weizen in Streifen

Jason Mauck ist Farmer im US Bundesstaat Illinois und experimentiert seit einigen Jahren mit Mischkulturen. „Geht mit Sonnenlicht, Wasser und Boden um, als wäre es Bargeld“, ist sein erster Rat. Für ihn geht es darum, Bedingungen zu schaffen, die jeder Pflanze ein Optimum an Wasser und Licht geben. Bei seinem ersten Versuch, Weizen zusammen mit Sojabohnen anzubauen, gedieh der Weizen prächtig, aber die Sojabohnen bekamen nicht genug Licht. Daraufhin veränderte er die Abstände: Weizen und Sojabohnen werden in Streifen ausgesät, die Sojabohnen sind noch klein, wenn der Weizen bereits vergleichsweise hoch ist, die Sojapflanzen werden aber nie komplett überschattet. In der Phase, in der der Weizen reift und die Halme trocknen, haben die Sojabohnen einen vergleichsweise hohen Wasserbedarf, der in diesem System gut gedeckt werden kann. Eine Herausforderung war das Ernten: Mauck ist ein einfallsreicher Tüftler, er montierte am Schneidwerk des Dreschers mehrere Abdeckungen so, dass die Weizenstreifen abgeerntet werden konnten, während die Streifen mit noch heranreifenden Sojabohnen geschützt blieben. Eine geniales Provisorium, aber vermutlich keine Dauerlösung. Mauck arbeitet auch mit Soja-Mais Mischkulturen. Die breiten Sojabohnenstreifen sorgen dafür, dass die Maispflanzen deutlich mehr Licht bekommen, dadurch bilden die Kolben mehr und größere Körner. Mais und Soja können zwar zusammen geerntet werden, aber für das Trennen der beiden Saaten musste Mauck wieder eine eigene technische Lösung basteln: die Körner fallen auf eine sich drehende, horizontale Spirale, in der sie durch ihr unterschiedliches spezifisches Gewicht separiert werden.

Mit Staffelsaaten Vielfalt sichern

Loran Steinlages Betrieb liegt im Nordosten des Bundesstaates Iowa. Steinlage ist inzwischen bekannt für seine „Dschungel-Zwischensaatmischung“ und Staffelsaaten: Im Herbst sät er Roggen neben die Streifen, von denen zuvor Mais geerntet worden war. Im Frühjahr werden Sojabohnen in die Maisstoppeln gesät. Direkt nach der Roggenernte sät Steinlage Buchweizen, der dann zusammen mit den Sojabohnen geerntet werden kann. „Controlled traffic“ ist für diese Form der Landwirtschaft eine unabdingbare Voraussetzung, aber davon abgesehen ist Steinlage in Bezug auf Landmaschinentechnik ebenfalls auf Improvisation und Erfindergeist angewiesen. Er hat eine Sämaschine so umgebaut, dass gleichzeitig eine kleine Düngermenge mit ausgebracht werden kann. Um in Streifen zwischen bereits etablierten Pflanzen einer anderen Sorte säen zu können, klebte er mühsam Abdeckungen in entsprechenden Abständen auf die Drillmaschine, nur um später herauszufinden, dass der Hersteller passende „Verschlusskappen“ im Angebot hatte. Aber das sei eine Ausnahme, sagt er, was Landtechnik für die Aussaat und Ernte von Mischkulturen angehe, lasse sich noch viel verbessern. Und für Pflanzenschutzspritzen gibt es bislang keine individuellen Verschlüsse: Um in einer individuellen Reihe ein Herbizid zur Abtötung der Zwischenfrucht auszubringen – dadurch steht anschließend der restlichen Saat mehr Licht zur Verfügung und Photosyntheseleistung und Wachstum verbessern sich – baute Steinlage eine seiner Spritzen in Eigenarbeit um. Mit diesen Methoden habe er den Proteinanteil seiner Sojabohnen deutlich gesteigert und bei der Roggen/Soja Mischkultur eine 25 Prozent höhere Rendite erwirtschaftet.

‚No-Till on the Plains‘ Konferenz – Hanfanbau mit Pioniergeist – Die Mechanisierung bietet noch viel Potenzial

Hanfanbauer müssen Pioniergeist haben. In immer mehr Staaten in den USA ist inzwischen der Anbau von Hanf als Baumaterial oder für die Gewinnung von CBD Öl (einer Substanz, der eine Vielzahl gesundheitsfördernder Eigenschaften zugeschrieben wird) erlaubt. Hanf für die Gewinnung von THC – dem Stoff, der beim Rauchen oder Essen für ein „High‘ sorgt – steht weiterhin unter (nicht unerheblichen) Strafen. Steve Groff baut Hanf im Bundesstaat Pennsylvania an und ist dabei zum Spezialisten für Saatgutauswahl, Anbau- und Erntetechnik sowie Weiterverarbeitung geworden. Bei Hanf gehe es zu wie im wilden Westen, erzählt er. Beim Saatgut gebe es keinerlei Qualitätskontrollen, wenn man Pech habe, sehe jede Pflanze anders aus. Außerdem könne man sich nicht darauf verlassen, dass das Saatgut sauber verlesen sei und tatsächlich nur Samen für weibliche Pflanzen enthalte. Mit seinen Mitarbeitern habe er unter 20.000 Hanfpflanzen vier männliche gefunden und entfernt bevor der Pollen reif war: Werden weibliche Hanfpflanzen bestäubt, fällt der CBD-Gehalt dramatisch ab und die gesamte Ernte kann zum Verlustgeschäft werden. Wie man Hanf erntet? Im ersten Jahr habe er das mit einer großen Gruppe von Freunden, Verwandten und freiwilligen Helfern von Hand getan und die Hanfpflanzen (wie früher Tabak) gebündelt und zum Trocken aufgehängt. Inzwischen hat er sich mit einem Farmer und Tüftler in Indiana zusammengetan und einen Mähdrescher für die Hanfernte so umgebaut, dass nicht nur die Pflanzen geschnitten werden, sondern auch die eigentliche Ernte erfolgen kann: Das saubere Entfernen und Separieren von Blüten und Knospen – sie enthalten das CBD-haltige Öl, das in einer Ölmühle gepresst werden muss. Einmal habe es wegen der vergleichsweisen Zähigkeit der Hanfhalme ein kleines Feuer gegeben, aber dann habe er die Einstellungen für den Einzug verändert und jetzt laufe alles bestens. Vielleicht könnte Groffs umgebauter Mähdrescher zum Prototyp für einen Hanfvollernter werden. Und wenn das keine Herausforderung ist – Hanftrocknung, -weiterverarbeitung und -ölextraktion stecken technisch ebenfalls noch in den Kinderschuhen.


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