Neue Energiegesetze verunsichern Biogasbranche

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist seit Anfang des Jahres in Kraft. Zudem wird die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU gerade in Deutschland umgesetzt. Beides hat große Auswirkungen auf die Entwicklung der Biogasbranche. Die Zukunft bleibt weiter sehr unsicher.

NaWaRo: Neue Energiegesetze verunsichern Biogasbranche

Flexible Biogasanlage mit großen Gasspeichern: Die Umrüstung könnte jetzt ins Stocken geraten.

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Die ersten Altanlagen hatten Ende 2020 bereits 20 Jahre Förderung hinter sich und müssen sich um weitere Erlöse bemühen.

Es war vorübergehend eine ungewohnte Situation für die Biogasbranche: Zum ersten Mal seit acht Jahren hatten sich neue Perspektiven aufgezeigt. Es war im letzten Herbst, als die ersten Vorschläge zur Novellierung des mittlerweile 20 Jahre alten Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) der Branche neuen Mut machten. Höhere Ausbauziele und weitere Verbesserungen versprachen eine gute Grundlage für neue Anlagen sowie den Fortbestand des heutigen Kraftwerkparks.

Doch dann die Ernüchterung: Quasi über Nacht brachten Bioenergieskeptiker vor allem aus dem Bundeswirtschaftsministerium zahlreiche neue Hürden ins Gesetz ein. Das vollkommen unleserliche und wegen etlicher Querverweise für Laien nicht zu durchschauende Papier besitzt viele Tücken.

Rückgang des Anlagenparks

Aus Sicht des Landmaschinenhandels die wichtigste Botschaft vorweg: Wenn das Gesetz so bleibt, wird es nach und nach einen allmählichen Rückbau von Biogasanlagen geben.

Schon für das Jahr 2020 erwartet der Fachverband Biogas erstmals einen Rückgang der installierten Biogasleistung: Rund 250 Betreiber werden aufhören. Gleichzeitig stagniert der Bau neuer Biogasanlagen auf niedrigem Niveau.

Warum kommt es dazu? Grund ist, dass zum Ende des Jahres 2020 die ersten Anlagen auch das Ende ihres 20-jährigen Vergütungszeitraums erreicht haben. Die Betreiber können nach dieser „1. Vergütungsperiode“ an einem Ausschreibungsverfahren teilnehmen und sich um eine zehnjährige Anschlussvergütung bewerben, was dann die zweite Vergütungsperiode wäre.

Doch dieser Schritt ist nicht ohne Weiteres möglich. Die Anlagen müssen dafür bestimmte Auflagen erfüllen:

■ Sie müssen fähig sein, bedarfsgerecht Strom zu produzieren. Diese „flexiblen“ Biogasanlagen besitzen größere Gasspeicher, zwei bis drei Blockheizkraftwerke und zusätzliche Einrichtungen. Bei einer typischen Anlage von rund 500 kW können schnell Investitionen in gleicher Höhe wie die ursprüngliche Anlage entstehen: 1 Mio. Euro und mehr.

■ Die Anlagen müssen einen Maisdeckel einhalten: Dieser lag bislang bei 42 Prozent, ab 2021 beträgt er 40 Prozent. Das bedeutet: Maissilage, Lieschkolbenschrot, Körnermais oder Getreide dürfen im Rohstoffmix nicht mehr als 40 Prozent der Masse ausmachen.

Dazu kommt: Bei den Ausschreibungen hat der Gesetzgeber einen Höchstwert für die Gebote festgelegt. Dieser lag bislang bei etwa 16 ct/kWh für bestehende Anlagen, bei 14 ct/kWh für Neuanlagen. Denn neben bestehenden Anlagen müssen auch Betreiber von geplanten Anlagen an der Ausschreibung teilnehmen.

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Mais wird als Rohstoff künftig weiter an Bedeutung verlieren.

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Die Güllevergärung sollte mit der EEG-Novelle weiter angereizt werden. Doch der Gesetzgeber hat hier kaum etwas geändert.

Wettbewerb um Zuschläge

Erhält ein Betreiber einen Zuschlag, bekommt er das, was er geboten hat, als Einspeisevergütung für zehn Jahre (Neuanlagen für zwanzig Jahre). Das heißt aber nicht, dass Anlagenbetreiber die Wunschvergütung automatisch sicher haben, da bei dem Ausschreibungsverfahren die günstigsten Gebote zuerst berücksichtigt werden. Dabei wird die gebotene Leistung aller Bewerber solange zusammengezählt, bis die jeweils ausgeschriebene Menge erreicht ist. Wenn zu viele Bieter mitmachen, fallen diejenigen mit den höchsten Geboten heraus. Je mehr Anlagen das Ende der ersten Vergütungsperiode erreichen, desto größer wird der Wettbewerb. Das wird unweigerlich zu sinkenden Einspeisevergütungen führen.

Der Höchstgebotswert von 16 ct hatte sich als zu niedrig erwiesen. Aus dem Grund hatten sich bei den bisherigen Ausschreibungsrunden seit 2017 nur wenig Betreiber beworben – erst recht bei Neuanlagen. Neuanlagen erhalten eine geringere Vergütung, weil die Modernisierung einer alten Anlage nach Ansicht des Gesetzgebers teurer ist als das Erstellen einer Neuanlage. Experten haben aber Zweifel an dieser Theorie, was sich auch in der Praxis gezeigt hat: Bei den Ausschreibungen haben sich kaum Betreiber von Neuanlagen beworben.

Denn, anders als bei der Wind- oder Solarenergie, bei denen die Investitionskosten regelmäßig sinken, können Biogasanlagen nicht so sehr vom technischen Fortschritt profitieren. Ständig wachsende Auflagen in Sicherheitstechnik, aber auch steigende Rohstoffkosten haben die Produktionskosten sogar steigen lassen. Der Fachverband Biogas hatte darum jahrelang mindestens 19 ct/kWh gefordert.

Vermeintliche Verbesserungen

Jetzt wollte der Gesetzgeber nachlegen und hat den Höchstgebotswert auf 18,4 ct/kWh für bestehende Anlagen und auf 16,4 ct/kWh für Neuanlagen angehoben. Aber nicht nur das: Ebenfalls kräftig angehoben wurde der Flexzuschlag von 40 auf 65 €/kW pro Jahr. Diesen erhalten Neuanlagen, aber auch Anlagen in der zweiten Vergütungsperiode als Ausgleich für die Mehrkosten, die sie für die Flexibilisierung ihrer Anlagen haben. Denn mit der bedarfsgerechten Stromerzeugung leisten sie einen von der Politik gewünschten Ausgleich für die schwankende Produktion der Wind- und Photovoltaikanlagen.

Der Flexzuschlag macht umgerechnet je nach Höhe der Zusatzleistung, die die Betreiber installiert haben, 1 bis 4 ct/kWh aus – also kein unerheblicher Bestandteil der Gesamtvergütung. Den Anstieg wertete die Branche zusammen mit weiteren geplanten Verbesserungen im November 2020 noch als „starkes Signal von der Politik“.

Doch dann die Enttäuschung: Quasi über Nacht gab es eine Änderung im Gesetzestext, den die Abgeordneten am Ende beschlossen haben. Den Flexzuschlag gibt es jetzt – stark vereinfacht dargestellt – nur dann, wenn die Betreiber erst nach 2021 investiert haben. Wer dagegen vor 2021 mit Blick auf den Flexzuschlag gebaut hat, geht jetzt leer aus.

Welche Auswirkungen das hat, lässt sich am besten mit einem Beispiel darstellen:

Angenommen, eine Anlage mit 500 kW hat 2.000 kW zusätzlich installiert, um mit der höheren Leistung nur an den Stunden Strom zu produzieren, an denen er stark nachgefragt ist. Sie hat also 2.500 kW installierte Leistung. Nach altem Recht hätte sie 2.500 kW * 65 €/kW Flexzuschlag jährlich für zehn Jahre erhalten = das wären also im Jahr 162.000 €. Diese Einnahmequelle fällt jetzt weg für viele Anlagen, die schon vor 2021 investiert haben. Darum kämpft der Fachverband Biogas jetzt um eine politische Lösung. Ebenso gibt es eine Interessengemeinschaft von Betreibern, die eine Musterklage vor dem Verfassungsgericht anstreben.

Weitere Risiken für den Weiterbetrieb

Und es gibt noch weitere Bremsklötze für die Branche: Wenn künftig in einem Ausschreibungsverfahren weniger Gebote eingehen als an Leistung ausgeschrieben wurde, werden die 20 Prozent der teuersten Gebote nachträglich ausgeschlossen. Das erhöht das Risiko, bei der Vergabe leer auszugehen, erheblich. Und dazu gibt es ab dem Jahr 2022 noch eine Südquote: Bei jeder Ausschreibungsrunde muss dann die Hälfte der Gebote an Betreiber in einer festgelegten Region vor allem in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gehen. Gibt es zu viele Gebote aus Norddeutschland, gehen sie leer aus. Da im Norden aber 60 Prozent der deutschen Biogasanlagenleistung stehen und sich entsprechend mehr Betreiber um eine Anschlussvergütung bewerben dürften, wird diese Regelung allmählich zum Rückbau der Anlagen im Norden führen.

Enttäuschend ist aus Sicht der Branche auch die vielgepriesene Güllevergärung: Hier gab es kaum Verbesserungen, um neue Anlagen anzureizen. Zwar kann die Bundesregierung dazu eine Verordnung erlassen, um zum Beispiel die Umrüstung bestehender Anlagen in Güllekleinanlagen zu ermöglichen. Aber da der Gesetzgeber bislang von Verordnungsermächtigungen kaum Gebrauch gemacht hat, sind die Hoffnungen hier ebenfalls gering.

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Bio-LNG im Schwerlastverkehr könnte sich als interessanter Absatzweg erweisen.

Alternative Biokraftstoffmarkt

Neben dem Strommarkt gibt es Alternativen: Der Absatz von Biogas im Wärme- und Kraftstoffmarkt könnte zumindest für einen Teil der Anlagen eine Alternative zur Stromerzeugung bedeuten:

■ Im Wärmemarkt ist Treiber das neue Gebäudeenergiegesetz. Danach müssen Besitzer von neuen Häusern einen gewissen Anteil erneuerbarer Energien zum Heizen nutzen. In dem Gesetz wurde Biogas als Brennstoff bessergestellt. Der Fachverband Biogas sieht hierin aber nur geringe Chancen: Zum einen gilt das Gesetz nur für Neubauten, die im Häusermarkt einen viel geringeren Anteil als die bestehenden Häuser ausmachen. Und zum anderen gibt es neben Biogas viele andere Erfüllungsoptionen für die Hausbesitzer.

■ Im Kraftstoffmarkt befassen sich inzwischen mehrere hundert Anlagen mit der Option, das Gas künftig an Tankstellen anzubieten. Auch das könnte eine Alternative zur Stromerzeugung werden. Besonders attraktiv ist Biogas aus Gülle oder Mist, weil es eine Treibhausgasminderung verspricht und den Biokraftstoff damit aus Sicht der Mineralölkonzerne attraktiv macht.

Aber auch im Kraftstoffmarkt gibt es Wermutstropfen: Denn zur Förderung der Verkehrswende sind Änderungen in mehreren Bundes-Immissionsschutzverordnungen geplant. Diese sind nötig, um die europäische Erneuerbare-Energien-Richtlinie bis Mitte 2021 in deutsches Recht umzusetzen. Die Verordnungen regeln, welchen Beitrag Biokraftstoffe zur Treibhausgasminderung im Verkehr haben sollen. Federführend bei diesen Verordnungen ist jedoch das Bundesumweltministerium (BMU), das klassische Biokraftstoffe ablehnt und dagegen einen starken Fokus auf Elektromobilität legt. Während Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse wie Rapsöl aus dem Markt gedrängt werden sollen, plant das BMU, die Elektromobilität zum Beispiel über Mehrfachanrechnungen auf dem Papier besserzustellen. Biogas aus Rest- und Abfallstoffen gilt zwar als fortschrittlicher Biokraftstoff. Allerdings sind die geplanten Mengenziele so gering, dass sie nur wenigen Anlagen eine Perspektive bieten würden.

Was die Branche positiv stimmt: Der Deutsche Bundestag hat am 21. Mai 2021 den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungsquote beschlossen. Das Gesetz sieht einen kontinuierlichen Anstieg der THG-Quote von derzeit sechs auf 25 Prozent im Jahr 2030 vor. Neben der Elektromobilität wird nun auch das Potenzial der nachhaltigen Biokraftstoffe, wie Biomethan aus Reststoffen und Stroh, zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors anerkannt.

Bio-LNG als kleine Hoffnung

Eine weitere Hoffnung verspricht der Absatz von Flüssiggas (Bio-LNG): Im Jahr 2020 hat sich – unabhängig von politischen Vorgaben – mit Bio-LNG ein neuer Markt geöffnet. Viele Speditionen haben Lkw umgerüstet auf das Flüssiggas LNG (Liquefied Natural Gas). Dieses wird aus Erdgas durch Abkühlung auf -162 °C hergestellt. Speditionen haben aktuell einen großen Anreiz, LNG zu tanken: Es gibt Kaufprämien für Lkw mit Gasantrieb, Steuer-erleichterungen und Mautbefreiungen sowie die Chance, damit auch in Innenstädten fahren zu können. Denn der Gasantrieb reduziert Emissionen erheblich.

LNG lässt sich auch aus Biogas herstellen. Dieses so genannte „Bio-LNG“ gilt vielen Unternehmen mittelfristig als einzige wirtschaftliche Option, um im Schwerlastverkehr die Abkehr vom fossilen Diesel zu schaffen. Die anderen derzeit stark favorisierten Alternativen (Oberleitungs-Lkw und Wasserstoffantrieb) gelten technisch und wirtschaftlich noch einige Jahrzehnte von Bio-LNG entfernt. Der Mineralölkonzern Shell hat beispielsweise verkündet, künftig einen Schwerpunkt auf Bio-LNG zu setzen. Mehrere Anbieter von Verflüssigungsanlagen suchen Biogasanlagenbetreiber als Kooperationspartner. Es wird sich zeigen, wie sich der Markt entwickelt und ob Bio-LNG auf Dauer wirklich auch aus deutschem Biogas hergestellt wird oder ob sich (wie bei der Biodieselproduktion) Importe aus dem Ausland etablieren.

Fazit: Gedämpfte Hoffnungen

Als Fazit lässt sich folgendes festhalten:

■ Die aktuellen Rahmenbedingungen werden in Deutschland für einen allmählichen Rückgang der Zahl der Biogasanlagen führen. Es werden zwar hier und da noch neue Anlagen gebaut, aber sie werden die Zahl der Stilllegungen nicht wettmachen. Ob ein eventueller Regierungswechsel im Herbst die Lage verbessern wird, ist nicht abzusehen.

■ Bei der Rohstoffbasis wird der Einsatz klassischer Energiepflanzen wie Mais weiter zurückgehen. Zunehmen werden Alternativen wie Blühpflanzen, aber vor allem Gülle und Mist.

■ Zur Verbesserung der Logistik beim Transport, beim Einsatz in Biogasanlagen und bei der Ausbringung werden Gülle- und Gärrestaufbereitungsverfahren weiter an Bedeutung gewinnen.

■ Der Biokraftstoffmarkt könnte gegenüber der Stromerzeugung an Bedeutung gewinnen. Das betrifft vor allem den Schwerlastverkehr, da hier ganz andere Mengen gefragt sind als im Pkw-Markt. In diesem Zusammenhang könnte auch der Gasantrieb in der Landmaschinenindustrie neuen Auftrieb bekommen.

Entscheidungen im Jahr 2021

Das Jahr 2021 wird aus zwei Gründen für die Biogasbranche entscheidend werden:

1. Wie wird die Biokraftstoffpolitik der Bundesregierung aussehen? Bei guten Rahmenbedingungen könnte der Markt starken Auftrieb bekommen.

2. Wie wird die Bundestagswahl ausgehen? Die gegenwärtige Regierung misst der Energiewende wenig Bedeutung bei: Der Ausbau stockt nicht nur beim Biogas seit Jahren, sondern auch bei der Windenergie. Biogasanlagen werden als Ausgleichstechnik für Wind- und Solarstrom dringend benötigt – vor allem beim weiteren Ausstieg der konventionellen Kohle- und Atomkraftwerke. Wenn eine neue Bundesregierung hier den Hebel umlegt, könnte auch die Biogasbranche im Strommarkt wieder Auftrieb bekommen.


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