Coronavirus verändert das Leben – auch für Landmaschinenhersteller

Für viele kleinere Unternehmen geht es in der Saison 2020 um die Existenzsicherung

Krisenmanagement: Coronavirus verändert das Leben – auch für Landmaschinenhersteller

K.U.L.T. Kress Geschäftsführer Christian Kirchhoff: „Warenfluss und Personalsituation sind die wesentlichen Herausforderungen.“

Es kommt nicht oft vor, dass sich die Welt innerhalb von 24 Stunden grundlegend verändert. Der 13. März dieses Jahres fiel auf einen Freitag und machte seinem schlechten Ruf alle Ehre. Um Marktentwicklung und Exportchancen von Hackmaschinen sollte es bei meinem Besuch bei K.U.L.T. Kress gehen, doch angesichts von Grenzschließungen, Schließungen von Schulen und Kitas und abgesagten Veranstaltungen fragte ich am Freitagmorgen noch einmal telefonisch an, ob unter diesen Umständen der Besuch überhaupt noch stattfinden könne. Geschäftsführer Christian Kirchhoff nahm sich nicht nur für das Interview Zeit, sondern erklärte auch, welche Folgen die Coronavirus Krise für einen Landmaschinenhersteller hat.

Distanz zu halten und niemandem zur Begrüßung die Hand zu geben ist längst zur Routine geworden, aber was am Tag zuvor noch eher theoretische Überlegungen für ein Extremfall-Szenario waren, muss plötzlich in die Praxis umgesetzt werden. Es geht um zwei zentrale Bereiche: Warenfluss und die Personalsituation. 25 Mitarbeiter sind bei K.U.L.T. Kress in Vaihingen/Enz voll- oder teilzeitbeschäftigt, 15 davon im Büro.

Das Unternehmen ist auf Hackmaschinen und Abflammtechnik spezialisiert. Seit einigen Wochen wird das Firmengebäude, wegen guter Umsatzzuwächse in den Vorjahren, umgebaut und erweitert, was bedeutet, dass erst einmal alle zusammenrücken und Büros teilen müssen. „Wir haben schon überlegt, ob wir das kleine Sitzungszimmer zur Quarantänestation umfunktionieren müssen“, scherzt Sabine Kirchhoff, die für die Administration zuständig ist und ihren Humor nicht verloren hat. Die Arbeit in den Büros lässt sich weitgehend ferntechnisch organisieren – es wird alles etwas aufwändiger sein und länger dauern, aber es ist machbar, sagt Kirchhoff.

Anders ist das bei den Mitarbeitern in der Montage und im Lager. K.U.L.T. Kress fertigt überwiegend in Ungarn, aber auch in Deutschland und Italien. Endmontage und Qualitätskontrolle jedoch erfolgen in Vaihingen Enz, denn jede Hackmaschine wird für die spezifischen Anforderungen des jeweiligen Kunden nach Maß angepasst. Wenn jemand in der Montage erkrankt und dann alle unter Quarantäne gestellt werden müssen, bliebe nur noch die Schießung. Eine Überlegung ist deshalb, das Team in zwei Schichten aufzuteilen, so dass bei einer notwendigen Quarantäne die Chance besteht, dass zumindest ein Team weiter arbeiten kann.

Krisenmanagement: Coronavirus verändert das Leben – auch für Landmaschinenhersteller

Schafft es die nächste Lieferung noch bis Deutschland? Die Stahlräder kommen aus Italien.

Krisenmanagement: Coronavirus verändert das Leben – auch für Landmaschinenhersteller

Vielerorts ausgehängt, so auch in Vaihingen/Enz im Büro von K.U.L.T. Kress: Die Hygieneregeln.

Probleme, die ausgerechnet in der Hauptsaison auftauchen – für Hackmaschinen beginnt sie im März, ab Juni nimmt die Nachfrage deutlich ab. In Vorbereitung darauf sind bei K.U.L.T. Kress die Lagerbestände deshalb um diese Jahreszeit hoch, einige Teile werden jedoch regelmäßig von den Herstellern zugeliefert. Profilrohre, Hauptrahmen und Führungsräder kommen aus Norditalien. Als dort die Infektionsraten in die Höhe schossen, orderte Sabine Kirchhoff was die Hersteller sofort liefern konnten. „Solange die Grenzen noch offen sind und die Lkw fahren“. Die georderten Stahlräder kommen deshalb unlackiert, die Lackierung wird jetzt ein Betrieb im Raum Vaihingen übernehmen – sollte es der Fahrer noch nach Deutschland schaffen. „Wir müssen jetzt täglich sehen, was noch geht“, sagt Sabine Kirchhoff.

Geschlossene Grenzen haben noch andere Folgen. Der US Verkaufsleiter sitzt gerade in Vaihingen/Enz fest. Christian Kirchhoff hat seinen Flug storniert, eigentlich hätte er am Wochenende zu einer Messe in die USA fliegen wollen. Auch in Europa werden immer mehr Messen, Veranstaltungen und Feldtage abgesagt. Für K.U.L.T. Kress entstehen erhebliche finanzielle Verluste – für Messestände mussten Anzahlungen geleistet werden, die meist nicht zurückerstattet werden, auch Messebauer fordern teilweise Stornogebühren. Und gerade für kleine Hersteller sind Demonstrationen auf Feldtagen besonders wichtig: sie verfügen nicht über ein weit gespanntes Händlernetz, sondern nutzen die Chance, direkt mit potentiellen Kunden in Kontakt zu kommen, Maschinen zu präsentieren und demonstrieren. Für kleine, spezialisierte Hersteller hängen Verkäufe nicht am Bekanntheitsgrad des Firmennamens, sondern an guter Beratung und dem Vertrauensverhältnis, das oft bei einem Messegespräch beginnt. In der Saison 2020 wird es für viele kleinere Unternehmen nicht um Umsatzsteigerungen, sondern um die Existenzsicherung gehen.


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