Für mehr Durchblick im Kettendschungel

Das Sortiment an Ketten wächst ständig, die Motorsägen-Hersteller stellen gefühlt mit jeder neuen Säge auch direkt eine neue Kette vor. Der Kunde verliert da schnell die Übersicht. Wir erklären mit zwei Spezialisten, warum das notwenig ist, und wo die Unterschiede der diversen Typen liegen.

Motorsägen: Für mehr Durchblick im Kettendschungel

Auf sehr großen Sägen wie der neuen Stihl 881 – laut Hersteller die stärkste Seriensäge der Welt – werden bis zu 105 Zentimeter lange Schwerter sowie die großen Ketten der .404-Teilung eingesetzt.

Was ist der Unterschied zwischen einer „.325 Micro 3“ und einer „3/8 Picco Super“? Und für welchen Zweck benötige ich welche Kette? Solche Fragen hören Motoristen häufig von Kunden, auf nicht alles hat man aber sofort eine Antwort, da die Auswahl an Ketten ständig steigt, neue Typen vorgestellt werden und andere verschwinden. Daher haben wir uns mit Angelika Schraml, Fachverkäuferin bei Endress Motorgeräte, sowie Andreas Ströhlein, Stihl-Gebietsverkaufsleiter der Region Süd, zusammengesetzt, um zu klären, welche Kriterien einer Kette was genau bewirken. Stihl entwickelt und fertigt seine Schneidgarnituren (Ketten und Schienen) selbst, andere Hersteller kaufen diese häufig nur zu. Daher sind die hier dargestellten Merkmale auch auf andere Fabrikate übertragbar. Die genannten Produkte und Bezeichnungen der Marke Stihl sollen dabei lediglich als Beispiele dienen.

Motorsägen: Für mehr Durchblick im Kettendschungel
Motorsägen: Für mehr Durchblick im Kettendschungel

Die Kettenteilung kann durch den markierten Abstand (immer zur ÜBERnächsten Niete) gemessen werden, dieser geteilt durch 2 ergibt die Teilung in Millimetern: Hier 9,32 mm = 3/8 Zoll.

Teilung

Je dicker der Stamm ist, desto länger sind die Zähne während des Sägens im Holz unterwegs und desto mehr Späne müssen abtransportiert werden, bis sie ausgeworfen werden können. Eine größere Teilung wie etwa 3/8-Zoll oder .404 kann dabei ein größeres Spänevolumen aus dem Schnitt transportieren, da zwischen den Zähnen mehr Platz ist. Bei einer kleineren Teilung wie etwa .325 verstopft der Spanraum hinter dem Zahn schneller, dieser gleitet dann ohne einzugreifen auf einem Späne-Polster, die Schnittleistung sinkt. Daher können sich 3/8-Zoll-Ketten auch größere Zähne und damit mehr Schnittfläche leisten, was zu gröberen Spänen und höherer Schnittleistung führt. Dafür muss aber wiederum die Säge entsprechend Dampf haben. Eine Umrüstung von .325 auf 3/8 sollte daher wohlüberlegt sein, denn bei einer zu kleinen Säge ist das kontraproduktiv: Die größere Kette überfordert dann den Motor, insgesamt ist die Schnittleistung so geringer. Der Vorteil der .325-Kette ist dagegen der ruhigere Lauf.

■ Eine größere Teilung wirkt sich zudem auf die Geschwindigkeit der Kette aus, denn durch längere Glieder muss auch das antreibende Kettenrad größer werden: Pro Umdrehung bewegt dieses dann mehr Kettenlänge als ein kleineres Kettenrad. Daher verfügen Sägen mit einer größeren Teilung über eine schnellere Kette.

■ Durch die Teilung wird auch das Schärfwerkzeug definiert: 1/4-Zoll-Ketten werden mit 3,2 mm dicken Rundfeilen wieder scharf gemacht, bei der .404 sind 5,5 mm gefragt, die restlichen Größen liegen dazwischen.

Motorsägen: Für mehr Durchblick im Kettendschungel

Die .325-Teilung wird gerne auch „Bauernkette“ genannt, da sie viel auf Sägen von Landwirten läuft. Hier zu sehen ist die Vollmeißel-Variante.

Motorsägen: Für mehr Durchblick im Kettendschungel

Die kleine Picco Micro 3 in 1/4-Zoll bildet das Einsteiger-Level.

Niederprofil

Bei Stihl heißen diese Ketten „Picco“, im Volksmund sind sie als „Hobbyklasse“ bekannt. Ihre Zähne sind flacher als die der regulären „Rapid“-Ketten und arbeiten daher ruhiger und rückschlagsärmer, nehmen aber auch weniger Material ab. Sie benötigen daher kleinere Feilen als reguläre 3/8-Ketten. Die 3/8-Picco wurden für kleinere motorisierte Sägen eingeführt, die trotzdem schnell laufen sollen: Durch die langen Glieder wird die Geschwindigkeit höher, trotzdem ist der Abtrag durch die flacheren Zähne etwas geringer, was den Motor entlastet. Das reguläre 1/4-Zoll-Sortiment – ohne Carving – von Stihl besteht zudem ausschließlich aus Picco-Ketten, da sie für Einsteiger sicherer sind, diese benötigen zudem selten eine sehr hohe Schnittleistung.

Motorsägen: Für mehr Durchblick im Kettendschungel

Profil (Höhe) Normalhoch –> „Rapid“ Niedrigprofil –> „Picco“

Motorsägen: Für mehr Durchblick im Kettendschungel

Die Nutbreite in der Sägeschiene – auch Schwert genannt – muss zur Treibgliedstärke passen. Wechselt man den Kettentyp, braucht es daher eventuell auch eine neue Schiene. Die punktförmigen Vertiefungen auf den Treibgliedern von Stihl sollen die Schmierung verbessern. Stihl Stihl

Treibgliedstärke

Je dicker die Kette, desto haltbarer ist sie, was nötig für größere Leistung ist. Dünnere Ketten erzeugen aber kleinere Späne, was einen schnelleren Schnitt ermöglicht. Daher versuchen die Ingenieure hier, möglichst auch auf stärkeren Sägen immer schmalere Ketten verbauen zu können. Im Akku-Segment sorgt eine schmalere Kette zudem für mehr Laufzeit, da weniger Holz in Späne verwandelt und so auch weniger Energie verbraucht wird. Die sehr schmalen 1,1 mm-Treibglieder markiert Stihl durch die Bezeichnung „Mini“, sie werden auf Einstiegsmodellen gefahren. Aber auch in Leistungsklassen, die früher mit einer 1,6 mm-Schiene bestückt waren, sieht man heute schon 1,3 mm schlanke Schneidgarnituren: Stihl hatte für die .325-Teilung bis vor kurzem nur 1,6 mm starke Treibglieder verbaut. Nun gibt es aber auch die „Pro“ getauften Ketten, die bei .325-Teilung lediglich 1,3 mm stark sind. Passend dazu wird natürlich auch die Schiene schlanker: Die Light 04 etwa spart so bei der beliebten MS261 bis zu 200 Gramm Gewicht. Dass eine dickere Kette stabiler läuft – sprich bei einem massiven Ast im Stamm trotzdem senkrecht durch diesen sägt und nicht abdriftet – treffe laut unseren Experten nur bei den sehr großen Sägen zu. In der Land- und Forstwirtschaftsklasse bis 4,5 PS mache sich aber eine etwas schlankere Kette nicht bemerkbar.

Zahnform

■ Halbmeißel (Micro): Fährt etwas sanfter ins Holz und verzeiht die Berührung mit Erde etwas besser.

■ Vollmeißel (Super): Schneidet aggressiver und schneller. Wenn Erde oder Steine ins Spiel kommen, nimmt die Schnittleistung jedoch stärker ab.

■ Hartmetall (Duro): Hält laut Stihl bis zu sieben Mal länger. Vorteile bringt das vor allem bei stark eingewachsenen, bemoosten Bäumen oder auch, wenn der liegende Stamm durch das Rücken stark verschmutzt ist und so aufgearbeitet werden muss.

Motorsägen: Für mehr Durchblick im Kettendschungel

Die Rapid Duro Variante ist gut an den gelben Hartmetall-Zähnen erkennbar, die 3 kennzeichnet das Sicherheitsglied.

Motorsägen: Für mehr Durchblick im Kettendschungel

Kettenlänge

Für verschieden lange Schienen sind auch unterschiedlich lange Ketten nötig. Die Länge wird hier über die Anzahl der Treibglieder angegeben. Fachhändler wie Endress führen die meisten Kettentypen auch als Endlosware und nieten die benötigte Länge auf Wunsch, wodurch auch Kunden mit Fremdfabrikaten glücklich gemacht werden können.

Motorsägen: Für mehr Durchblick im Kettendschungel

Schmale Schwerter sind leichter, was auch für schlanke Ketten spricht.

Sicherheitsglied

Der zusätzliche Höcker vor dem Tiefenbegrenzer sorgt für noch sanfteres Sägen und reduziert die Rückschlaggefahr. Bei Stihl ist dieses Element an der „3“ erkennbar, zum Beispiel Picco Micro 3 , abgekürzt PM3. Verfügbar ist es an allen Zahnformen, also auch an Super und Duro. Profis verzichten gerne darauf, zugunsten der etwas höheren Aggressivität der Kette.

Motorsägen: Für mehr Durchblick im Kettendschungel

Mit der MSA 220 wurde eine neue 3/8-Picco-Kette mit Vollmeißelzähnen vorgestellt.

Anwenderklassen

■ Privater Heimwerker und Garten: Schneidet seine Obstbäume und etwas Brennholz (Picco Micro 3, Mini, 1/4 Zoll).

■ Gewerblicher GaLaBau und Landwirte (Rapid Micro 3, Micro Pro)

■ Forstprofi (Rapid Super, Super Pro)

Sonderformen

■ Rettungssäge für Feuerwehr, Rettungsdienst und THW: Spezialkette für härteste Einsätze, z. B. Verbundmaterial und Panzerglas. Die Zähne sind vollflächig mit schlagzähen Hartmetallplatten aufgepanzert. Erfordert spezielle Schiene.

■ Längsschnitt-Ketten: Spezielle Zahngeometrie, unter anderem Schärfungswinkel 10° statt der üblichen 30°, um Bretter oder Balken aus dem Stamm zu sägen.

■ Carving: Die Holzkünstler fahren mit 1/4-Zoll Halbmeißel-Ketten, da diese am feinsten schneiden, die Geschwindigkeit ist zweitrangig: Dem Nutzer ist es wichtiger, möglichst sanft und ohne große Fransen am Stamm arbeiten zu können. Da gleichzeitig aber auch ordentlich Material abgetragen werden muss und das Einstechen sehr häufig vorkommt, setzt Stihl hier die höheren Rapid-Zähne ein, statt der sonst bei 1/4-Zoll üblichen Picco-Version.

■ Gesteinschneider: Die Kette mit diamantbesetzten Hartmetallzähnen ist ein Spezialfall, denn sie schneidet nicht, sondern schleift auf dem mit Wasseranschluss versehenen GS461. Das Prinzip ist also nicht mit den Sägeketten vergleichbar. Eine neue Diamant-Trennkette ermöglicht zudem das Trennen duktiler Gussrohre bei Rohrverlege- und Reparaturarbeiten, ebenfalls im Nass- schnitt.

Fazit

Auch hinter vermeintlich simplen Produkten wie einer Sägekette steckt sehr viel Entwicklungspotential, weshalb auch hier immer neue, bessere Varianten auf den Markt kommen. Mit Oilomatic etwa hat Stihl kleine Schmierkanäle auf den Treibgliedern eingeführt, wodurch die Kette besser mit Öl versorgt werden soll. Zudem werden die Ketten auch immer mehr auf bestimmte Sägen hin optimiert: Als Beispiel ist hier die MSA 220 zu nennen: Akku-Sägen sind bei Stihl eigentlich alle mit 1/4-Zoll und 1,1 mm Treibgliedern ausgestattet, für das neue Flaggschiff war das dann aber unterdimensioniert, weshalb dafür erstmals die Picco 3/8-Zoll-Kette mit 1,3 mm als Vollmeißel-Version (PS3) eingeführt wurde. Sie trägt zudem zur höheren Geschwindigkeit der Zähne bei, mit der die Säge beworben wird. Dafür muss der Motor aber im Einsatz dann auch genügend Leistungsreserven mitbringen, was bei kleineren Typen wiederum nicht gegeben ist. Es zeigt sich also, warum das zu überblickende Portfolio weiterhin wächst. Der Grundgedanke dabei ist immer, die Arbeit schneller, effizienter und bequemer zu machen. Hat der Kunde seine Schneidgarnitur verschlissen, kann man ihm daher eventuell eine bereits verbesserte Variante anbieten – solange man über diese Bescheid weiß. Wer den Überblick behalten will, sollte sich wenigstens einmal jährlich mit den Neuerungen vertraut machen, um den Kunden entsprechend beraten zu können.


Weitere Artikel zum Thema

weitere aktuelle Meldungen lesen