Gute Nerven sind jetzt gefragt

Hohe Nachfrage trifft auf weltweit gestörte Lieferketten, der Nachschub stockt vielerorts – Eingeschränkte Warenversorgung fordert die Fachhändler – Angespannter Beschaffungsmarkt schlägt auf Bezugskonditionen durch – Gute Kommunikation und praktikable Lösungen im Fokus

Motorgeräte-Fachhandel: Gute Nerven sind jetzt gefragt

Der Markt für Garten- und Motorgeräte boomt.

Das Corona-Virus hat in den letzten Monaten weite Teile des öffentlichen Lebens lahmgelegt. Reisebeschränkungen und Kontaktverbote führten dazu, dass die Menschen wochenlang zu Hause blieben. Viele nutzten die Zeit, um ihre Gärten auf Vordermann zu bringen und zu verschönern. Dementsprechend florierte der Markt für Gartengeräte im Pandemiejahr 2020.

Der Ansturm der Kunden während der Pandemie fegte mancherorts sogar Lager leer. Zudem sorgen Störungen der Lieferketten dafür, dass der Nachschub stockt.

Gute Auslastung

„Die Verwerfungen im Rahmen der Corona-Pandemie – aufgrund der angeordneten Schließungen von Verkaufsflächen und der Einführung von Schutz- und Hygienekonzepten sowie der allgemeinen Verunsicherung – in Kombination mit Problemen bei der Warenversorgung haben den Motorgeräte-Fachhandel in den letzten anderthalb Jahren stark beschäftigt und jeden einzelnen Fachhändler gefordert“, berichtet Niklas Schulte vom Verband der Motoristen in Düsseldorf. Dennoch sei die Nachfrage von Kundenseite auf einem sehr hohen Niveau und die Werkstätten seien gut ausgelastet. „Daher ist die Stimmung im Motorgeräte-Fachhandel in Anbetracht der schwierigen Umstände dennoch gut“, sagt Schulte.

Eine Einschätzung, die auch Oliver Hütt teilt. „Die Einschränkungen durch Covid haben sich bis auf das Tragen von Masken erledigt. Zudem sorgt das nasse Wetter für Wachstum der Vegetation, und die Nachfrage nach hochwertiger Markenware für Forst und Garten ist sehr hoch“, beschreibt der Geschäftsführer der Greenbase-Einkaufsgenossenschaft mit Sitz in Ostfildern die aktuelle Situation. An seinen Nerven und auch denen der Fachhändler zehren hingegen das „Verkaufen von Lieferzeiten und Preiserhöhungen im Wochenrhythmus.“ – Auch wenn letztere aus seiner Perspektive nachvollziehbar sind.

Motorgeräte-Fachhandel: Gute Nerven sind jetzt gefragt

Niklas Schulte, Geschäftsführer Verband der Motoristen: „Stimmung dennoch gut.“

Motorgeräte-Fachhandel: Gute Nerven sind jetzt gefragt

Oliver Hütt, Geschäftsführer Greenbase: „Verkaufen von Lieferzeiten und Preiserhöhungen.“

Angespannte Stimmung

Als sehr angespannt empfindet Thorsten Thörner vom Industrieverband Garten (IVG) die Stimmung in der Branche angesichts weiterhin steigender Rohstoffpreise und der Transportproblematik. „Viele Rohstoffe aus dem Mittleren Osten sowie Nord- und Südamerika  wurden und werden nach Asien umgelenkt und fehlen in Europa. Zudem leiden weiterhin viele Produktionsstätten unter pandemiebedingten Produktions- und Personaleinschränkungen. Darüber hinaus verschlimmert eine weltweite Störung der Logistikketten die Lage noch. Eine Vollauslastung der Schiffe, eine Überlastung der Seehäfen, eine starke Verzögerung von Lieferungen und ein Mangel an Leercontainern führen zu einer zusätzlichen Erhöhung der Logistik- und Frachtkosten. Die dadurch entstandene Kostenexplosion ist immens.“ So kämpfen laut Thörner Unternehmen der Garten- und Baumarktbranche, die Waren in Asien – insbesondere in China – einkaufen, bereits seit Ende vergangenen Jahres mit massiven Lieferengpässen und -verspätungen sowie mit dramatisch erhöhten Frachtraten. Die geplanten Abholungen und Verschiffungen der Waren verspäten sich und das ohne kurzfristige Aussicht auf Besserung. „Viele Lieferanten sehen bereits mehrere Wochen Delay in den geplanten Abholungen. Terminzusagen können nicht eingehalten werden, und die Kosten steigen dramatisch.“

Motorgeräte-Fachhandel: Gute Nerven sind jetzt gefragt

Thorsten Thörner, Technischer Referent beim Industrieverband Garten: „Kosten steigen dramatisch.“

Motorgeräte-Fachhandel: Gute Nerven sind jetzt gefragt

Steffen Karsch, Vorstand der Sümo: „Wachstum im deutlich zweistelligen Prozentbereich.“

Auch für Sümo-Vorstand Steffen Karsch ist in diesem Jahr die schwierige Liefersituation das beherrschende Thema der Branche – noch vor möglichen Corona-bedingten Einschränkungen im Einzelhandel. „Noch immer werden Frühbezüge nachgeliefert, die für die Frühjahrssaison 2021 geordert wurden“, berichtet der Vorstand der genossenschaftlich organisierten Motoristen-Kooperation Sümo, der mehr als 200 Fachhandelsbetriebe im Bereich Garten- und Forstgeräte in ganz Deutschland angeschlossen sind. Karsch gibt jedoch zu bedenken: „Allerdings muss man auch berücksichtigen, dass die bislang an unsere Mitglieder gelieferten Waren bereits ein Wachstum im deutlich zweistelligen Prozentbereich gegenüber dem Vorjahreszeitraum mit sich bringen.“

Gut abverkauft

„Vermutlich würde man ohne Kenntnis der schwierigen Hintergründe von einem Spitzenjahr sprechen“, meint Oliver Hütt von der Einkaufsgenossenschaft Greenbase, die die Interessen von etwa 300 Fachhändlern vertritt. Bereits nach der ersten Jahreshälfte hätten die Mitglieder über 25 Prozent mehr Umsatz über Greenbase abgerechnet. Dennoch hat die beeinträchtigte Warenversorgung laut Hütt gravierende Auswirkungen auf die Branche, deren Geschäft bekanntlich von starker Saisonalität geprägt ist. „Ein Rasenmäher, den der Händler erst im August geliefert bekommt, steht höchstwahrlich bis zum nächsten März im Lager“, erklärt er. Daher seien die Bestellungen bei der Industrie erhöht und die Liefertermine für bereits bestellte Ware vorgezogen worden, was wiederum zu noch längeren Lieferzeiten geführt und letztlich eine Eigendynamik entwickelt hätte. „Manch einer spricht sogar vom ‚Klopapiereffekt‘“, schmunzelt Hütt.

Nach Auskunft der Branchenkenner ziehen sich die Lieferschwierigkeiten durch das gesamte Sortiment. Besonders betroffen sind offensichtlich Geräte, die Benzinmotoren, Platinen, Akkus oder viel Stahl benötigen. Mitgliederumfragen im VdM ergeben, dass oft Aufsitzmäher und Rasentraktoren sowie Mähroboter und andere Akkutechnik, aber auch Ersatz- und Zubehörteile fehlen.

Prognosen schwierig

Mit einer schnellen Entspannung auf der Beschaffungsseite rechnen die Fachleute vorerst nicht. Vielmehr gehen sie davon aus, dass sich die Probleme im Bereich der Warenversorgung noch weit bis in das nächste Jahr hineinziehen werden und schließen auch weitere Lieferengpässe im Jahr 2023 nicht aus. Auch lassen die Corona-Lockerungen und eine damit zunehmende Hinwendung zu Freizeitthemen außerhalb des Gartens nach Ansicht der Experten nur wenig auf Entspannung hoffen. Nach Überzeugung von Oliver Hütt (Greenbase) habe die Konkurrenz „Freizeitaktivitäten versus Umsätze im Gartenbereich“ sowieso noch nie bestanden. Auch wenn die Menschen wieder in den Urlaub oder in den Biergarten können, wachse das Gras schließlich trotzdem, argumentiert er. Wichtigster Konjunkturmotor der Branche ist aus seiner Sicht „regelmäßiger Regen bei warmen Temperaturen, am besten zwischen März und August. – Und das ist im Moment der Fall.“ Daher rechnet Hütt vorerst auch nicht mit einer Entspannung.

Vor diesem Hintergrund berichtet Thorsten Thörner, der die Fachabteilung Garten- und Rasenpflegegeräte im Industrieverband Garten (IVG) betreut, von einem hohen Leidensdruck in der Gerätebranche. „Schließlich sind diese Probleme mit direkten empfindlichen Kosten verbunden“, erklärt er. Zudem leidet seiner Ansicht nach auch die Qualität der Zulieferer unter den erhöhten Rohstoffpreisen, was wiederum zu mehr Reklamationen und Reparaturen führe.

Leere Lager

Der Industrieverband Garten, der die Interessen von rund 150 Herstellern von Gebrauchs- und Verbrauchsgütern in der Grünen Branche vertritt, rechnet frühestens zu Beginn des nächsten Jahres mit einer Entspannung. Thörner verweist in diesem Zusammenhang auf die knappen Lagerbestände aufgrund der im letzten Jahr enorm gestiegenen Nachfrage, sodass die Lager zunächst aufgefüllt werden müssten.

Druck ist hoch

Motorgeräte-Fachhandel: Gute Nerven sind jetzt gefragt

Stefan Günzer, Prokurist der Sümo: „Verkaufsgespräche dauern deutlich länger.“

Auch nach Ansicht von VdM-Geschäftsführer Niklas Schulte treffen die Beeinträchtigungen der Warenversorgung den Motorgeräte-Fachhandel merklich. „Die Nachfrage ist vor allem seit letztem Jahr ungebrochen hoch, aber viele Lieferanten können nur teilweise oder verspätet liefern.“ Allerdings sind seiner Erfahrung nach den Kunden lange Lieferzeiten und Lieferverzögerungen nicht immer ganz einfach zu vermitteln. „Schließlich will ein Rasen irgendwann gemäht und eine Hecke geschnitten werden.“ Ebenso seien auch kommunale und gewerbliche Kunden auf ihre Geräte und Maschinen angewiesen und könnten nur schwerlich auf eine Entspannung der Liefersituation warten. Schulte: „Hier ist viel kommunikatives Geschick gefragt.“

Diese Einschätzung teilt auch Sümo-Prokurist Stefan Günzer: „Wenn der Kunde nicht nach seinen Wünschen bedient werden kann, nehmen Beratungs- und Verkaufsgespräche deutlich mehr Zeit in Anspruch. Auch die Koordination von bestellter Ware, deren Lieferung sich wiederholt verzögert, bedeutet für den Fachhändler – als Bindeglied zwischen Hersteller und Endkunde – eine enorme zusätzliche Anstrengung.“

Händler fühlen sich übergangen

Doch Motorgeräte-Fachhändler sind Spezialisten, die sich zu helfen wissen. „Ist ein bestimmtes Gerät nicht verfügbar, wird ein vergleichbarer Ersatz gefunden“, sagt Oliver Hütt. Schlimm ist es aber seiner Ansicht nach, wenn ein nicht verfügbarer Artikel vom Hersteller im Internet angeboten wird. Denn das schädige schnell den guten Ruf eines Fachhändlers: „Da ist man schnell ein Lügner oder hat seine Rechnungen nicht bezahlt.“

Ähnlich sieht es auch Stefan Günzer: „Da gerät der Motorist in arge Erklärungsnot, wenn er als ausgewiesener Marken-Fachhändler wochenlang auf ein Produkt warten muss, das sein privater Kunde innerhalb von wenigen Tagen vom Onlineshop des Herstellers geliefert bekommt.“

Inzwischen hätten aber erste Lieferanten diese Problematik erkannt und steuerten dagegen, indem einzelne Produkte auch in deren Onlineshop mit längeren Lieferzeiten ausgewiesen würden. In Einzelfällen würden auch individuelle Lösungen gefunden. Für Günzer sind das konstruktive Ansätze, „auf denen sich aufbauen lässt, um das bestehende Ungleichgewicht zu minimieren und den stationären Fachhandel nicht vor seinen Kunden schlecht dastehen zu lassen.“

Auch Niklas Schulte vom VdM, der die Interessen von rund 350 Motoristen vertritt, berichtet von Lieferanten, die bereits reagiert hätten und den Fachhandel nun besser in Onlineangebote einbinden.

Der VdM-Geschäftsführer weiß, dass der stationäre Fachhandel wenig Verständnis für die gefühlte Besserstellung von Direktvertriebs-Onlineshops hat. „Viele Händler fühlen sich übergangen und vom eigenen Lieferanten als Konkurrenz angesehen oder zu bloßen Servicewerkstätten degradiert. Die viel beschworene ‚Fachhandelstreue‘ sieht für sie anders aus.“ Am Ende des Tages könne aber die Branche nur zusammen und in enger Kooperation die gegenwärtigen Herausforderungen nachhaltig meistern, meint Schulte und wünscht sich eine bessere Kommunikation in Richtung des Fachhandels, die bestehende Vorbehalte abmildern könnte.

Kommunikation verbessern

Thorsten Thörner vom Industrieverband Garten erklärt dazu: „Der Fachhandel befindet sich in dieser Saison in einer ausgesprochen günstigen Abverkaufssituation.“ Vor allem die erhöhte Nachfrage habe zu Unterschieden bei der Verfügbarkeit geführt. Thörner weiß, dass eine Verknappung bei der Warenversorgung zu Spannungen führen kann, wenn der Kunde eine Belieferung erwartet. Er hat aber bereits beobachtet, dass die Unternehmen versuchen, derartige Probleme gemeinsam anzugehen und, wo möglich, zu lösen. Wichtig ist auch aus seiner Sicht, die ausgesprochen angespannte Situation bei der Warenversorgung gemeinsam zu kommunizieren, um das Verständnis der Endkunden zu gewinnen.

Als kurzfristige Lösungsstrategien kommen für Oliver Hütt durchaus Tauschbörsen infrage. „Bei Greenbase machen wir das derzeit über WhatsApp-Gruppen.“ Und weil das sehr gut funktioniere, wolle man zukünftig eine entsprechende Plattform im Greenbase-B2B-Shop integrieren.

Nach Ansicht von Niklas Schulte können die Motoristen auch mit Gebraucht- und Mietgeräten einen Teil des nicht direkt zu erzielenden Umsatzes ausgleichen und die Nachfrage ein Stück weit bedienen. Zudem empfiehlt er den Fachhändlern, das Thema Nachhaltigkeit durch Reparatur und Wartung noch gezielter in der Kundenkommunikation einzusetzen. „Es muss nicht immer gleich ein neues Gerät sein“, so Schulte.

Teuerungen in Sicht

Natürlich treiben die Engpässe in der Versorgung mit wichtigen Vorprodukten auch die Preise nach oben. Gleichzeitig hält die hohe Nachfrage aufgrund des regnerischen Wetters und eingeschränkter Freizeitmöglichkeiten in der Pandemie weiter an. „Diese Gesamtsituation führt naturgemäß auch zu höheren Endverbraucherpreisen“, weiß Steffen Karsch von der Sümo. Demnach haben bereits viele Lieferanten der Branche mit Erhöhungen der Bezugskonditionen für den Fachhandel auf die gestiegenen Beschaffungs- und Logistikkosten reagiert und in demselben Zuge die unverbindlichen Preisempfehlungen für den Verkauf dieser Produkte angepasst.

Weil diese Kostensteigerungen aber nachvollziehbar seien, stießen die Preiserhöhungen in der angespannten Situation allgemein auf Verständnis, meint Thorsten Thörner vom IVG, der im Motorgerätebereich Preissteigerungen von 10 bis 15 Prozent erwartet.

Laut VdM-Geschäftsführer Niklas Schulte geben die Fachhändler einerseits die Preisanpassungen nach Möglichkeit 1:1 an die Endkunden weiter. Andererseits, so glaubt er, werden geldwerte Services und Dienstleistungen zukünftig mehr in den Fokus gerückt werden, um etwaige negative Spannenentwicklungen anderweitig aufzufangen. Zudem würden einige stationäre Fachhändler die Diversifikation ihrer Vertriebskanäle weiter vorantreiben.

Aus Sicht von Oliver Hütt reagiert der Fachhandel bislang „sehr professionell und gelassen“ auf die Preiserhöhungen. Nachträgliche Preisanpassungen sind allerdings für den Greenbase-Geschäftsführer ein Unding: „Der ‚Spaß‘ hört da auf, wo für bereits bestellte Ware, die bis dato nicht lieferbar war, auf einmal ein höherer Preis bezahlt werden muss. Schließlich könne der Händler Preiserhöhungen für bereits endverkaufte Geräte nicht an die Kunden weitergeben. Daher appelliert Hütt an die Lieferanten, „die Preiserhöhungen am Bestelldatum und nicht am Liefertermin festzumachen.“

 


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