Noch mehr Automatisierung

IT macht Systeme immer intelligenter und entlastet den Fahrer – Trend zu Bandschneidwerken setzt sich fort – Intelligente Regeltechniken optimieren den Gutfluss

Mähdrescher: Noch mehr Automatisierung

Baukasten durchdekliniert: 20 verschiedene Modelle vom 258 PS starken Fünfschüttler bis zum 435 PS Hybridmähdrescher mit Doppelrotor umfasst das Angebot des neuen Claas Trion.

Mähdrescher: Noch mehr Automatisierung

Körnermaisernte mit dem Nexat und dem NexCo.

Auf der abgesagten Agritechnica 2022 wollten die Hersteller von Techniken zur Druschfruchternte vornehmlich Neuheiten im Automatisierungs- und IT-Anwendungsbereich präsentieren. Um Mähdrescher an der wirtschaftlichen und/oder technischen Leistungsgrenze einzusetzen, kommen jetzt weitere technische Lösungen zur Kalibrierung der Verlustsensorik auf den Markt. Im Fokus stehen auch Mähdrescherbaureihen, die noch konsequenter nach dem Baukastenprinzip gefertigt werden als bisher und somit ein breites Angebotsportfolio ermöglichen. Eine völlig neue Mähdrescherkonstruktion eröffnet neue Leistungsdimensionen.

Anhaltender Trend zu Bandschneidwerken und Detaillösungen

Aktuelle Rahmenbedingungen zwingen Landwirte, Pflanzen auch aus südlicheren Regionen in vielfältigeren Fruchtfolgen anzubauen. Die Konstrukteure der Spezialfirmen für Erntevorsätze und der Mähdrescherhersteller reagieren darauf mit angepassten Konstruktionen. Bandschneidwerke erlangen immer höhere Marktanteile, weil sie zum einen mit Flex-Messerbalken ausgerüstet sind und sich zum anderen zusätzlich bei segmentiertem Rahmen quer zur Fahrtrichtung an Bodenunebenheiten anpassen. Dies reduziert insbesondere bei großen Arbeitsbreiten, aber auch in kupiertem Gelände die Aufnahmeverluste. Um diesen Vorteil intensiver zu nutzen, dienen zusätzliche Tasträder der Bodenanpassung in Fahrtrichtung. Die Neigung des Bandschneidwerkes wird somit während der Erntearbeit automatisch an die Einsatzbedingungen angepasst.

Es werden zwar immer weniger großwüchsige Linienrapssorten angebaut, doch die Beschaffenheit von Raps ist jahreswitterungsbedingt sehr unterschiedlich, sodass nach wie vor Aufnahmeverluste entstehen können, denen die Konstrukteure mit Detaillösungen wie Leit- und Komprimierschnecken sowie profilierten Querförderbändern und Bandführungen in dichten Leitschienen begegnen.

Detailverbesserungen am Schnittsystem sind erforderlich, wenn nahe der Bodenoberfläche gemäht wird. Ähnlich der Gleitfläche eines Ährenhebers über dem Boden werden auch Mähfinger an der Unterseite abgeschrägt, um bei angepasster Schneidwerksneigung in Fahrtrichtung möglichst verstopfungsarm und bei höheren Erntegeschwindigkeiten zu mähen. Spezielle Mähfinger sind sogar ohne Spitze zweiteilig gegen die Mähmesser einstellbar, um den Scherenschnitt zu maximieren.

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Bandschneidwerke erobern immer höhere Marktanteile.

Trends beim Dreschen und Abscheiden

Neue Mähdrescher der obersten Leistungsklassen mit erhöhter Druschleistung wurden zur Agritechnica 2019 von einigen Herstellern präsentiert. Eine weitere Steigerung der Druschleistung erfordert sehr hohen konstruktiven Aufwand, weil das Bauvolumen das Größenwachstum begrenzt. Denn es nimmt auch die Maschinenmasse zu, weil eine höhere Leistung der Dresch- und Trenntechniken natürlich mehr Motorleistung und somit robustere Antriebsstränge erfordert. Top-Modelle mit nahezu 800 PS Motorleistung erreichen ohne Erntevorsatz Leergewichte von mehr als 20 Tonnen. Bodenschonende Breit- oder Doppelräder sowie Halbraupen sind daher für diese Maschinen ein „Muss“. Der Trend zu größeren Dreschtrommel- und Axialrotor-Durchmessern setzt sich fort. Für mehr Schluckvermögen wird zunehmend auf kleine Dreschtrommeln mit weniger als 60 Zentimetern Durchmesser verzichtet. Auch in Mähdreschern mit Doppel-Axialrotoren beträgt deren Durchmesser 60 Zentimeter und mehr. Zur Erzielung hoher Druschleistungen werden Axial-Dresch- und Abscheiderotoren zusätzlich verlängert.

Eine Neuentwicklung ist ein Axialrotor-Mähdrescher mit einem gegenläufigen Axial-Dresch- und Abscheiderotor. Der Erntegutstrom wird dem Rotor tangential zugeführt, der ihn zu beiden Seiten teilt. Das spart Antriebsleistung, weil das Erntegut nicht wie bei üblichen Axialrotor-Mähdreschern aufwendig durch den schneckenförmigen Einzugsbereich und entsprechend geformte Gehäuse in den axialen Gutfluss umgelenkt werden muss. Die Konstruktion erlaubt eine Zunahme der technischen Druschleistung über bekannte Dimensionen hinaus. Dieser Mähdrescher (Foto Seite 12) ist extrem kurz und quer in das Trägerfahrzeug Nexat eingebaut, das beim Transport längs fährt. Das Trägerfahrzeug ist konsequent für Controlled Traffic Farming mit einem Beetmaß von zwölf Metern konstruiert. Es ist ebenso konsequent auf alternative Antriebstechniken und vollautomatisches Arbeiten ausgelegt. Somit ist das Gesamtkonzept als ressourcenschonend zu bewerten.

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Claas Cemos Auto Header: Die Eintauchtiefe und Horizontalposition sowie die Schneidtischlänge werden automatisch der Ernteguthöhe angepasst.

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New Holland OptiSpread Automation System: Mit direkter Laser-Messtechnik wird das Häckselgut auch bei sich ändernden äußeren Einflüssen gleichmäßig verteilt.

Trends bei Informations- und Regeltechniken

Die Informations- und Regeltechniken für die Druschfruchternte werden zunehmend komplexer. So wird zum Beispiel die maschinengestützte Intelligenz in Form von Regeltechniken weiterentwickelt. Dazu zählen erstmalig ein Schneidwerkautomat sowie ein Häckselgut-Verteilautomat. Beim Schneidwerkautomaten werden die richtige Haspelposition sowie Schneidtischlänge eingestellt, um einen möglichst gleichmäßigen Erntegutfluss bereits im Schneidwerk zu erzeugen, der sich dann positiv auf die Druschleistung auswirkt. Ein Scanner erfasst die Geometrie des Druschfruchtbestandes, um die Haspel passend zu positionieren. Der Schichtdickensensor für den Vorfahrtregler erfasst auch Ungleichmäßigkeiten im Gutfluss. Wenn die Schichtdicke des Erntegutstromes am gleichmäßigsten ist, passt die Schneidtischlänge.

Die Querverteilung des Häckselgutes über der gesamten Arbeitsbreite wird jetzt auch direkt per Lasersensoren gemessen. Entspricht die Häckselgutverteilung nicht dem Sollwert, so wird die Wurfgeschwindigkeit der Verteilrotoren an beiden Seiten unabhängig voneinander angepasst, bis das Häckselgut wieder gleichmäßig verteilt ist.

Lobenswert sind die vielen Ansätze zur Messung von Kornverlusten. Vor allem bei Groß-Mähdreschern ist eine Kalibrierung der Verlustsensoren immer mehr erforderlich, damit die Einstellautomaten konstruktionsgemäß arbeiten. Darüber hinaus ist bei diesen Mähdreschern die Ernte an der agronomisch festgelegten oder technisch beziehungsweise wirtschaftlich gegebenen Leistungsgrenze besonders wichtig, weil die tatsächlichen Kornverluste von Mähdreschern mit großen Arbeitsbreiten meist überschätzt werden. Dies reduziert die Wirtschaftlichkeit des Mähdrusches.

Für die einfache Kornverlustbestimmung wurden neben den üblichen Schalensystemen auch Bildverarbeitungstechni- ken entwickelt. Die auf dem Boden liegenden Verlustkörner werden fotografiert, die Bildverarbeitungstechnik erkennt die Anzahl der Körner pro Flächeneinheit, und die dazugehörige App berechnet nach Eingabe der technischen Daten des Mähdreschers sowie des Ertrages die Höhe der Kornverluste. Diese Technik verspricht auf jeden Fall eine höhere Genauigkeit als das übliche Freiblasen und Schätzen der Kornverluste. Ob sich diese digitalen Verfahren zur Kornverlustbestimmung im Markt durchsetzen werden, hängt von deren Messgenauigkeit vor allem bei Häckslerbetrieb ab. Die für eine präzise Messung zu kleine, gescannte Fläche kann durch Mehrfachscannung kompensiert werden. Digitale Verfahren zur Bestimmung der Kornverluste beim Mähdrusch sind ähnlich bedienerfreundlich wie zur Bestimmung der Querverteilung beim Düngerstreuen und mit geringstem Aufwand verbunden – ihre Umsetzungschancen sind also gut.

Das veränderte Informationsbeschaffungsverhalten der Menschen machen sich auch smartphonebasierte Systeme zunutze. Treten Probleme bei der Mähdrescherbedienung oder -einstellung auf, so können die dazugehörigen Informationen per Scannen des QR-Codes vom Bildschirm des Bedienterminals geladen werden. Diese prinzipiell nicht neue, aber bedienerfreundliche Methode dient der raschen Beschaffung von Hilfestellungen seitens des Herstellers zur sachgerechten Nutzung des Mähdreschers.

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Bildverarbeitungstechnik zur Erfassung der Kornqualität für die Regeltechnik des Dreschwerkes.

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Intelligente Regeltechnik sorgt für die Erhöhung der Gleichmäßigkeit des Gutflusses auch am Seitenhang.

Trends beim Stroh- Spreu-Management

Der Einsatz von Groß-Mähdreschern mit Arbeitsbreiten von mehr als zehn Metern ist oft mit konstruktiven Herausforderungen beim Bau von Häcksel- und Verteiltechniken verbunden. Hier haben sich die sogenannten Radialverteiler etabliert, jedoch nicht weltweit, weil die Anforderungen an das Häckseln und Verteilen je nach Anbauverfahren und Druschfrucht sehr unterschiedlich sind.

In Trockenregionen mit einem hohen Maß an herbizidresistenten Beikräutern werden Schrotmühlen an Mähdrescher gebaut, um die Reinigungsabgänge und somit die Beikrautsamen zu zerstören. Derartige Seeddestructoren sind prinzipiell Hammermühlen mit einem hohen Antriebsleistungsbedarf, die bereits auf der Agritechnica 2019 vorgestellt wurden. Neue Konstruktionsansätze fokussieren vor allem auf einen reduzierten Leistungsbedarf und eine kompakte Bauweise, die den Erhalt aller Mähdrescherfunktionen, wie auch das Koppeln eines Schneidwerkwagens, ermöglichen. In Übersee können mit diesen Techniken circa 80 Prozent der Unkrautsamen zerstört werden.

Unter mitteleuropäischen Erntebedingungen sind zum Erntezeitpunkt der Druschfrucht jedoch meistens circa 80 Prozent der Ungrassamen (Ackerfuchsschwanz, Windhalm) bereits ausgefallen. Darüber hinaus werden höhere Strohmassen bei höheren Wassergehalten geerntet, sodass Beikrautsamen auch noch im Stroh verweilen. Die natürlichen Voraussetzungen für eine Technik zur mechanischen Beikrautsamenzerstörung sind daher vollkommen anders als in Übersee. Der Wirkungsgrad einer solchen Anlage mit einem Antriebsleistungsbedarf von circa 70 bis 130 Kilowatt ist daher zu gering.

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Bodenschonende Halbraupen setzen sich an Großmähdreschern zunehmend durch.

Trends rund um den Mähdrescher

Mit zunehmenden Leistungen der Mähdrescher spielt die Einstelloptimierung und Justierung der Sensorik eine bedeutendere Rolle, weil Fehleinstellungen bei Großmaschinen relativ höhere wirtschaftliche Schäden verursachen als bei Kleinmaschinen. Deshalb entwickeln die Hersteller ihre Einstell- und sonstigen Regeltechniken weiter. Neben der Druschleistung spielt hierbei die Arbeitsqualität eine zunehmende Rolle. So stand in den Trockenjahren von 2018 bis 2020 der Kornbruch im Fokus. Axialrotor-Mähdrescher mit einem systembedingt geringeren Kornbruchrisiko werden von den Marketingabteilungen der Hersteller als besonders vorzüglich gegenüber Mähdreschern mit Tangentialdreschwerken propagiert.

Bei der Beurteilung von Arbeitsqualitäten sind jedoch nicht nur die Abzugslisten der Agrarhändler sowie deren Probenanalysetechniken zu berücksichtigen. Auch sind die Gutströme innerhalb eines Mähdreschers objektiv zu bewerten. Oft wird der in den Kornverlusten enthaltene Anteil an gebrochenem Korn völlig überbewertet. Nicht jede App spiegelt exakt die Vorgänge in und um den Mähdrescher wider. Hier werden zukünftig weitere wissenschaftliche Erkenntnisse Berücksichtigung finden. Fakt ist und bleibt: Jedes Dresch- und Abscheidesystem ist mit spezifischen Vor- und Nachteilen behaftet, und jeder Hersteller bietet für die verschiedenen Märkte passende Ausrüstungsoptionen und intelligente Regeltechniken an. Andernfalls wären nicht alle Mähdrescher weltweit einsetz- und folglich vermarktbar.

Zusammenfassung

Der weltweite Trend zu Bandschneidwerken und Techniken zur Adaption von Erntevorsätzen an die verschiedensten Bedingungen setzt sich fort. Die Bandschneidwerke der international vermarktenden Hersteller werden zunehmend europäisiert. Somit nimmt die Auswahl für die Landwirte und Lohnunternehmer zu.

Dies gilt auch für Mähdrescherbaureihen, die immer konsequenter nach dem Baukastenprinzip gefertigt werden und somit sehr viele Ausrüstungsoptionen ermöglichen, also ein breites Angebotsportfolio bieten. Trotz der Beschränkung der Bauvolumina nehmen die Druschleistungen zu. Regeltechniken – jetzt auch an Erntevorsätzen – erhöhen die Gleichmäßigkeit des Gutflusses und steigern somit die Ernteleistung. Die exakte Querverteilung von gehäckseltem Stroh wird als wichtiger Baustein im Pflanzenbauverfahren direkt gemessen und an die äußeren Bedingungen angepasst.

Ein neu konzipierter Mähdrescher in einem Trägerfahrzeug erschließt einen weiteren Schritt zu höherer Druschleistung bei gleichzeitig gesteigerter Energieeffizienz. Dieses auf zukünftige Verfahrenstechniken und alternative Energien ausgelegte Gesamtkonzept, das sowohl manuell bedient als auch autonom arbeiten kann, bedeutet einen Paradigmenwechsel in der gesamten landwirtschaftlichen Verfahrenstechnik.

Ausblick

Die aktuelle Markt- und Preissituation bei den Haupt-Druschfrüchten lässt zwar weiterhin hohe Erlöse erwarten, jedoch wird sich die Preissituation bei Betriebsmitteln sowie deren Verfügbarkeit intensiver auf die Investitionsbereitschaft der Landwirte und Lohnunternehmer auswirken als das Angebot der Technikhersteller.


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