Was die Agritechnica für die Landtechnikbranche ist, bedeutet die im Zweijahresrhythmus stattfindende „Biogas Convention & Trade Fair“ in Nürnberg für die Biogasbranche. Mit 250 Ausstellern war die Biogas Convention 2023 die größte Biogasmesse überhaupt: Noch nie gab es so viele Aussteller. Mit rund 500 Teilnehmern war die Besucherzahl dagegen sehr niedrig. In Spitzenzeiten kamen früher über 1.000 Besucher zu Messe und Kongress.
Das spiegelt auch die starke Verunsicherung der Branche wider: Viele Hersteller, Berater oder Betreiber bemängeln die fehlenden, verlässlichen Rahmenbedingungen und den politischen Rückhalt. Denn in vielen Strategien, Gesetzen und Verordnungen lässt die Bundesregierung die Bioenergie bewusst links liegen – so zum Beispiel in der Nationalen Biomassestrategie oder der Anfang Februar vorgestellten Kraftwerksstrategie.
Abkehr von der Stromerzeugung
Die Stromerzeugung mit dem Blockheizkraftwerk (BHKW) – bis heute die vorrangig installierte Technik auf den meisten der rund 9.000 Biogasanlagen in Deutschland – ist inzwischen extrem komplex geworden. Zudem hat die jüngste Ausschreibung der Bundesnetzagentur dazu geführt, dass rund 600 Anlagenbetreiber nach 20 Jahren Laufzeit des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) keinen Zuschlag für eine Verlängerung bekommen haben. Denn die ausgeschriebene Menge war dreifach überzeichnet. Eine Anschlussvergütung bekommen nur die Betreiber, die einen Zuschlag erhalten haben.
Da in den nächsten Jahren noch sehr viel mehr Anlagen 20 Jahre alt werden und ihre EEG-Vergütung verlieren, wird das Problem steigen, wenn die Politik nicht reagiert.
Zusammen mit immer wieder neuen Auflagen führt das alles dazu, dass sich viele frustriert abwenden und die Produktion auf Gaseinspeisung (Biomethan) umrüsten oder die Anlage stilllegen.
Es gibt vermehrt Firmen, die Anlagen von den aufgebenden Betreibern aufkaufen und selbst betreiben. Dazu gehören auch Anlagenhersteller, die selbst eine Reihe von Anlagen in Eigenregie führen. Wenn das Schule macht, fällt die Entscheidung zur Stilllegung leichter.
Technische Neuheiten
- Auf der Messe haben lediglich einige Hersteller von Pumpen oder Rührwerken Neuheiten vorgestellt. Die großen Hersteller von Komplettanlagen wie Envitec, PlanET, Ökobit haben nur noch kleine Stände ohne Exponate. Einen der größten Stände hatte dagegen Ruhe Agrar als Hersteller von Verflüssigungsanlagen für Biomethan und CO2.
- Das Bild macht deutlich: Es gibt nicht mehr die eine Standardanlage, sondern künftig sind komplexe Projekte gefragt, wobei die Nach-/Umrüstung mehr im Vordergrund steht als der Neubau von Anlagen.
- Das führt dazu, dass es neue Berater und Dienstleister gibt und dass Anlagenhersteller mehr in die Projektkonzeptionierung wechseln.

© Neumann
Biogasanlagen suchen derzeit nach Perspektiven für den Weiterbetrieb nach Ablauf der 20-jährigen EEG-Förderung.
Ausrichtung der Anlagen
Bei der künftigen Ausrichtung der Anlagen beherrschen inzwischen drei Themen die Branche:
- Die bedarfsgerechte Stromerzeugung mit flexiblen Anlagen: Hier bieten die Hersteller BHKW, Speicherdächer, Steuerungen und große Wärmepufferspeicher an. Zudem haben auf der Messe zahlreiche Stromhändler ihre Konzepte vorgestellt wie einen Fahrplanbetrieb. Mit diesem Fahrplan werden die BHKW der angeschlossenen Anlagen automatisch angesteuert, wenn beispielsweise der Strompreis hoch ist.
- Die Umrüstung auf Biomethan, vor allem zur Herstellung von Kraftstoff: Hier sind Gasaufbereitungsanlagen nötig, um das CO2 aus dem Rohbiogas zu entfernen und damit das erdgasgleiche Biomethan herzustellen. Entsprechend viele Hersteller von Aufbereitungsanlagen waren in Nürnberg vertreten wie HZI Hitachi Zosen, Malmberg, Evonik oder Envitec. Genauso gefragt sind Verflüssigungsanlagen (Ruhe Agrar) oder Hoftankstellen für Biomethan (z.B. von BioG, Noordtec, Envitec). Auch New Holland war mit dem 270 PS-Biomethanschlepper vertreten und hatte nach Aussage des Herstellers großen Zulauf an Interessenten.
- Im Zusammenhang mit dem Maisdeckel für EEG-Anlagen, der den Maiseinsatz begrenzt, und den Mehrerlösen, wenn Kraftstoff aus Reststoffen hergestellt wird, sind Substratalternativen wie Mist, Maisstroh, Getreidestroh, Zwischenfrüchte, Wildpflanzen stark gefragt. Dafür muss die vorhandene Anlage umgerüstet werden mit Zerkleinerungsmaschinen, neuer Einbringtechnik, neuen Pumpen, Separatoren und Rührwerken. Vor diesem Hintergrund gibt es viele neue Komponenten und Weiterentwicklungen von den etablierten Herstellern wie Vogelsang, Börger und den Rührwerksherstellern, aber auch von Herstellern von Enzymen (Biogas Additive, SAM Biopower, Schaumann usw.), die die faserreichen Substrate im Fermenter biochemisch aufschließen und so Rühr- und Pumpfähigkeit verbessern.
Anders, also noch letztes Jahr, spielte die Gärrestaufbereitung zu Dünger bei den Ausstellern in Nürnberg keine große Rolle mehr. Trotzdem gab es auch hier Konzepte zu sehen, um den Gärrest zu Dünger aufzubereiten mit Separatoren, Trocknern und Kombinationen von Maschinen wie von Regenis oder Biogastechnik Süd.
Neben diesen technischen Lösungen sind immer häufiger individuelle Lösungen für Projekte vor Ort gefragt, die auf die jeweilige Region angepasst sind:
- In Regionen mit viel Windenergie spielt die Kombination von Biogas und Wasserstoff eine Rolle. Hier rücken Elektrolysehersteller in den Blick.
- In Süddeutschland mit viel Solarenergie werden Batteriespeicher wichtiger, weil viele Anlagen abgeschaltet werden und künftig für immer längere Zeiträume keine EEG-Vergütung mehr erhalten.
- In Regionen mit Tierhaltung wird die Biomethanerzeugung aus Gülle und Mist wichtiger.
- Biogasanlagen könnten aufgrund der angespannten Haushaltslage künftig die Rolle der Erdgaskraftwerke übernehmen, die die Bundesregierung eigentlich fördern wollte. Wenn das so käme, gäbe es wohl auch nennenswerten Neubau von Anlagen.
- Daneben wird die Pyrolyse von Biomasse, also die Erzeugung von Pflanzenkohle, wichtiger, auch in Kombination mit Biogas. In Nürnberg gab es einen Hersteller, der Pflanzenkohle für den Einsatz im Fermenter angeboten hat sowie wie einen, der Gärreste zu Pflanzenkohle verarbeitet. Pflanzenkohle ist ein wichtiges Instrument, um CO2 aus der Atmosphäre festzulegen und so zum Klimaschutz beizutragen. Die Zahl der Hersteller von Pyrolyseanlagen wird mehr.
Die Wärmeversorgung wird wichtiger. Dabei können Biogasanlagen mehrfach profitieren:
- Biomethan könnte künftig als Erdgasersatz in herkömmlichen Gasheizungen eingesetzt werden. Ökogasanbieter Green Planet (ehemals Greenpeace) bringen sich hier in Stellung und werden künftig Partner von Biogasanlagenbetreibern. Deren klare Aussage: aber nur Gas aus Reststoffen oder Mist, keine Anbaubiomasse (aus Marketinggründen, „Teller-Tank“-Diskussion).
- Regionale Speicherkraftwerke, bei denen die Biogasproduktion im Vordergrund steht, nutzen die Abwärme von BHKW, wandeln aber auch Windstrom in Wärme um (Power-to-Heat) oder nutzen Abwärme von Elektrolyseuren (die Wasserstoff herstellen). Von den Speicherkraftwerken aus werden Nahwärmenetze versorgt. Diese multifunktionalen Speicherkraftwerke werden mehr und für viele Regionen interessant. Sie lassen sich auch mit Holzheizwerken oder Solarthermiefreiflächenanlagen kombinieren.

© Neumann
Ein mobiler Separator: Lösungen für die Aufbereitung von Gülle vor der Vergärung oder für die Produktion von Dünger auf Basis von Gärrest bleiben weiterhin gefragt.
Fazit
Die Spezialisierung der Anlagenbetreiber wird immer stärker. Es gibt viele engagierte, motivierte Betreiber, die mutig investieren und Lösungen suchen, aber auch eine zunehmende Zahl von Betreibern, die frustriert und mit der Vielzahl an Möglichkeiten überfordert sind. Sie brauchen Berater und gute Konzepte als Lösung, die sie selbst nicht erarbeiten können. Oder werden die Anlagen verkaufen, wodurch wieder Verbünde von Anlagen entstehen können, wie es sie vor 15 Jahren mit den Fonds schon einmal gab. Die Kooperation mit Kommunen und Stadtwerken wird genauso wichtig, um die unterschiedlichen Techniken künftig besser miteinander zu verzahnen und kombinieren zu können.