Ackerbau von morgen mit All-in-One

Neuartiges Bewirtschaftungskonzept gewinnt Goldmedaille im DLG Innovation Award 2022 – Elektrisch angetriebener Wechselgeräteträger erledigt mit eingehängten Modulen sämtliche Arbeitsschritte – Permanente Fahrgassen schützen Boden und gewährleisten höhere Ernteerträge

Nexat: Ackerbau von morgen mit All-in-One

Innerhalb von zehn Minuten können die eingehängten Arbeitsgeräte getauscht werden. In Zukunft soll der Modulwechsel sogar voll- automatisiert möglich sein.

Nexat: Ackerbau von morgen mit All-in-One

Nexat mit eingehängtem Einzelkornsägerät. Das Gewicht lastet auf vier elektrisch angetriebenen Raupenlaufwerken.

Eine Staubwolke erhebt sich über das weite Land. Durch ein Meer reifer Sonnenblumen schiebt sich wie auf Schienen ein Gefährt, das aussieht wie ein Containerkran, und hinterlässt eine 14 Meter breite Schneise. Abgesehen von seinem Pflückvorsatz vorn und einer Fahrerkabine an der Seite hat das eigentümliche Brückenfahrzeug keine Ähnlichkeit mit einem konventionellen Mähdrescher.

Neues Konzept

Die Konstrukteure sind sich aber sicher, dass die neuartige Maschine die Arbeit auf den großflächigen Feldern nicht nur präziser und effizienter erledigt, sondern auch boden- und klimaschonender als traditionelle Technik. – Und das nicht nur in Sachen Mähdrusch. Denn Nexat, so der Name der Maschine, ist multifunktionell in der Pflanzenproduktion einsetzbar.

Nexat kommt aus der niedersächsischen Innovationsschmiede Kalverkamp und ist ein so genanntes Wide-Span-Wechselträgerfahrzeug, also ein breiter Geräteträger, der auf dem Acker in Quer- und auf der Straße in Längsrichtung fährt. Es ist quasi eine All-in-One-Arbeitsmaschine, mit der sämtliche Arbeiten in Mähdruschkulturen ausgeführt werden können – angefangen bei der Bodenbearbeitung über die Drill- und Einzelkornsaat bis hin zu Pflanzenschutz und Ernte.

Es ist sicher ein visionäres Pflanzenbausystem. Doch, so betonen seine Entwickler, schon heute sei es weit mehr als nur eine Vision. Wie sie berichten, laufen schon seit über drei Jahren mehrere Prototypen in der großflächigen ukrainischen Landwirtschaft, wo sie ganzjährig von der Saatbettbereitung bis hin zur Ernte auf Herz und Nieren getestet werden. „Sie kommen bereits aus der fünften Maschinengeneration, der eine jahrelange Entwicklungsarbeit vorausgegangen ist“, erzählt Felix Kalverkamp von der Firma Nexat, die er gemeinsam mit seinem Vater Klemens führt. Die eigenständige Firma mit Sitz im Niedersachsenpark bei Rieste wurde vor knapp fünf Jahren von der Kalverkamp Innovation GmbH gegründet und widmet sich seither ausschließlich der Entwicklung, Herstellung und dem Vertrieb des Nexat-Systems. Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen 70 Menschen.

Nexat: Ackerbau von morgen mit All-in-One

Straßenfahrt in Längsrichtung. Dazu werden die vier Bandlaufwerke um jeweils 90 Grad geschwenkt.

Pflanzenbau neu denken

Schon als sie 2013 mit ersten Ideen starteten, wollten Vater und Sohn den Ackerbau der Zukunft nicht mehr in einzelnen Maschinen denken, sondern in ganzheitlichen Anbausystemen. Es folgte eine mehrjährige Entwicklungsarbeit, bei der ein leistungsfähiges Wide-Span-Wechselträgerfahrzeug herauskam, das alle erforderlichen Arbeitswerkzeuge für den Anbau von Mähdruschkulturen integriert. Die verschiedenen Module werden zwischen vier großen, elektrisch einzeln ansteuerbaren Bandlaufwerken getragen anstatt – wie konventionell üblich – gezogen.

Vorteil: Die integrierten Module kommen ohne eigene Fahrwerke aus. Dadurch wird jedes Gerät zu einem Selbstfahrer. „Das ermöglicht eine deutlich präzisere Führung der Arbeitsgeräte bei geringerem Schlupf, was natürlich den Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß reduziert“, erklärt Felix Kalverkamp. Im Weiteren berichtet er von der Felderprobung in der Ukraine, wo die Module in der Erntezeit zwei Mal am Tag getauscht werden: „Nachdem der Drescher bis zum Abend gearbeitet hat, muss anschließend in der Nacht die Stoppelbearbeitung erfolgen. Da kommt es auf einen schnellen und problemlosen Ab- und Anbau der Module an.“ Nach seinen Angaben kann eine Person den Modulwechsel in etwa zehn Minuten durchführen. In naher Zukunft soll er sogar vollautomatisiert möglich sein.

Die bisher verfügbaren „Einbaugeräte“ kommen von Väderstad, Dammann und Geringhoff. Die Hersteller gehören neben Forschungseinrichtungen wie der Hochschule Osnabrück und der Universität Bremen zu den Kooperationspartnern des Nexat-Projekts. Kalverkamp betont aber in dem Zusammenhang, dass Nexat systemoffen sei und in Zukunft noch weitere Bewirtschaftungsmethoden unterstützen soll – „von extensiv, wie zum Beispiel in Australien, bis intensiv, wie zum Beispiel in Ostdeutschland. Auch Zwischenfruchtanbau und die Direktsaat sind ein Riesenthema für uns.“

Nexat: Ackerbau von morgen mit All-in-One

Nexat im Pflanzenschutz. Die Dammann-Spritze hat eine Gestängebreite von 70 Metern.

Gold für Nexat

Der griffige Markenname Nexat leitet sich übrigens aus dem Slogan „Next Generation Agriculture Technology“ ab, der das disruptive Grundprinzip dieses neuen ganzheitlichen Pflanzenbausystems unterstreicht. Schließlich unterscheidet es sich nicht nur in seiner Konstruktion grundlegend von herkömmlichen Landmaschinen, sondern vereint auch in einem einzigen System sämtliche Arbeitsschritte, für die bislang unterschiedlichste Technik zum Einsatz kommt. – Innovative Eigenschaften also, die auch die DLG-Neuheitenkommission überzeugen konnten, und daher mit der einzigen Goldmedaille im „Innovation Award Agritechnica 2022“ belohnt wurden. Es ist übrigens nicht das erste Agritechnica-Edelmetall für die Entwickler-Familie Kalverkamp. Sie konnte bereits 2015 eine Goldmedaille für einen mobilen Strohpellet-Vollernter entgegennehmen, den Krone als Premos 5000 auf den Markt brachte.

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Auch die flache und effektive Bodenbearbeitung erfolgt im bodenschonenden Controlled Traffic Farming (CTF), also auf festen Fahrgassen.

Perfekte Strohverteilung

Nexat beeindruckt überdies mit völlig neuen Druschleistungsdimensionen: So bringt er es mit dem eigenentwickelten und selbstproduzierten NexCo-Mähdreschermodul laut Herstellerangaben auf Korndurchsätze von 130 bis 200 Tonnen pro Stunde. Der Kornbunker fasst zudem bis zu 36 Kubikmeter Erntegut. „Somit kann auf Überladefahrzeuge verzichtet und das Entladen bodenschonend am Vorgewende erfolgen.“ – Und das in kürzester Zeit. Denn laut Kalverkamp dauert das Abtanken dank einer Entladeleistung von 600 Litern pro Sekunde kaum mehr als eine Minute.

Wie der Maschinenbauer weiter ausführt, kommt im NexCo-Dreschmodul ein neuartiges Dual-Axial-Flow-Konzept zum Einsatz: Ein 5,8 Meter langer und quer zur Fahrtrichtung eingebauter Axialrotor teilt das tangential zugeführte Erntegut in zwei Gutströme. „So lässt sich die Durchsatzleistung gegenüber einem herkömmlichen Großmähdrescher um mehr als 50 Prozent steigern“, erklärt Kalverkamp. Vor allem aber ermögliche es in Kombination mit zwei Strohhäckslern eine perfekte gleichmäßige Stroh- und Spreuverteilung über die gesamte Druschbreite. „Somit können zusätzliche Bearbeitungsschritte entfallen, und es ermöglicht ein konsequentes ganzjähriges CTF.“

Nexat: Ackerbau von morgen mit All-in-One

Klemens und Felix Kalverkamp (r.) haben ehrgeizige Pläne für die Zukunft.

Nexat: Ackerbau von morgen mit All-in-One

Das NexCo-Mähdreschermodul soll Korndurchsätze von bis zu 200 Tonnen in der Stunde ermöglichen.

Elektrischer Fahrantrieb

Technische Basis des Grundfahrzeugs ist ein elektrischer Antrieb, über den die Kraftübertragung sehr leicht elektronisch gesteuert werden und energieeffizient erfolgen kann.

Bisher hat Nexat jedoch einen dieselektrischen Fahrantrieb; seine Stromgeneratoren werden von zwei unabhängig voneinander ansteuerbaren Liebherr-Dieselmotoren mit je 550 PS angetrieben. Doch aus Gründen des Klimaschutzes sollen die Fahrzeuge in Zukunft möglichst mit Strom betrieben werden. Dazu Felix Kalverkamp: „Da der gesamte Antriebsstrang elektrisch ist, können wir die Energiequelle relativ leicht ersetzen. – Es ist also egal, ob der Strom aus einer Batterie oder Brennstoffzelle kommt.“

Je nach Ausführung des Trägerfahrzeugs sind Arbeitsbreiten zwischen sechs und 24 Metern möglich. Wie Kalverkamp berichtet, ist der Nexat nicht schwerer als ein leistungsstarker Raupenschlepper oder Knicklenker. Dank seines stabilen Fahrwerks mit breiter Aufstandsfläche ermöglicht er eine exakte Höhenführung der integrierten Geräte. Zudem bietet das höhenverstellbare Fahrzeug bis zu zwei Meter Bodenfreiheit, so dass auch in hohen Beständen Untersaaten und Pflanzenschutz präzise möglich sind. Apropos Pflanzen- schutz: Gigantisch ist auch die 70 Meter Arbeitsbreite des Dammann-Spritzenmoduls, das mit einem 24-Kubimeter Tank ausgestattet ist. Nexat ist als autonome Arbeitsmaschine konzipiert und mit entsprechender Umfeld-Sensorik ausgestattet. In der um 270 Grad drehbaren Kabine kann der Fahrer die Arbeitsprozesse überwachen und optimieren. Sie ermöglicht aber auch die manuelle Fahrzeugführung beim Transport. Auf der Straße wird die bis zu 40 km/h schnelle Maschine in Längsrichtung gefahren, dazu werden vier großen Bandlaufwerke um jeweils 90 Grad geschwenkt, und das Trägerfahrzeug hat nur noch 3,50 Meter Außenbreite.

Die immer gleichbleibende Arbeitsbreite und die gleichmäßige Strohverteilung beim Drusch sind wichtige Voraussetzungen, um die Flächen im Controlled Traffic Farming (CTF) zu bewirtschaften. Somit liegen die Fahrgassen in jedem Jahr unabhängig von der Kultur an exakt gleicher Stelle, was durch hochpräzise satellitenbasierte Spurführung ermöglicht wird. „Es wird per Autopilot über den Acker gefahren und man muss das Lenkrad nicht mehr anrühren“, berichtet Kalverkamp.

Feste Spuren schonen Boden

„Systembedingt werden 95 Prozent der gesamten Ackerfläche nie wieder überfahren und bleiben somit frei von schadhaften Bodenverdichtungen.“ Positive Folge ist ein minimaler Spuranteil, der nicht nur den kostbaren Boden und die Umwelt schont, sondern auch das Ertragspotenzial maximal entfalten soll. Als weiteren Vorteil des kontrollierten Befahrens nennt er den stetigen Humusaufbau mit einhergehender CO2-Bindung im Boden. Laut Kalverkamp hat das Thema Nachhaltigkeit bereits von Anfang an eine zentrale Rolle in der Nexat-Entwicklung gespielt. – „Sowohl in ökologischer als auch in ökonomischer Hinsicht. Allein das modulare Konzept und die damit einhergehende Minimierung des Maschinenbestands reduziert die Anschaffungskosten und die Energiekosten um 20 bis 40 Prozent gegenüber konventioneller Technikausstattung.“ Einen Verkaufspreis für das innovative System mag Kalverkamp aber noch nicht nennen, vielmehr weist er auf weitere Kostenvorteile in Form von bis zu 20-prozentigen Steigerungen beim Ernteertrag hin. Zudem betont er die enorme Schlagkraft des Trägerfahrzeugs aufgrund seines großen Bauraums. „Das bedeutet zusätzlich deutliche Einsparungen hinsichtlich Zeit und Arbeitskraft.“

Vorserie in Planung

Felix und Klemens Kalverkamp haben ehrgeizige Pläne für die Zukunft. Schon in diesem Jahr soll eine Vorserie mit ersten Modellen in kleinen Stückzahlen in verschiedenen Ländern mit großflächiger Landwirtschaft zum Einsatz kommen. Neben der Fertigung in Deutschland sollen die Maschinen langfristig in den jeweiligen Zielmärkten produziert werden.

Zurzeit liegt der Fokus der Entwicklungsarbeit auf den Mähdruschkulturen, doch zukünftig wollen sich die Ingenieure aber auch weiteren Themen wie der Grünlandbewirtschaftung und dem Hackfruchtanbau widmen. „Das ist aber noch Zukunftsmusik“, sagt Felix Kalverkamp. Grundsätzlich kann er sich auch Gülletechnik für den Nexat vorstellen. „Da aber die Zielmärkte zunächst in Ackerbauregionen verortet sind, wo die Ausbringung von organischen Düngern eher eine untergeordnete Rolle spielt, ist sie bisher noch nicht im Fokus.“

Großes Potenzial

Auch gut aufgestellt sieht man sich bei Nexat im Wettbewerb mit bewährter und jahrelang erprobter Technik. Denn zunehmend würden von Seiten der Politik und auch der Kundschaft höhere Präzision sowie mehr Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit gefordert. „Hier hat Nexat schon allein aufgrund des Konzepts der minimal überfahrenen Flächen großes Potenzial“, ist Felix Kalverkamp überzeugt und führt Argumente wie Energieeinsparung und regenerative Landwirtschaft an. „Intensives Bearbeiten kostet Diesel und setzt zudem CO2 frei.“


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