Töchter mit starker Mutter im Rücken

Seit der Übernahme durch Kubota vor sieben Jahren flossen über 52 Millionen Euro allein in das norwegische Stammwerk.

Kverneland-Group: Töchter mit starker Mutter im Rücken

Linda Salem, Great Plains, und vom Board der Kverneland Group Arild Gjerde, CEO Kazunari Shimokawa, Patrick Verheecke und Claus Udengaard Thomsen (von links).

„Zahn ziehen ein Øre.“ Dieses handgeschriebene Schild steht in der Schmiede von Ole Gabriel Kverneland. Vor 140 Jahren startete der begabte Handwerker in dem schwarzen Holzhaus in Kvernaland seine Metallbearbeitung. Die Herstellung von Scheren, Instrumenten für Ärzte und Sensenblättern lag ihm besonders. Produkte aus „O.G. Kvernelands Fabrik“ waren über das Dörfchen Kvernaland hinaus bekannt für ihre Arbeitsqualität und Standfestigkeit bei geringem Gewicht. Seinen ersten pferdegezogenen Pflug baute er 1882, 1928 folgte der erste Pflug für den Traktor-anbau.

Kvernelands Schmiede liegt ca. 25 km von Stavanger in Norwegen entfernt. Beim Anflug auf Stavanger sieht man hier viel Grünland, an den Wiesenrändern leuchten die weiß gestretchten Rundballen aufgereiht wie Perlenketten. Es gibt dazwischen auch einige Getreidefelder.

Nach der Landung ist genau dieses Gebiet unser Ziel: Der 8.000er John Deere zieht die Furchen mit dem grün-roten Siebenschar-Kverneland Pflug durch den schwarzen humosen Acker. Man kann gut sehen und auch hören, wie die Steinsicherung anspricht und sich einzelne Schare anheben. Kindskopf- bis fußballgroße Steine liegen auf vielen Äckern Skandinaviens in der Krume. „Sie sehen, unter welchen Voraussetzungen Kverneland seine Pflüge entwickelt hat. Steinreiche Äcker beherrschen wir bestens“, betont Arild Gjerde. Er ist im Vorstand der Kverneland Group zuständig für Vertrieb und Marketing und damit einer der Gastgeber der Konzernpressekonferenz.

Im Jahr 2012 übernahm der japanische Kubota Konzern die Kverneland Gruppe in einem Bieterwettstreit mit CNH. Die Pressekonferenz im siebten Jahr nach der norwegisch-japanischen Heirat nutzte das Group-Management für eine Bilanz. 85 Journalisten aus 26 Ländern waren dafür nach Stavanger gereist.

Wenige Wochen vor der Übernahme durch Kubota habe ich das Kverneland-Pflugwerk im norwegischen Klepp das erste Mal besucht. Die finanzielle Situation, das war klar, forderte einen Investor. Bereits 2009 hatte man das Pressenwerk im niederländischen Geldrop mitsamt einer ausgereiften Großpackenpressentechnologie an den Wettbewerber Kuhn verkauft.

Zum Zeitpunkt meines Besuchs waren die Übernahmepläne der Japaner noch geheim.

Seit dem Kubota-Einstieg sind über 52 Mio. Euro Investitionen allein in dieses Werk geflossen. Außer einigen neuen Hallen sind viele Investitionen nicht ganz so offensichtlich. Die neuen Eigentümer haben viel in Prozesse, Produktivität und Qualitätsmanagement investiert. Kaizen, die Philosphie der kontinuierlichen Verbesserung, kommt aus Japan. Es gehört zum Markenkern von Kubota.

Ein Beispiel für das neue Qualitätsmanagement ist die Shaker-Halle. In einer automatisch gesteuerten Dreipunktaufhängung ist ein Pflug montiert. Drei Wochen lang wippt er wie hinter einem Schlepper bei Straßenfahrt auf und ab und wird pro Minute fünfmal gedreht. Ganz langsame Schwingungen simulieren die Zugarbeit des Geräts auf dem Acker. „Wir testen bis es zum Bruch kommt. Das liefert uns die besten Ergebnisse“, erläutert Qualitätsingenieur Stig Hegelsen. Einen Monat in der Shaker-Halle entspricht ungefähr der Belastung, der ein Pflug in seinem gesamten Arbeitsleben ausgesetzt ist.

Zu den Pressen und Stanzen aus den siebziger Jahren gesellen sich im Werk Klepp jetzt neue Bearbeitungszentren. Mehr und mehr übernehmen Roboter körperlich schwere oder monotone Arbeitsgänge. Die Stahlhärtung, hierin steckt viel Kverneland-Wissen, ist neu errichtet. Über eine halbe Stunde verweilen die Teile im containergroßen Ofen bis sie rotglühend in das Abkühlbecken tauchen. 560 Kollegen bauen in diesem Werk jährlich 5.000 Pflüge, die Fertigungstiefe liegt bei fast hundert Prozent.

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Nur noch zwei Marken

In der Kverneland Group gibt es jetzt nur noch zwei Marken: Unter Kverneland verkauft man Pflüge, Grubber, Spritzen, Düngerstreuer und Sätechnik. Vicon gelabelt sind Mähwerke, Wender, Schwader, Rundballenpressen sowie ebenfalls Düngerstreuer. Die Gruppe hat insgesamt sechs Werke in Norwegen, Dänemark, den Niederlanden, Deutschland, Frankreich und Italien sowie eine Montage in China. Insgesamt arbeiten 2.500 Menschen für die Gruppe. Neben den Marken Kverneland und Vicon gibt es aber auch orangefarbene Geräte mit Kubota Schriftzug. Das weltweite Kubota-Vertriebsnetzwerk bietet der Kverneland Gruppe gerade für neue Märkte in Nordamerika und Asien einen Türöffner.

CEO und President der Kverneland-Gruppe ist Kazunari Shimokawa (60). Der Japaner war über zwölf Jahre im Kubota Baumaschinenbusiness im deutschen Zweibrücken tätig und spricht daher sehr gut deutsch.

Im Jahr 2018 erreichte die Kverneland-Gruppe 504 Mio. Euro Umsatz, darin sind auch die Verkäufe an die Konzernmutter Kubota enthalten. Der Kubota Konzern erreichte im vergangenen Jahr 14,2 Mrd. Euro Umsatz mit einer Belegschaft von weltweit 40.200 Menschen.

Kubota widmet sich neben der Land- und Baumaschinentechnik Geschäftsfeldern wie Wasserwirtschaft und Infrastruktur. Mit dem Kverneland-Erwerb erreicht Kubota in Europa 2 Mrd. Euro Umsatz mit folgendem Produktmix: Baumaschinen 31 Prozent, Motoren 18 Prozent, Traktoren 21 Prozent, Landmaschinen 24 Prozent und Ersatzteile 6 Prozent.

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Der neue Ofen im Werk Klepp ist Teil des 52 Mio. Euro-Investitionsprogramms.

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Firmengründer Ole Gabriel Kverneland fertigte für jede Region spezielle Sensenklingen.

Auf der Pressekonferenz präsentierte sich auch Kubotas zweite Landtechniktochter: Der US-amerikanische Gerätehersteller Great Plains gehört seit 2017 zum Konzern. Mit knapp 400 Mio. US-Dollar Umsatz ist Great Plains ein bedeutender Player auf dem US-Markt. 1.500 Mitarbeitende bauen unter der Marke Great Plains Maschinen für die flache Bodenbearbeitung und Einzelkornsaat. Unter der Marke Land Pride fertigt man auch kleinere Maschinen für die Landschaftspflege und den Hobbybereich. Sie passen hervorragend in das Vertriebsprogramm von Kubota USA.

Beide Töchter haben sich jetzt kennengelernt und starten aktuell die Zusammenarbeit. Kverneland Group nimmt ausgewählte Maschinen aus den USA in seinen Vertrieb in Westeuropa, Polen, Tschechien und Ungarn mit auf. In Russland und der Ukraine hat Great Plains-Chefin Linda Salem bereits einen eigenen Vertrieb installiert. Umgekehrt arbeitet man in Kansas an Produkten aus dem Vicon-Programm, um sie für den US-Markt anzupassen und dort zu verkaufen. Eine Vicon Produktion in Great Plains Werken ist aktuell nicht geplant, aber mittelfristig möglich. Konkret ist die Zusammenarbeit beider Kubota Gerätetöchter bereits in der Entwicklung und im Testbereich.

Arild Gjerde addiert nun die 396 Dollarmillionen seiner amerikanischen Schwester zu den 504 Euromillionen der Kverneland-Gruppe. Schon ist der Abstand zum Geräteweltmarktführer Kuhn nicht mehr uneinholbar. Das Ziel in den nächsten drei Jahren sind drei Prozent Marktanteil zusätzlich vom europäischen Gerätemarkt, den Gjerde mit 4,5 Mrd. Euro veranschlagt.

Mit einem passenden Maschinenprogramm, intensiviertem Vertrieb, besserer Qualität und dank smarten Elektroniklösungen wollen Kverneland und Vicon in Europa und darüber hinaus wachsen. In Kvernaland präsentierte man die Agritechnica-Neuheiten in der Bodenbearbeitung und Futterernte, die wir in den folgenden eilbote-Ausgaben näher vorstellen. Wie die Pläne für Deutschland ausschauen, lesen Sie im oben stehenden Kasten.

Kverneland-Group: Töchter mit starker Mutter im Rücken

560 Mitarbeitende fertigen im norwegischen Werk Klepp jährlich 5.000 Pflüge.

Der Pflug bleibt das Flaggschiff für Kverneland – Niels Veltmann ist seit gut einem Jahr Geschäftsführer der deutschen Kverneland Group Vertriebsorganisation. Der eilbote fragte nach Plänen für den weiteren Marktausbau der Marken Kverneland und Vicon in D

„Ich bin jetzt in der Kverneland-Welt angekommen“, resümiert Niels Veltmann (51). Vor gut einem Jahr meldete der eilbote Veltmanns Wechsel von Lemken zur Kverneland-Group Deutschland mit Sitz im westfälischen Soest.

Kverneland-Group: Töchter mit starker Mutter im Rücken

Niels Veltmann, Chef der Kverneland Group GmbH.

Seit Herbst 2018 ist er neben Arild Gjerde aus dem Board der Kverneland-Group alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer für Kverneland in Deutschland und Österreich. Veltmann folgte Thomas Bortz, der von 2004 bis zum April 2018 die Geschäfte in Soest leitete.

Veltmann studierte Agrarwissenschaften und stieg nach Stationen bei Dameco und E.L.F. Hallenbau 2006 in die Claas Gruppe als regionaler Verkaufsleiter West ein. 2010 wechselte er zu Lemken, wo er als Export Manager, zuletzt für die Märkte Großbritannien/Irland, China, Japan, Iran und den Mittleren Osten aktiv war. Gerade die Arbeit in China – in Quingdao gründete Lemken einen eigenen Standort – hat ihn, wie er im eilbote-Gespräch berichtet, wertvolle Führungserfahrungen sammeln lassen „Viele Dinge mussten hier vor Ort schnell mit der Werkleitung entschieden werden. Dadurch lernte ich mehr über Themen wie Mitarbeiterführung, Finanzen, Produktion und Administration.“

Als „Neuer“ in der Kverneland-Group hat Veltmann erste Akzente gesetzt. Der Ausstieg aus der Gülletechnik wurde beschleunigt. „Gülletechnik ist ein so spezielles Feld, da hätten wir noch viel mehr in Personal investieren müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Wir wollen die Ressourcen lieber für unsere Kernsortimente einsetzen.“ So wird aktuell das Produktmarketing bei besonders erklärungsbedürftiger Technik, wie z.B. der Non-stop Presswickelkombi „FastBale“ oder digitalen Lösungen personell ausgebaut.

Aus dem 71-köpfigen für Deutschland und Österreich zuständigen Kverneland Group-Team sind 18 Gebietsleiter in der Fläche unterwegs. Sechs davon betreuen für Händler und Kunden beide Sparten, also Ackerbau und Futterernte. Zum Teil ist das gerade von Händlern in den neuen Bundesländern so gewünscht. Darüber hinaus gibt es in den Regionen fünf auf Futtererntetechnik und sieben auf Ackerbau spezialisierte Gebietsleiter. Veltmann zählt gut 100 Händler zu den A-Partnern. Dabei unterscheidet er zwischen dem Group Dealer, der sowohl Vicon als auch Kverneland-Maschinen vertreibt. Der Brand Dealer hat nur eine der beiden Marken im Angebot. Der Product Dealer hat einzelne Maschinen, wie z.B. die Einzelkornsätechnik, im Verkaufsportfolio.

Der Jahresumsatz der Kverneland-Group Deutschland erreicht nach eilbote Schätzung gute 80 Mio. Euro. Die Kündigung des Lizenzvertrages zwischen Deutz-Fahr und der Kverneland-Group 2017 brachte keinen Rückgang im Geräteumsatz. „Die Gruppe der SDF-Händler macht mit uns heute insgesamt den gleichen Umsatz, wie davor mit Deutz-Fahr Geräten“, freut sich Veltmann. Auch in Deutschland sieht man auf den Höfen der Kubota Händler jetzt Vicon Maschinen mit Kubota Farbe und Schriftzug. Kannibalisiert sich der Konzern hier nicht? „Wir gehen hier sehr sensibel vor. Wo wir bereits starke Händler haben, werden wir keinen Wettbewerb in Orange etablieren“, betont der Vertriebsexperte.

Die Händlerbeziehungen will Veltmann stabilisieren und ausbauen, was angesichts der Long Liner-Bestrebungen von CNH mit Konskilde und AGCO mit Lely und Fella Technik eher herausfordernder wird. Claas, Krone und Pöttinger sowie Anbieter wie z.B. SIP, Samasz und Rozmital, machen den Wettbewerb nicht einfacher.

Bisher war Veltmann in seiner Laufbahn nur für Familienunternehmen tätig. Was unterscheidet die Arbeit für einen börsennotierten Konzern? Veltmann: „Die Entscheidungswege sind manchmal länger, die japanische Strategie ist aber sehr langfristig und prozessorientiert angelegt. Die kapitalstarke Mutter Kubota hat ein Qualitätsdenken, das gerade für die anspruchsvolle deutsche Technikkundschaft ein hervorragendes Verkaufsargument ist.“ Und mit den weltweit anerkannten Pflügen habe man ein tolles Flaggschiff.


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