Gülle und Gärrest sind jetzt gefragte Dünger

Die hohen Düngerpreise sorgen für eine starke Nachfrage nach Gülle und Mist. Biogasanlagen können die Wertschöpfung erhöhen, indem sie Mineraldünger wie ASL oder SSA erzeugen.

Pflanzenbau: Gülle und Gärrest sind jetzt gefragte Dünger

Beliebtes Verfahren bei Tierhaltern: die mobile Separation.

Pflanzenbau: Gülle und Gärrest sind jetzt gefragte Dünger

Eine Anlage zur Vakuumverdampfung der Flüssigphase nach der Separation. Auch hier fällt ASL an.

Die Ukraine-Krise hat nicht nur die Energiemärkte innerhalb kürzester Zeit komplett auf den Kopf gestellt, sondern auch die Landwirtschaft. Ein Beispiel ist die Düngerproduktion. „Die Mineraldüngerindustrie wird auf Jahre hinaus auf billiges Erdgas verzichten müssen, was die Versorgung mit Stickstoff akut gefährdet“, erwartet Prof. Walter Stinner vom Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ).

Die Lage spiegelt sich unter anderem im Preis für Mineraldünger wider. Nach Zahlen der Marktberichtstelle des bayerischen Bauernverbands ist beispielsweise Kalkammonsalpeter von 258 Euro/t (netto) im Januar 2021 auf über 900 Euro im Mai 2022 gestiegen, Diammonphosphat im gleichen Zeitraum von 370 Euro/t auf knapp 1.200 Euro. „Das erhöht die Nachfrage nach alternativen Düngemitteln und steigert den Wert von regional erzeugtem Dünger“, sagt Mathias Hartel vom Referat Abfall, Düngung und Hygiene beim Fachverband Biogas.

Aufbereiteter Gärrest als Dünger

Eine Lösung dafür können Biogasanlagen bieten. Jährlich fallen in Deutschland 150 bis 190 Mio. t tierische Exkremente wie Gülle, Jauche, Mist und Hühnertrockenkot an. Ein Drittel davon wird energetisch in Biogasanlagen verwertet, der Rest dient als organischer Dünger auf landwirtschaftlichen Flächen (Wirtschaftsdünger). Alleine durch das Lagern und spätere Verteilen von Gülle auf Feldern werden jährlich rund 250.000 t Methan freigesetzt.

Im Jahr 2021 hat der Landwirtschaftssektor laut Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) insgesamt 54,8 Mio. t CO₂-Äquivalente produziert, was etwa sieben Prozent der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen entspricht. Die größten Emissionsquellen sind die Lachgasemissionen als Folge des Stickstoffeinsatzes bei der Düngung, Methanemissionen aus der Verdauung von Wiederkäuern sowie Emissionen aus dem Güllemanagement.

Neben der Vermeidung von Methan-, Lachgas- und Ammoniakemissionen sorgt die Vergärung von Gülle und Mist auch dafür, Stickstoffverluste zu vermeiden. Das kommt dem Ackerbau zugute. „Die im Gärrest enthaltene Stickstoffform Ammonium garantiert, dass weniger Lachgas emittiert oder Nitrat ausgewaschen wird. Das ist nicht nur umweltrelevant, sondern hilft auch, Mineraldünger einzusparen“, erklärt Stinner.

Im Jahr fallen in deutschen Biogasanlagen laut Fachverband rund 82 Millionen Tonnen Gärrest an, der mancherorts wegen seines Wertes auch „Gärprodukt“ genannt wird.

Darin sind folgende Nährstoffmengen enthalten:

■ 205.000 t Stickstoff,

■ 164.000 t Phosphat (P2O5),

■ 328.000 t Kaliumoxid (K2O).

Diese Mengen könnten circa elf Prozent der im Inland abgesetzten N-Dünger ersetzen, fast 57 Prozent der P-Dünger und sogar 76 Prozent des als Dünger verkauften Kalis.

Für den Verkauf, aber auch für innerbetriebliche Verbesserungen ist eine Gärrestaufbereitung gefragt. „Damit kann der Betreiber Lagerungs-, Transport- und Ausbringkosten reduzieren“, sagt Hartel.

Gleichzeitig lässt sich die Düngewirkung erhöhen, zum Beispiel indem Nährstoffe gezielt zudosiert oder Verluste vermieden werden. „Wenn der Anlagenbetreiber darüber hinaus Einzelnährstoffe erzeugt, kann er sie auch außerhalb der Landwirtschaft an die Industrie vermarkten“, schlägt er vor.

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ASL-Lager bei einer Biogasanlage.

ASL als Produkt

Ein interessantes Produkt auf dem Markt ist Ammoniumsulfatlösung (ASL), die sich per Spritze als Flüssigdünger ausbringen lässt. „Die Stickstoffform ist auch sehr gut pflanzenverfügbar und sorgt für weniger Emissionen“, nennt Hartel einen weiteren Vorteil. Da es als Mineraldünger anerkannt ist, fällt es nicht unter die Grenze von 170 kg N/ha, die bei organischer Düngung gilt. Das bedeutet: Ein Biogasanlagenbetreiber oder Tierhalter könnte 170 kg N organisch düngen und bei Bedarf mit ASL ergänzen. Oder er düngt bedarfsgerecht nur mit ASL und ist dabei nicht auf die 170 kg N beschränkt.

Dazu kommt: ASL lässt sich an verschiedenen Stellen während der Gärrestaufbereitung erzeugen und am Ende zu einem Produkt mischen.

ASL kann an verschiedenen Stellen bei der Gärrestaufbereitung entstehen:

■ Bei der Abluftreinigung einer Trocknung oder Eindampfung,

■ bei der Verdunstung oder Vakuumverdampfung,

■ bei der Strippung (also dem Entfernen von Ammonium beziehungsweise Ammoniak aus einer Flüssigkeit).

Bei den Verfahren zur ASL-Produktion wird flüssiges Material nach der Separation weiter aufbereitet oder die abgesaugte Abluft gereinigt beziehungsweise gewaschen. In allen Fällen wird Schwefelsäure dazu gegeben. „Am Ende fällt ASL mit etwa acht Prozent Stickstoff und neun Prozent Schwefel an“, sagt Hartel.

Eine Mindestmenge von fünf Prozent N und sechs Prozent S sind laut Düngemittelverordnung vorgeschrieben, damit ASL als Düngemittel anerkannt wird. Daneben gibt es weitere Vorschriften und Vorgaben zur Arbeitssicherheit oder Lagerung.

Weiterverarbeitung zu Salz

Hat ein Betrieb keine Möglichkeit, ASL auszubringen oder zu lagern oder erfüllt es nicht die Anforderungen als Düngemittel, könnte es der Landwirt weiter zu trockenem, streufähigem schwefelsaurem Ammoniak (SSA) aufbereiten. Möglich ist das mit einer Saline. „Wir haben die Technik aus der Meerwasserentsalzung auf ASL angepasst“, sagt Nicolas Heyn vom Unternehmen TerraWater aus Kiel. Mit der „TerraSaline S“ wird – vereinfacht dargestellt – der ASL erst das Wasser entzogen, dann das feuchte Salz getrocknet. Es entsteht ein SSA-Pulver, das sich im zweiten Schritt granulieren oder pelletieren lässt.

Bei einem Wärmeinput von 100 kW (z.B. in Form von Abwärme aus dem BHKW der Biogasanlage) lassen sich am Tag etwa 1,3 t SSA erzeugen. „Der Vorteil ist neben dem geringeren Platzbedarf und der gegenüber der ASL einfacheren Lagerung, dass das SSA immer die gleiche Qualität hat – egal, welche Eigenschaften die ASL vorher hatte: Enthalten sind immer 21 % N und 24 % S“, sagt Heyn.

Gesamtkostenbetrachtung wichtig

Eine Gärrestaufbereitung kann aber auch für den eigenen Betrieb Vorteile bringen. „Der Landwirt sollte dabei die Gesamt-Kosteneffizienz im Blick haben“, sagt Carolin Brathe vom 3N Kompetenzzentrum Niedersachsen Netzwerk Nachwachsende Rohstoffe und Bioökonomie aus Werlte. Um hier Lösungen für Landwirte zu finden, arbeitet das Kompetenzzentrum mit dem Deutschen Biomasseforschungszentrum und der FH Münster im Projekt „Nährwert“ zusammen.

Eine Überlegung in dem Projekt ist es, Synergien zwischen aufbereitetem Wirtschaftsdünger und dem Energiepflanzenanbau zu finden. Der Ansatz: Gärrest separieren, die feste, transportwürdige Phase exportieren und die Flüssigphase vor Ort zur Düngung von Dauerkulturen nutzen.

Damit können die Anlagenbetreiber mehrere Synergieeffekte nutzen:

■ Mit der festen Phase wird relativ einfach eine große Menge an Nährstoffen exportiert.

■ Mehrjährige Kulturen wie Durchwachsene Silphie oder Wildpflanzen sorgen zudem für mehr Biodiversität.

■ Gleichzeitig kann der Landwirt mit ihnen die Humusbilanz verbessern.

„Die Humusbilanz ist wichtig, weil ja mit dem Export der festen Phase auch organisches Material mit viel Kohlenstoff und Phosphor für die Humusversorgung den Betrieb verlässt“, erklärt Brathe. Dieser Dünger mit 20 bis 40 % TS ist ideal für weiter entfernt liegende Flächen bzw. für den Transport in Marktfruchtregionen und für Pflanzen mit langsamem Wachstum.

Die separierte Flüssigphase dagegen würde als Dünger nicht für eine Humusreproduktion sorgen. Da sie aber viel N und K2O enthält, lassen sich damit Grünland und Biogas-Dauerkulturen ideal versorgen.

Geht der Betrieb einen Schritt weiter und konzentriert auch die Flüssigphase weiter auf (z.B. über die Strippung, die Vakuumverdampfung oder Verdunstung), ließe sich das Nährstoffkonzentrat als schnell wirksamer Stickstoffdünger bei Mais, Getreide oder Raps einsetzen, während das gewonnene Wasser auch wieder im Grünland oder in Biogas-Dauerkulturen verregnet werden könnte. „Das ist gerade in Dürrejahren wie 2022 interessant, um den Ertrag der Dauerkulturen zu sichern“, sagt sie.

Pflanzenbau: Gülle und Gärrest sind jetzt gefragte Dünger

Biogasanlagen sollen künftig mehr Gülle und Mist vergären.

Pflanzenbau: Gülle und Gärrest sind jetzt gefragte Dünger

Bis 2024 werden Biogasanlagen mit Gülle- und Gärrestlagern im Raum Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen beprobt.

Weiteres Projekt zur Gärrestbehandlung

Neben dem Projekt „Nährwert“ gibt es weitere Forschungsprojekte, die sich mit der Behandlung von Gärrest beschäftigen. Dazu zählt das vom Niedersächsischen Landwirtschaftsministerium unterstütze Projekt NaProBio, das im August 2022 gestartet ist. Hierfür soll der Landkreis Rotenburg (Wümme) zur Modellregion für eine klimagerechte Biogasproduktion werden. Die Projektteilnehmer des zweijährigen Projekts wollen regionale Energiekonzepte stärken und Biogasanlagen zukunftssicher machen. Ziel ist der Mehreinsatz von Wirtschaftsdünger. Projektträger sind der Landkreis und das 3N Kompetenzzentrum, die im Verbund mit regionalen Biogasanlagenbetreibern sowie Unternehmen und Kompetenzpartnern folgende Ziele definiert haben und umsetzen wollen:

■ Hindernisse des Wirtschaftsdüngereinsatzes verringern und über neuartige Prozesse und Techniken die Vorzüglichkeit dieses Biogassubstrates optimieren,

■ neue Wege der Wertschöpfung durch die Produktion von Treibstoff, „grünem“ CO₂ und Wasserstoff erschließen,

■ die Eignung der Festphase des Gärrestes als Torfersatzstoff untersuchen.

Insgesamt elf Biogasanlagen vorwiegend aus dem Landkreis Rotenburg sowie aus den Landkreisen Verden, Cloppenburg und Bad Bentheim beteiligen sich aktiv an der Umsetzung.

Weniger Emissionen

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) untersuchen in dem Projekt „Gäremissionen“ gemeinsam mit der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) in Göttingen, wie sich die Anlagen- und Prozessparameter auf den Biogasertrag von Wirtschaftsdünger und die Gasemissionen von vorgeschalteten Gülle- und nachgeschalteten Gärrestlagern auswirken.

Das erste Teilziel des Projekts ist die Ermittlung der Gasemissionen bei der Lagerung von Wirtschaftsdünger. Im nächsten Schritt werden die relevanten Prozessparameter auf den Biogas-ertrag bei der Fermentation und die Restgasemission der anschließenden Gärrestelagerung untersucht. Die unterschiedlichen Verfahren der Lagerung und Behandlung werden daraufhin in einer Ökobilanz bewertet.

Relevant für die Bewertung sind neben der Art des Düngers und der Anzahl der Tiere auch deren Fütterung, die technischen Daten der Lagerbehälter sowie Zulaufmenge und Durchmischung.

Bei den Gärrestlagern stehen vor allem die Eingangssubstrate, das Fermentersystem und die Beladung der Biogasanlage im Mittelpunkt. Gleichzeitig berücksichtigen die Forschenden die Verweilzeit im Lager und im Gesamtsystem, die Methanbildung beziehungsweise Anlagenleistung, die Austragsmenge und die Frequenz der Gärreste.

Dazu werden bis 2024 eine Vielzahl von Biogasanlagen mit Gülle- und Gärrestlagern im Raum Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen beprobt. Auf Grundlage von Laboranalysen können die entsprechenden Faktoren dann wissenschaftlich bewertet werden. „Unsere Arbeit kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, klimaschädliche Emissionen gezielt zu reduzieren und gleichzeitig Optimierungsansätze für den Gesamtprozess der Biogaserzeugung zu liefern. Am Ende des Projekts wollen wir sowohl Anlagenbetreibern als auch politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern eine Handlungsempfehlung bereitstellen, die technische, ökonomische sowie ökologische Randbedingungen berücksichtigt“, erklärt Lukas Rüller aus der Abteilung Verfahrenstechnik am Fraunhofer UMSICHT.


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